Aber hier kleben – Nein, danke!

Eine Kolumne von Mary Celeste

kolumne 17vierDie Suptras Rostock und der Vorpommern Mob meinen es gut mit Greifswald und Umgebung: Würde ich meinen Tag in Hashtags fassen, würden zweifellos #ostseestadion #allesfuerdenfch und #suptrasrostock zu meinen Top-Tweets gehören. Während des Wartens an einer Ampel oder bei einem Spaziergang über den Schießwall – die Suptras Rostock begleiten mich in Form von Stencils, Tags oder bekrizzelten Postaufklebern auf Schritt und Tritt.

„Ich mag’s, wenn sich die Wut entfacht“

hansa rostockOb stolz dreinblickender Wikinger oder Sprüche wie „Alles für den FCH“, dies scheint mir nicht nur ausgeprägte Nachwuchswerbung zu sein. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass sich dahinter ein ungezügelter Markierungsdrang verbirgt. Die Kombination mit Gewaltexzessen zwischen verfeindeten Fußball-Fans versprüht gleichzeitig auch den strengen Duft einer männlich-heroischen Attitüde.

Die massenhaft verbreiteten kreativen Umsetzungen sprechen ihre eigenen Sprache: Street-Art bis zur bedingungslosen Hingabe für den Rostocker Fußballverein. Alles für den FCH eben.

So rasant, wie die kreativen Kennzeichnungen verstreut wurden, so schnell vergeht mir auch die Lust, mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Vielleicht handelt es sich bei den Klebereien um ein Geltungsbedürfnis, das die Suptras und der Vorpommern Mob befriedigen wollen. Also doch nicht nur Werbung?

„Wenn der Wahnsinn flammend grüßt“

Dafür spricht nicht nur das oben beschriebene Phänomen: Sind es doch auch unter anderem Pyrotechnik und physischer Kampf, über die sich die Suptras, Wolgastä oder der Vorpommern Mob identifizieren. Um dem erhöhtem Drang nach Aufmerksamkeit nachzugeben, kommt es nicht selten zu Eskalationen. Bestes Beispiel dafür ist das Auswärtsspiel gegen Eintracht Frankfurt Mitte September. Hier zeigte sich die volle Kraft der Fan-Unterstützung. Oder zumindest das, was die pyromanischen Ballsportfreunde darunter verstehen. „Aber hier kleben – Nein, danke!“ weiterlesen

Filmfestival Ueber Mut #5: „Antoine“

Laura Bari macht einen sechsjährigen Blinden zum Protagonisten ihres Films Antoine (CAN, 2008, 80 Min.), in dessen Verlauf der Junge die Grenzen seiner eingeschränkten Sinne überschreiten und eine Parallelwelt entdecken wird.

antoine filmplakat

Mit einem portablen Mikrofon ausgestattet, erkundet Antoine Houang seine Umgebung und konserviert diese Wahrnehmungen. Auf diesen Aufnahmen basiert auch der Soundtrack des Films, der mit deutschsprachiger Synchronisierung über der französischen Originalsprache gezeigt werden wird.

Antoine malt, übt Korbwürfe und fährt Schlittschuh. Ob eine Bewegung sitzt, muss der Sechsjährige fühlen oder hören. Er ist von Geburt an blind, aber er besucht eine normale Schule, wo ihn Lehrer und Mitschüler unterstützen. Auch die Regisseurin Laura Bari fordert Antoine heraus. Sie macht ihn zum Co-Autor ihres Films. Gemeinsam treiben sie die Idee auf die Spitze, dass ein blinder Junge das Gleiche tun kann wie ein Sehender. Privatdetektiv Antoine braust mit dem Auto über die Landstraße, auf der Suche nach der mysteriösen Madame Rouski, die sich beim Duschen in tausend Tropfen aufgelöst hat. Die Botschaft des verspielten Abenteuers: Was die Sinne nicht wahrnehmen, ersetzt die Fantasie.

Als Referent wird Bernd Uhlig vom Blinden- und Sehbehindertenverein Greifswald auftreten. Wie bei allen Veranstaltungen des Festivals ist der Film mit Audiodeskription versehen und für das anschließende Gespräch ist eine Gebärdensprachdolmetscherin vor Ort.

Fakten: 29.09. | 20 Uhr | IKUWO | 3,50 EUR (Arbeitslose & Flüchtlinge kostenlos)

Ausgezeichnet! Der PolenmARkT wird mit dem Pomerania Nostra-Preis geehrt

Hoch die Tassen und den Schampus aus dem Kühlhaus! Denn im  Szczeciner Schloss wird  in vier Woche dem Polenmarkt der Pomerania Nostra-Preis verliehen.

Mit der Auszeichnungen werden alle zwei Jahre Persönlichkeiten geehrt, „die sich auf den Gebieten der Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft oder Politik in hervorragender Weise um West- und Vorpommern verdient gemacht haben und damit den deutsch-polnischen Dialog fördern“, wie die Pressestelle der Universität Greifswald informiert.

polenmarkt greifswald

Der mit 3000 Euro dotierte Preis wurde 2003 von den beiden Regionalzeitungen Nordkurier und Kurier Szczeciński (Szczecin) sowie den Universitäten Greifswald und Szczecin ins Leben gerufen. Inzwischen sind dem Stiftungskreis auch die beiden Heimatstädte der Hochschulen beigetreten. Die einstimmige Entscheidung der Jury wird in der Pressemitteilung „mit dem inzwischen langjährigen ehrenamtlichen Engagement der Vereinsmitglieder für die Förderung und Verbreitung der polnischen Kultur im Raum Vorpommern-Greifswald“ begründet.

FACETTENREICHE POLNISCHE (SUB)KULTUR IM DUTZEND

Der Polenmarkt ist neben dem Nordischen Klang das wichtigste mehrtägige Festival in Greifswald. Im letzten Jahr schaffte es der Verein, gleich 16 Tage mit einem vielseitigen und vor allem qualitativ hochwertigen Programm zu füllen, das viele Facetten polnischer (Sub)Kultur präsentierte. Dieses Jahr findet der Polenmarkt zum 14. Mal statt. Die Nächte zwischen dem 17. und 26. November dürfen dann getrost in Tage verwandelt werden. Erste Höhepunkte des diesjährigen Programms sind bereits durchgesickert und man darf schon jetzt in geruhsame Vorfreude verfallen. Zum Beispiel hinsichtlich der Warschauer Village Band R.U.T.A. oder der Radical Jewish Music des krokesken Bester Quartet aus Krakau.

In Kooperation mit Deutschlandradio Kultur soll ein Live-Hörspiel von Felix Kubin und Wojcech Kucharczyk stattfinden und der DJ Yuriy Gurzhy (Russendisko) bringt die Shtetl Superstars in die Stadt. Jazz-Freundinnen dürfen sich auf den jungen Superstar Leszek Mozdzer am Piano freuen.  Na dann, herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung und na zdrowie!

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Einen Video-Rückblick und einige Bildergalerien vom letzten Festival gibt es hier.

Filmfestival Ueber Mut #4: „Die Kinder von Don Quijote“

Der französische Film Die Kinder von Don Quijote (Fr, 2008, 75 Min.) erzählt die Geschichte einer sozialen Bewegung, die sich auf breiter Ebene mit obdachlosen Menschen solidarisiert und mit spektakulären Aktionen Öffentlichkeit schafft.

die kinder von don quijote paris(Fotoausschnitt: Arslan via Flickr)

Für die Kandidaten um die französische Präsidentschaft ist es ein unbequemes Szenario: Im Herbst 2006 schlagen zahlreiche Obdachlose im Zentrum von Paris ihre Zelte auf. Eine Demonstration, initiiert von zwei engagierten Bürgern, den Brüdern Augustin und Jean-Baptiste Legrand. Selbst nicht wohnsitzlos, fordern sie Solidarität mit den rund 100.000 Menschen, die in Frankreich auf der Straße leben. Über das Internet rufen die Legrands die Pariser auf, einige Nächte bei den Obdachlosen zu verbringen. Die Aktion der Gruppe, die sich »Kinder von Don Quijote« nennt, hat ein konkretes Ziel. Der Staat soll jedem Bürger dauerhaften Wohnraum zusichern. Unter dem öffentlichen Druck verspricht der Kandidat Nicolas Sarkozy Tausende neuer Wohnprojekte. Die Geschichte ist ein Beispiel dafür, was Wahlversprechen sein können.

Nach der Filmvorführung schließen sich ein Vortrag und eine Diskussion zum Thema an. Der Abend wird vom antifaschistischen Bündnis Schon Vergessen? gestaltet und vom Projekt trott-war unterstützt.

Fakten: 28.09. | 20 Uhr | IKUWO | 3,50 EUR (Arbeitslose & Flüchtlinge kostenlos)
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Veranstaltungshinweis: „Mädelsache! Frauen in der Nazi-Szene“

Vor sechs Monaten veröffentlichten die beiden Journalistinnen Andreas Speit und Andrea Röpke mit Mädelssache! Frauen in der Neonazi-Szene ihr drittes Buch zum Themenfeld Rechtsextremismus. Nun kommt zumindest Speit nach Greifswald, um im Koeppenhaus aus der Veröffentlichung zu lesen und darüber zu diskutieren.

andrea röpke andreas speitFür Mädelsache! trugen die beiden Experten unheimlich viele Beobachtungen und Detailwissen zusammen, zitieren aus zahlreichen Interviews und schufen eine Art Bestandsaufnahme der weiblichen Neonazi-Szene und ihrer Entwicklungen in den vergangenen 20 Jahren. Das reicht vom Ring Nationaler Frauen (RNF) über die Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) bis zur Mädelgruppe der Kameradschaft Tor.

Ursel, Edda und Marianne

Die Autoren portraitieren dabei einige Frauen, wie zum Beispiel Marianne Pastörs, die Gattin des NPD-Fraktionsvorsitzenden Mecklenburg-Vorpommerns. Sie berichten über heidnisch-völkische Siedlungsprojekte und von Autonomen Nationalisten, von den Schwierigkeiten, mit denen Frauen in der Männersekte Rechtsextremismus konfrontiert werden und von ihrer Bedeutung für die nationale Sache. Wer eine gender-analytische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Neonazistinnen sucht, wird in Mädelsache! nicht viele Antworten finden. Den Wert des Buches schmälert dieses Defizit allerdings kaum. Diese Publikation ist vor allem aktuell und taugt auch als Nachschlagewerk zum Thema.

Mädelsache! ist nicht nur im normalen Buchhandel erhältlich, sondern kann wesentlich günstiger über die Bundeszentrale für Politische Bildung bezogen werden. Dort kostet das Buch nur eine Schutzgebühr von 4,50 Euro. Die Lesung wird gemeinsam vom Literaturzentrum Koeppen und der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt in M-V (KOWA-MV) organisiert. Die Teilnahme ist nur mit vorheriger Anmeldung möglich (telefonisch unter 03831-457603 oder via E-Mail an kowa_mv [at] fh-stralsund.de).

Andrea Röpke ist Politologin und freie Journalistin, die seit vielen Jahren zum Thema Rechtsextremismus arbeitet und publiziert.

Fakten: 28.09. | 20 Uhr | Koeppen | Eintritt frei

Filmfestival Ueber Mut #2: „Rough Aunties“

In Südafrika werden die Mitarbeiterinnen der Kinderhilfsorganisation Bobbi Bear „Tanten“ genannt. Ihre Arbeit steht im Mittelpunkt des Films Rough Aunties (GB/RSA,  2008, 103 Min), der heute Abend im IKUWO gezeigt wird.

rough aunties movie(Bild: roughaunties.com)

„Wenn Kinder Opfer von Missbrauch werden, verstummen sie oft aus Scham und Angst. Diese Mädchen und Jungen zum Reden zu bringen, ist Ziel der Hilfsorganisation Bobbi Bear im südafrikanischen Durban. Ihre Mitarbeiterinnen betreuen missbrauchte Kinder und setzen sich dafür ein, dass die Schuldigen vor Gericht kommen. 

Gegner der engagierten Frauen sind nicht nur korrupte Beamte, die Täter wieder laufen lassen. Auch die patriarchalische Zulu-Kultur ist oft ein Hindernis: Probleme werden totgeschwiegen, Sexualität ist Tabu. Mit Wut und Herzlichkeit appellieren die „Tanten“ von Bobbi Bear vor allem an die Frauen, für die Rechte ihrer Kinder einzustehen.“

Der Trailer vermittelt einen ersten Eindruck des Dokumentarfilms.

Video (04:04)
[youtube 3g2f0X9uaMM]

Der Filmvorführung wird von einem Vortrag und einer anschließenden Diskussion mit Heidemarie Grobe von Terre des Femmes begleitet. Außerdem soll die lokale Gruppe von Amnesty International vor Ort sein.

Fakten: 26.09. | 20 Uhr | IKUWO | 3,50 EUR (Arbeitslose & Flüchtlinge kostenlos)
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