Dosenwerfen auf Linksextremismus und HartzIV in Anklam

Manchmal kann man einfach nur noch den Kopf schütteln. Das geht dann von links nach rechts und wieder zurück. Diese Choreographie des Missmuts wiederholt sich einige Male und verebbt dann schließlich; zurück bleiben gerunzelte Stirn und bedrückte Mimik. Von Zeit zu Zeit und bei besonderen Tölpeleien will das Kopfschütteln, das in diesen Situationen eher einem Umherwerfen der Denkzentrale gleicht, partout nicht aufhören.

Liberale holten im politischen Niemandsland zum großen politischen Wurf aus

Dieses Gefühl ist vermutlich allgemein bekannt. Wer sich aber in experimentierfreudiger Nachempfindsamkeit üben möchte, wirft einen kritischen Blick auf diese weltfremde Pressemitteilung der Liberalen Hochschulgruppe aus Greifswald.

Der Vorsitzende Patrick Kaatz resümiert hier den Tag der deutschen Einheit und wie er ihn in Anklam bei einem Demokratiefest verbrachte. Bis hierhin scheint noch alles in Ordnung zu sein, aber dann wird offenbar, dass Kaatz entweder in einer anderen Stadt war oder die Zeichen der Zeit fehldeutete:

„Wir bezogen unseren Stand, eine von der Stadt gestellte Holzbude, zwischen Sozialdemokraten und der Linkspartei. Dort luden wir interessierte Bürger dazu ein, unliebsame Dinge, wie “Linksextremismus” oder “Hartz IV” beim Dosen werfen einfach mal “abzuwerfen”.

Für jeden Teilnehmer gab es anschließend ein Grundgesetz und für die Kleinen dazu noch Malbuch. Schnell sammelte sich eine kleine Traube von Menschen vor unserem Stand und den einen oder anderen Besucher durften wir im Verlauf des Tages häufiger begrüßen.

Außerdem zeigte sich Anklam an diesem Tag von seiner schönsten Seite. Neben strahlenden Sonnenschein blieben auch Besuche von Links- oder Rechtsextremisten größtenteils aus und es blieb für die Beteiligten ein schönes Volksfest.“

Populistisch gegen Populismus

Es gibt in Anklam wohl dringendere Probleme als den „Linksextremismus“ – in diesem Punkt sollte eigentlich ein Konsens bestehen. Und wenn ich schon nichts besseres zu tun habe, als Leibesübungen in Sachen Demokratie zum Rummelplatz-Spektakel zu degenerieren, dann nehme ich doch lieber die Dose mit der Aufschrift Populismus aus der Wurfbahn und sehe zufrieden und reinen Gewissens dabei zu, wie sich die Leute weiter auf Ziele wie Oskar Lafontaine, Kreisgebietsreform oder eben „Linksextremismus“ einschießen.

Die Förderung demokratischer Kultur ist sicher nirgendwo auf der Welt fehl am Platze, erst recht nicht in Anklam. Aber so platten Aktionismus, wie ihn die Liberale Hochschulgruppe hier beschreibt, braucht dort wirklich niemand und bringt die Peenestadt auch nicht weiter. Und die Sache mit dem Malbuch für die Kleinen kennen die Leute dort doch von ihren Kinderfesten, so diese nicht rechtzeitig verboten werden konnten.

Die Stirn ist runzelig, die Mimik bedrückt und mein Blick wandert immerfort von links nach rechts und wieder zurück.

Showdown in Anklam

Viele werden den vorgestern Nacht im ZDF ausgestrahlten Dokumentarfilm Showdown in Anklam. Eine Stadt kämpft um die Demokratie. von Anita Blasberg, Marian Blasberg und Lutz Ackermann verpasst haben. Die politische Reportage taucht zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung ein in den Anklamer Kommunalwahlkampf und zeichnet ein düsteres Bild des politischen Systems in der 13.000-Einwohner-Stadt Ostvorpommerns.

DAS „SYSTEM GALANDER“

Getreu der Maxime Jede Stadt kriegt den Bürgermeister, den sie verdient ist in den vergangenen Jahren eine von Unternehmern dominierte, unpolitische Wählergemeinschaft (IfA) entstanden, die alsbald den zwischenzeitlich suspendierten Bürgermeister Michael Galander stellte.

Der aus den alten Bundesländern nach Anklam gezogene Bauunternehmer etablierte seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2002 zügig ein mehr oder minder funktionierendes System aus Anhängerschaften und Aufragsvergaben und konnte so einen Großteil der Anklamer Mittelschicht an sich binden. Teure Dienstwägen, kostspielige Dienstreisen und ein beinahe fürstliches Amtsgebaren erregten die Gemüter der verbliebenen Kommunalpolitikerinnen. Ermittlungen wegen Untreue stellte die Staatsanwaltschaft allerdings wegen mangelnder Erfolgsaussichten ein.

Stolpersteine und Unmöglichkeiten der Verwaltung wurden von Galander hemdsärmelig aus dem Weg geräumt: „Was vorher nicht möglich war von Amtswegen, das hat irgendwie gefunkt„, so eine Anklamer Eigenheimbauerin im Film.

ANKLAMER PARTEIEN NAHEZU BEDEUTUNGSLOS

Die klassischen Parteien sind mit Ausnahme der NPD, die sich in Anklam und Umgebung über vergleichsweise astronomische Wahlergebnisse freuen durfte, nahezu bedeutungslos. Allein die Versuche eines jungen Anklamer Polizisten, für die CDU ins Rathaus gewählt zu werden, wurden mit mehr als 20 % der abgegebenen Stimmen honoriert. Gereicht das hat nicht, um sich Galanders Bürgermeisterkandidatur in den Weg zu stellen.

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Alle blicken nach Greifswald: Thor Steinar an der Uni verboten

Wie bereits gestern angemerkt, rauscht die Nachricht vom Verbot des Tragens von Kleidung der als rechtsextremistisch gebrandmarkten Modemarke “Thor Steinar” durch den deutschen Blätterwald.

Sehr viele Zeitungen druckten die dpa-Meldung oder veröffentlichten Artikel zum Thema in ihren Online-Ausgaben, das ging von der WELT über das Hamburger Abendblatt, von N24 über die ZEIT bis hin zu Spiegel Online. Die Nachricht erreichte sogar die italienische Presse.

Provokationserfahrene Lehrkraft am rechten Rand

Der Modifizierung der Universitätshausordnung ist eine Debatte über den inzwischen höchst umstrittenen Professor Ralph Weber vorausgegangen. Der Jurist fiel in der Vergangenheit nicht nur durch seine Symphatiebekundungen gegenüber Thilo Sarrazin (erste „Affäre“) und Jörg Haider auf, er erregte auch den Missmut verschiedener Studierenden durch frauen- und fremdenfeindliche Ressentiments während seiner Lehrveranstaltungen und soll provokationserprobt auch in Textilien von Thor Steinar aufgetreten sein.

(Foto: Endstation Rechts)

Der Abtreibungsgegner schrieb vor seiner Berufung nach Greifswald einen offenen Brief an den Innenminister Mecklenburg Vorpommerns, Lorenz Caffier, und beschwerte sich über das geplante Verbot der NPD. Mit deren Funktionär Udo Voigt soll sich Weber getroffen haben, um über die Gründung einer neuen rechten Partei zu beraten. Ausführlich zum Fall Weber berichtete der webMoritz. „Alle blicken nach Greifswald: Thor Steinar an der Uni verboten“ weiterlesen

Neonazis in Ungarn und Osteuropa

In Kooperation mit dem AStA wird heute Abend eine Veranstaltung unter dem Titel Rechte auf dem Vormarsch in Osteuropa stattfinden. Der dpa-Sonderkorrespondent Gregor Mayer wird in der Aula der Universität aus seinem Buch Aufmarsch — Die rechte Gefahr aus Osteuropa lesen.

Die Organisatoren der Lesung bewiesen bedauerlicherweise prophetische Qualitäten, denn am vergangenen Sonntag erfuhr das politische System Ungarns einen Rechtsruck. Spiegel Online bewertete den Wahlausgang als „radikale Wende nach rechts“.

Budapest

Grund zur Sorge sind die herben Verluste der Sozialdemokraten, die nur 19,3% der abgegebenen Stimmen erhielten (2006: 43%) und das Ergebnis der rechtsextremen Partei Jobbik, die 16,7% der Stimmen auf sich vereinen konnte. Mit der Ungarischen Garde verfügt Jobbik auch über einen paramilitärischen Arm, die in Anlehnung an die ungarischen Pfeilkreuzler-Nazis die rot-weißen Farben trägt.

Georg Mayer wird aus seinem Buch lesen, eine Wahlanalyse anbieten und Hintergründe über rechte Strukturen in Osteuropa erläutern.

Fakten: 14.04. | 19.30 Uhr | Aula der Universität (Konferenzraum)

(Foto: Anna Zavileiskaia via Flickr)

Gedenken in Greifswald, Blockieren in Dresden!

Der Arbeitskreis Kirche & Judentum lädt morgen zu einer Gedenkwanderung durch die Greifswalder Innenstadt ein. Anlass der Versammlung ist der siebzigste Jahrestag der Deportation jüdischer Bürgerinnen und Bürger.

Am 10.07.2008 verlegte der Künstler Gunter Demnig nach unzähligen anderen Städten endlich auch in Greifswald seine inzwischen berühmten Stolpersteine, die der Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen. Ein Teil dieser Steine markiert die Wohnorte verfolgter und deportierter Juden und wird die Route der Wanderung maßgeblich bestimmen.

Zur Judendeportation

Am 13. Februar 1940 fand die reichsweit erste Deportation von Juden statt. Vollzogen wurde sie an Menschen aus dem Regierungsbezirk Stettin. Unter den Betroffenen befanden sich vier namentlich bekannte Personen aus Greifswald: Else Burchard, Georg und Friederike Feldmann und Elise Rosenberg.

gedenkveranstaltung stolpersteine Insgesamt wurden nachweislich 1.120 Menschen aus dem Stettiner Regierungsbezirk deportiert, darunter vier Schwangere, die ihre Kinder am Deportationsort zur Welt brachten. Die meisten Betroffenen gehörten zur älteren und alten Generation. Nach bisheriger Kenntnis überlebten nur 19 Personen dieser Deportierten den Zweiten Weltkrieg. Über 70 der Verschleppten starben schon während oder infolge des viertägigen Transportes in die Region um Lublin. Viele andere starben unter unmenschlichen Bedingungen in den polnischen Deportationsorten Piaski, Głusk und Bełzice.

Mehr als die Hälfte wurden schließlich 1942/43 in den Vernichtungsstätten Bełzec, Sobibór und Majdanek umgebracht. Das 1940 völlig neuartige Geschehen wurde international beobachtet. Es blieb auch den deutschen Nachbarn nicht verborgen. Trotzdem ist dieses schockierende Geschehen in der Region heute nahezu vergessen.

Dresden: No Pasarán!

In Dresden versuchen Neonazis indes, den größten Naziaufmarsch Europas zu organisieren. Das Vorspiel der vergangenen Wochen, die konsequente Kriminalisierung jeglichen – auch bürgerlichen – Widerstands und zuletzt die Ankündigung des Innenministers, die anwesenden Polizisten mit Pepperballs, also mit Reizpfefferextrakt gefüllten Bällen, die beim Aufprall Pfeffergas freisetzen und in den USA schon ein Menschenleben gekostet haben, auszurüsten, verdeutlichen eindrucksvoll, mit welcher repressiven Qualität das sächsische Innenministerium agiert.

Die bündnisübergreifende Kampagne No Pasaran mobilisiert bundesweit für die absolute Blockade der Nazidemonstration, die jüngsten Meldungen zufolge durch das alternativ geprägte Viertel Neustadt geleitet wird. Ein Bus von [’solid] soll angeblich noch wenige freie Plätze haben (Bei Interesse unter bus[ät]solid-mv.de melden). Ein Mobilisierungsvideo, bei dem Bodo Strahlemann vor Freude eine Extrarunde gedreht hätte, gibt es auch.

Fakten: Gedenkveranstaltung | 13.02. | 10.30 Uhr | Universitätshof (Hist. Institut)

Hakenkreuze am IKUWO

Es muss ein unangenehmes Erlebnis für die Bewohner und Bewohnerinnen des Internationalen Kultur- und Wohnprojektes gewesen sein, als sie am heutigen Morgen die Fassade des IKUWO in Augenschein nahmen. In der vergangenen Nacht sind ganz offensichtlich mit Sprühdosen ausgerüstete Neonazis unterwegs gewesen.

Drei Hakenkreuze findet man jetzt an der Hauswand. Aber die sprühenden Neonazis waren nicht nur in der Goethestraße zu Werke, über den Informationsdienst Twitter wurde die Nachricht von weiteren verbotenen rechten Schmierereien vermeldet.

Das Geschehene reiht sich in eine unrühmliche und junge Traditionslinie rechter Aktionen gegen das IKUWO. Erst vor knapp sechs Wochen wurde in der Nacht vor Silvester vor der Haustür des Freiraumes eine tote Katze mit einem in den Kopf genagelten Antifa-Aufkleber deponiert. Ich deute die Straftat als Greifswalder Statement zur größten Nazi-Demonstration Europas am 13. Februar.