„Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte“ oder wer liest heute Arndt?

Dr. Michael Gratz (Literaturwissenschaften, lehrte an der Universität Greifswald)

Ernst Moritz Arndt schrieb das Vaterlandslied (Der Gott, der Eisen wachsen ließ) im Jahr 1812, während der napoleonischen Besetzung. Es wurde vertont und fand während der Befreiungskriege und danach weite Verbreitung. Mein Artikel befaßt sich mit der Verbreitung des Liedes in der heutigen Popkultur und im Internet.

Eine Google-Anfrage nach der ersten Zeile erbringt in weniger als einer Sekunde über 59.000 Fundstellen und schlägt weitere beliebte Suchanfragen vor. Besonders häufig sind Kombinationen mit dem Sänger Heino und der rechtsradikalen Band „Stahlgewitter“.

Google Suggestions: Der Gott der Eisen wachsen ließ

(Screenshot: Autovervollständigung der Google-Suche)

„Arndts „Fans“ in der rechten Popkulturszene sind alles andere als harmlose Freunde der klassisch- romantischen deutschen Literatur

Die rechtsradikale Enzyklopädie Metapedia erklärt:

„Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in manchen Liederbüchern die Strophe „Mit Henkerblut, Franzosenblut“ in „Mit Henker- und mit Knechteblut“ geändert, um den deutschen Freiheitskampf gegen jedweden Feind, nicht nur den französischen Erzfeind zu symbolisieren. In neuerer Zeit wurde das Lied u. a. von Heino, Leger des Heils, Ultima Thule und dem 2009 verstorbenen Liedermacher Michael Müller neu veröffentlicht. Darüber hinaus diente das Gedicht als Grundlage für das 2011 auf dem Album Sturmzeichen erschienene Lied Der Eisen wachsen ließ von MaKss Damage.“

Mit der verharmlosenden Sprache bin ich beim Thema. „„Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte“ oder wer liest heute Arndt?“ weiterlesen

Populärmusik aus Federau

übernommen mit freundlicher Genehmigung von Brycke

Es geschah wenige Stunden nach dem deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest (ESC) 2017, den die weithin unbekannte Sängerin Levina gewann. Die Schwerinerin Petra Federau schickte am Sonntag im Rahmen einer Greifswalder Großdemo unter dem Motto „Das ist unser Ernst!“ einen weiteren Beitrag ins Rennen. Dieser, so die ESC-Jury, kann aufgrund des verpassten Einsendeschlusses jedoch nicht mehr für den Wettbewerb berücksichtigt werden.

Auf der unpolitischen Veranstaltung intonierte die nach eigenen Angaben untalentierte Bardin kurz nach den Redebeiträgen der Parteikameraden Kramer, Weber und Arppe das ihr bis unlängst nicht bekannte Stück „Sag mir, wo die Blumen sind“. Ein laut Experten dickes Brett, an dem schon in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts Millionen gitarrenbegleitete Freizeitmusikanten an den Lagerfeuern der Republik gnadenlos gescheitert sind.

Petra Federau (AfD) singt in Greifswald

Petra Federau (AfD), daneben Moderator Norbert Kühl (FFDG) (Foto: Endstation Rechts)

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Pop am Wochenende: verschnibbt & zugenäht „harvest gloom“

verschnibbt und zugenaeht harvest gloomLetzte Woche, am Tag zwischen Donald Trumps außergewöhnlichem Wahlsieg und dem alljährlichen Beginn der Karnevalszeit, veröffentlichte das DJ-Duo verschnibbt & zugenäht ein neues Set.

Mit dem fast zweieinhalbstündigen harvest gloom wollen die beiden Klangathleten den schrillen Tönen der Gegenwart tiefere Frequenzen entgegenmischen und offerieren einen kurzweiligen Ausweg aus der allgemeinen Bredouille. Oder um es mit den Worten der beiden Tekknoten auf den Punkt zu bringen: „Lisa Simpson, vier Jahre nur noch — wir zählen auf Dich!“

https://soundcloud.com/verschnibbt/verschnibbtzugenaht-harvest-gloom-november-2016

Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

Pop am Wochenende: Al-Haca „Inevitable“

Dreizehn Jahre nach der Veröffentlichung von Al-Hacas Debütalbum „Inevitable“ wird die Dub-Downbeat-Dancehall-Platte des Greifswalder Soundsystems nun zum kostenlosen Download angeboten.

Al-Hacas Inevitable wurde 2003 beim britischen Electronica/Dub-Label Different Drummer Records von Rockers Hi-Fi veröffentlicht. Fünfzehn Stücke, beziehungsweise Tunes, wie man zu sagen pflegt, fanden auf dem ausgereiften Debütalbum des nordöstlichsten Dub-Satelliten Deutschlands Platz. Zahlreiche Features renommierter wie kontrovers diskutierter Künstler, allen voran die Kooperation mit dem jamaikanischen Dancehall-Sänger Sizzla, sorgten für einen facettenreichen Sound, der dem in den Neunziger Jahren gegründeten Al-Haca-Soundsystem eine für seine Greifswalder Herkunft ungewöhnliche Weltgereistheit bescherte.

al-haca inevitable

Minimalistische Electronica, satte Dubbässe und viel Düsternis dominieren die Atmosphäre von Inevitable, auf der sich neben Sizzla unter anderem Ras MC Tweed, Farda P (beide Rockers Hi-Fi), RQM, He-Man oder Mr. Dead verewigten — Künstler, an deren zurückliegende Auftritte in Greifswald sich ausgehwillige Hansestädter gerne zurückerinnern, sei es im einst besetzten AJZ am Karl-Marx-Platz oder bei den legendären M-Partys in der Mensa. Inevitable ist über weite Strecken clubuntauglich, kaum tanzbar, und auch für die Easy-Listening-Lounge eine absolute Fehlbesetzung. Doch die kongeniale Musikkollage bringt die dichten Rauchsäulen einer stickigen Sommernacht in Bewegung und hält aufmerksamen Zuhörerinnen unzählige Details und Überraschungen bereit, die sich erst nach vielen Umdrehungen auf dem Plattenteller erschließen.

Seit gut zwei Wochen kann die Platte, die nach wie vor als CD erhältlich ist und auch in rarer Vinyl-Auflage Sammlerherzen höher schlagen lässt, kostenlos heruntergeladen werden — eine Möglichkeit, von der man unbedingt Gebrauch machen sollte!

Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

Pop am Wochenende: Artur und Band „Es scheint wahr zu sein“

Neues Video, fast frisches Album und momentan auf Tour: Dieser Tage machen die Greifswalder Schmachtrocker Artur und Band von sich reden. 

Zeile für Zeile heißt das Debütalbum von Artur und Band, das zwar schon im Herbst 2015 herauskam, über das aber irgendwie erst jetzt geredet beziehungsweise geschrieben wird. Die Formation um den aus Demmin stammenden Pianisten, Sänger und Songwriter Artur Apinyan sind seit 2012 in stetig wachsender Besetzung im Greifswalder Kulturbetrieb unterwegs und verspricht frische deutschsprachige Rockmusik, die sie in bewährter und aus den Neunzigerjahren wohlvertrauter Instrumentierung (Piano, Gesang, Schlagzeug, Bass, Gitarre, Saxofon) revitalisiert.

artur und band greifswald

(Foto: Artur und Band)

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Punktlandung: Ein Song für Greifswald

Greifswald sucht den Superstar! Am Sonntagabend werden im Café Koeppen zehn Songs präsentiert, die der Hansestadt auf den Leib geschrieben wurden. 

Es ist wohl eines der unterhaltsamsten Programme, die hierorts in den letzten Jahren erdacht und auf die Bühne gebracht worden sind: Der musikalische Wettbewerb „Ein Song für Greifswald“ bohrt dicke Bohlen und spendiert dem quotenstarken Fernsehformat Casting-Show eine Kleinkunstkur. Zehn Greifswalder geben ihre musikalischen Liebeserklärungen an ihre (Wahl)Heimat zum Besten.

song für greifswald

(Foto: Fleischervorstadt-Blog)

Mit dabei sind unter anderem Patricia Hochbinder Fassheim („David am Ryck“), Lucas Schwarz („Ist Wieck ein Feuer“) und Marie Waschniak („Die Dicke Marie“), die ihre Perspektiven auf Greifswald und seine Kruppkollegen vertonen. In den Hauptrollen sind Hannes Rittig und Katja Klemt zu erleben, die während ihrer Auftritte vom Pianisten Artur Apinyan (Artur und Band) begleitet werden — geschmackvoll, auf den Punkt, aber niemals zu dominant. Das Publikum stellt die Jury und wählt am Ende des Abends den besten Song aus und  — so viel sei an dieser Stelle bereits verraten — diese Auswahl fällt nicht leicht. Punktgenauer als mit GSDS lässt sich ein grauer Sonntagabend im November hier kaum rumkriegen, versprochen!

Fakten: 08.11. | 19 Uhr | Koeppen | 13 / 9 EUR