Heute Nachmittag findet unter anderem in Greifswald eine Kundgebung statt, mit der an die Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) erinnert und gegen die Vertuschung der rechten Morde protestiert werden soll.
Der NSU und sein Unterstützerkreis gerieten vor einem Jahr in die breite Öffentlichkeit, nachdem sich die beiden Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach einem Banküberfall in Eisenach in ihrem Wohnmobil erschossen. Beate Zschäpe, die ebenfalls zum mordenden Nazi-Trio gehörte, stellte sich wenige Tage darauf den Behörden und ist seitdem inhaftiert.
In den dreizehn Jahren zuvor töteten die Neonazis bundesweit zehn Menschen, davon neun mit Migrationshintergrund. Die Aufklärung der Mordserie wurde von den Landesämtern des Verfassungsschutz immer wieder erschwert und behindert. Nur selten zogen Entscheidungsträger Konsequenzen aus dem Versagen der Behörden und ihrer Angestellten; stattdessen wurde immer wieder versucht, die Öffentlichkeit zu täuschen.
Aus diesem Anlass finden im Anschluss an das bundesweite Aktionswochenende, an dem gestern mit Demonstrationen und Kundgebungen an die Opfer erinnert und gegen die Vertuschung rechter Morde protestiert wurde, auch in Mecklenburg-Vorpommern mehrere Veranstaltungen statt, mit denen ein deutliches Signal gegen Rassismus und das Versagen staatlicher Institutionen ausgesandt werden soll.
Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.
Vom ländlichen Raum auf den Titel der taz — was im letzten Monat mit der Band Feine Sahne Fischfilet geschehen ist, hatte wohl niemand auf dem Schirm gehabt. In knapp zwei Wochen wird das neue Album Scheitern und Verstehen beim Hamburger Elektro-Indie-Label Audiolith erscheinen, doch schon jetzt steht fest, dass Feine Sahne Fischfilet mit dieser Veröffentlichung einen unheimlich großen Schritt nach vorne gegangen sind.
Heute Abend findet im IKUWO ein Vortrag mit anschließender Gesprächsrunde über den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) statt. Die hierfür gewonnene Referentin Katharina König (Die Linke) sitzt im Thüringer Landtag und ist Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss, der im Wochentakt neue Skandale generiert. Sie wird von Richard Goldstein begleitet, der sich seinerseits seit mehreren Jahren intensiv mit der sächsischen Neonaziszene auseinandersetzt.
Die beiden wollen in ihrem Vortrag nicht nur über die 13 Jahre des NSU referieren, sondern auch „eine Situation in Ostdeutschland aufzeigen, in welcher rechte Netzwerke entstehen konnten, aus denen diese Mordserie resultiert.“ Es gibt derzeit nur wenige Personen, die soviel von der Aufklärung über die Verwicklungen zwischen NSU und Verfassungsschutz miterleben wie Katharina König. Insofern verspricht der Abend Informationen aus erster Hand über ein hochbrisantes und noch längst nicht beendetes Thema.
Vor kurzem hat das Sommersemester begonnen und die Universitätsstadt Greifswald füllt sich langsam wieder mit Leben und jungen Studierenden. Gefüllt mit Erwartungen und neuen Eindrücken, erkunden die Neuankömmlinge ihre Hochschule und ihren Studienort. Nichts ahnen sie von der kräftezehrenden Debatte, die vor fast genau zwei Jahren ein unrühmliches Ende nahm, nachdem sie zuvor die Studierendenschaft bewegte, entzweite und entnervte.
„DAS ERGEBNIS DER DEMOKRATISCHEN ABSTIMMUNG MUSS NUN AKZEPTIERT WERDEN“
Denn der Streit um den Namenspatron der hiesigen Universität Ernst Moritz Arndt und das rational nicht zu erklärende Festhalten der Hochschulleitung am rassistischen Namensgeber, haben zwar Spuren in der Medienlandschaft hinterlassen und Einzug in Fachliteratur gehalten — nur an der Universität in Greifswald selbst ist man weit davon entfernt, sich weiterhin mit diesem unliebsamen und beschämenden Thema auseinanderzusetzen.
Wieso auch, schließt doch der Senatsbeschluss zur Beibehaltung des Namens Ernst-Moritz-Arndt-Universität mit dem beinahe schon patzigen Satz „Dem Senatsvorsitz ist bewusst, dass die Beibehaltung des Namens in der Öffentlichkeit umstritten sein wird. Das Ergebnis der demokratischen Abstimmung muss nun jedoch akzeptiert werden.“
Dass Demokratie von der beständigen Auseinandersetzung, von Meinungspluralismus, Reflektion und Kritik lebt, scheint sich hier noch nicht rumgesprochen zu haben. Die Diskussion um Arndt und die Art, wie sie geführt wurde, brachte Hochschule und Stadt sogar einen Eintrag in die Deutschen Zustände (Folge 9) ein — jenes Buch, das Jahr für Jahr Demokratiefeindlichkeit wissenschaftlich ergründet. Doch damit nicht genug der hochnotpeinlichen Preise, die man für diesen Namenszusatz zahlen muss.
DIE UNIVERSITÄT UND DER NATIONALSOZIALISTISCHE UNTERGRUND
Die Alma Mater Gryphiswaldensis begibt sich mit ihrem Klammern an Arndt und seinem Vermächtnis in denkbar schlechte Gesellschaft. So berief sich der sogenannte Thüringer Heimatschutz, aus dem sich bekanntlich die Mördergruppe des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) rekrutierte, ebenfalls auf Ernst Moritz Arndt und sein Vaterlandslied.
Die ersten Verse des nationalistischen Gedichtes, das sich in erster Linie durch einen propagandistischen und nahezu blutrünstigen Sprachduktus auszeichnet, sind dabei nicht selten als Fronttransparent vor Demonstrationszügen der selbsternannten Heimatschützer und Neonazis hergetragen worden.
Befragt man Wikipedia zum Vaterlandslied von Arndt, bekommt man die Information, dass das Lied besondere offizielle Pflege im ersten Weltkrieg und zu Zeiten des Nationalsozialismus erfuhr. Ein verirrter Dichter, dessen Werk besonders von jenen beklatscht wurde, die Todesfabriken bauen ließen und Weltkriege entfachten, taugt im einundzwanzigsten Jahrhundert noch als Leitfigur einer Hochschule?
EINE FRAGE DER DEUTUNGSHOHEIT
Längst ist die entscheidende Frage geworden, wer die Deutungshoheit über Arndt und seine Hinterlassenschaften besitzt.
Betrachtet man die Umstände der Namensverleihung und wirft einen Seitenblick auf die erwähnten Fronttransparente des Thüringer Heimatschutzes oder bemerkt, dass die Greifswalder Neonazis Arndts Konterfei auf ihrer Internetseite zum Markenzeichen politischer Verirrung erhoben haben, wird klar: am leichtesten fällt die Wiedererkennung in Arndt jenen, die rassistischen Wahn, Völkerhass und Antisemitismus als politische Notwendigkeit ansehen.
Eine offensive und kritische Auseinandersetzung mit dem Nazi-Idol Arndt und seinen Schriften wäre bei der getroffenen Senats-Entscheidung absolut notwendig gewesen und von einer Universität als Hort der Wissenschaft auch irgendwie zu erwarten, doch das Gegenteil ist der Fall. Die Hochschule ging vielmehr verschämt aus der Debatte und verharrt in dieser geduckten Haltung, die sie gegenüber einigen besonders laut jaulenden grauen Wölfen eingenommen hat — bis heute. Dabei hätte die Universitäts- und Hansestadt, der „Leuchtturm der Region“ (CDU), noch einiges an Strahlkraft gewinnen können.
Eine Hochschule, die sich nach fast 80 Jahren von ihrem rassistischen und judenfeindlichen Namenspatron löst, den ihr die Nazis 1933 aufgezwungen haben, das hätte mit Sicherheit viel positives Echo gegeben, zumal doch die hiesige Region schon lange als Hochburg der Rechtsextremen gilt.
ES GING NIE NUR UM ARNDT
Tatsächlich lässt sich jedoch die These aufstellen, dass es in all den Debatten der letzten 20 Jahre nie nur um Arndt ging. Es ging nie wirklich darum, ob Arndts Werk tauglich ist, identitätsstiftend für junge Menschen in der akademischen Ausbildung zu wirken. Natürlich taugt es dazu nicht, diese Frage wurde schon früh relativ schnell beantwortet. Es ging in erster Linie auch immer darum, progressiven Entwicklungen Einhalt zu gebieten, den Jungen, den vermeintlich Fremden, den imaginierten Linken den Kampf anzusagen.
Die Art und Weise wie Sebastian Jabbusch, Initiator von Uni ohne Arndt, in der Debatte vor zwei Jahren an den medial-öffentlichen Pranger gestellt wurde, war unwürdig und demaskierend zugleich. Plötzlich wurde die Ebene der sachlichen Argumentation, die so oft von der Uni-ohne-Arndt-Gruppe eingefordert wurde, mit Leichtigkeit verlassen. Plötzlich ging es nicht mehr um Ernst Moritz Arndt, den angeblichen Bauernbefreier und Kampflieddichter, plötzlich ging es um Sebastian Jabbusch, den angeblichen Ausschläfer und Langzeitstudenten.