Intern: Verkommt der Fleischervorstadt-Blog zur Jobbörse?

Nachdem als Reaktion auf eine hier veröffentlichte Stellenausschreibung vor wenigen Tagen genörgelt wurde, dass der Fleischervorstadt-Blog zur Jobbörse verkäme, soll diese Kritik zum Anlass genommen werden, die Beweggründe für die nun regelmäßigen Hinweise auf Jobangebote zu erklären.

DAMIT SICH FRUSTRATION NICHT BAHN BRICHT

Zum grundsätzlichen Verständnis sei vorangestellt, dass die wesentlichste Antriebskraft für die zeitintensive Arbeit an dieser Seite in dem Verlangen besteht, aufzuzeigen, dass hier in Greifswald etwas mehr geht als der erste Eindruck vermuten lässt. Stadtfremdheit und wochenendlicher Exodus in die urbanen Ballungsräume oder Muttis Vierwandparadies bilden insbesondere bei Neuankömmlingen eine unheilvolle Allianz, die zu Enttäuschungen führen kann, den Blick für die subkulturelle Vielfalt trübt und schlussendlich in Frustration und Zynismus zu münden droht.

Spätestens nach Beendigung des Studiums zieht es viele wieder weg. Die Rückzugsabsichten werden allzu oft mit dem Verweis auf die mangelnden Perspektiven als Lohnarbeitende gerechtfertigt. Aber nicht selten finden sich diese Pioniere der Erwerbsarbeit wenig später in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen als Praktikantin oder Nebenjobber wieder. Greifswald verlassen ist nicht schwer, aber dem Prekariat entweicht niemand mit einem Umzugstransporter und einem WG-Zimmer in einer anderen, in einer größeren Stadt. Wieso also nicht erstmal hierbleiben und vor Ort „krebsen, wurschteln, durchschlagen“?

ZANKAPFEL STELLENAUSSCHREIBUNG

Die Integration von Stellenausschreibungen und Jobangeboten ist insofern nicht die Aufnahme von Fremdkörpern in den thematischen Kanon dieses Blogs, sondern ist vielmehr als eine trotzig formulierte Absage an die nörgelnden Legionen zu verstehen. Sicher wissen viele, dass verschiedene zankäpflige Arbeitsverhältnisse zum Beispiel im Uni-Forum verzeichnet sind. Diese Plattform ist aber einerseits nicht die einzige dieser Art und wird andererseits auch nicht unbedingt von jedem Menschen regelmäßig frequentiert.

(Foto: Kolby Schnelli)

Bisher war das Feedback auf diese Inhalte sehr positiv und von den Ausschreibungsverlinkungen wird sehr häufig Gebrauch gemacht. So wurden zum Beispiel allein die unlängst veröffentlichten pdf-Dokumente mit den Stellenbeschreibungen des IZFG über 250 mal aufgerufen.

Um zukünftig sofort und unmissverständlich deutlich zu machen, dass in entsprechenden Beiträgen auf Jobangebote hingewiesen wird, werde ich dieses ab jetzt schon in der Überschrift als Stellenausschreibung kennzeichnen. So kann jede für sich entscheiden, wie lohnenswert das Weiterlesen ist.

Für Kritik, Mäkeleien und anderes vergrätztes Feedback bin ich natürlich immer offen und dankbar. Diese Stellungsnahme ist eine Reaktion auf einen Kommentar des Nutzers ’nörgler‘ zu den sich in letzter Zeit häufenden Stellenausschreibungen auf dem Fleischervorstadt-Blog.

Podcast: Michael Succow und die rettenden Moore

Michael Succow wird nicht müde. Der inzwischen 69jährige international profilierte Wissenschaftler, unter anderem Träger des alternativen Nobelpreises, des Bundesverdienstkreuzes und der Greifwalder Rubenow-Medaille, konnte sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Handlungsreisenden in Sachen Naturschutz entwickeln.

STELLVERTRETENDER UMWELTMINISTER, STIFTUNGSGRÜNDER & BODENEXPERTE

Er studierte in Greifswald Biologie und war in den letzten Wendemonaten stellvertretender Umweltminister in der Regierung Modrows. Noch gerade rechtzeitig zur letzten Sitzung des DDR-Ministerrats gelang ihm damals die Aufsetzung eines umfassenden Nationalpark-Programms, das mehr als fünf Prozent der Fläche der neuen Bundesländer unter strengen Naturschutz stellte. 1992 konzipierte er den damals in Deutschland einzigartigen Studiengang Landschaftsökologie.

(Foto: Wikipedia)

Inzwischen hat er eine Stiftungsgründung hinter sich, der Aktionsradius seines Engagements für den Naturschutz hat eine Osterweiterung erfahren: Von Kirgistan über Usbekistan und Aserbaidschan konnten „Millionen von Hektar wilder Steppen, Seenlandschaften und Wüsten in Schutzgebiete“ umgewandelt werden. Die Begeisterung für Asien ist nicht neu – schon in den Siebziger Jahren war der Bodenexperte in der Mongolei unterwegs.

MIT DEN MOORFORSCHERN IM OSTPREUSSISCHEN „DREILÄNDERWALD“

Vor kurzem begleitete eine Redakteurin der ZEIT Michael Succow und einige seiner mitstreitenden Forstwissenschaftler und Moorforscher auf eine Exkursion in die Rominter Heide. Die Reise diente der Vorbereitung neuer Schutzgebiete.

Hier im Südosten Kaliningrads werden die Weichen für eine nachhaltige Umstellung der Holzwirtschaft gestellt. Der sich über polnische, russische und litauische Grenzen erstreckende „Dreiländerwald“ soll zum Biosphärenreservat werden. Dabei sollen insbesondere Moore, denen aufgrund ihrer Speicherkapazitäten für Wasser- und Kohlenstoff ein besonders positiver klimatischer Einfluss attestiert wird, geschützt beziehungsweise renaturiert werden.

die zeit logo

Der ZEIT-Artikel ist in der Online-Ausgabe abrufbar und kann obendrein als gut dreizehnminütiger Podcast auch im Stream oder als heruntergeladene mp3-Datei gehört werden. Auch für jene Zeitgenossinnen, die nicht unbedingt einen Faible für landschaftsökologische Themen vorweisen können, sind die Beiträge hör- beziehungsweise sehenswert.

Außerdem sei auf das ebenfalls in der ZEIT erschienene Portrait Succows Der Moor-Mann hingewiesen. Hierbei geht es natürlich in erster Linie um die Biographie des Wissenschaftlers und weniger um Moore („urwüchsig wirkt er schon mit seinem Weihnachtsmannbart„).

Judith Zander liest in Greifswald

Die verlorene Tochter kehrt zurück. Judith Zander erntete in den vergangenen Monaten viel Beifall für ihr Romandebut Dinge, die wir heute sagten und wurde dafür  schließlich mit dem Preis der Sinecure Landsdorf 2010 ausgezeichnet. Demnächst wird die von 3sat und der FAZ bejubelte Autorin auch in Greifswald lesen.

In der Begründung der Preisverleihung wurde beinahe euphorisch davon geschwärmt, dass Zander „mit ihrem ersten Roman an diese große erzählerische Kraft des Nordens an, die durch Namen wie Uwe Johnson, Wolfgang Koeppen oder auch Brigitte Reimann repräsentiert wird“, anknüpft.

Judith Zander

Die junge Autorin wurde 1980 in Anklam geboren und studierte in Greifswald Germanistik, Anglistik sowie Mittlere und Neuere Geschichte. Danach zog es sie an das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig. Inzwischen lebt die Autorin in Berlin. In Dinge, die wir heute sagten erzählt sie:

„von Bresekow, einem verschwiegenen Dorf in Vorpommern, von Heimat und Hölle: Die alte Frau Hanske ist gestorben, und zur Beerdigung treibt es ihre Tochter Ingrid aus dem fernen Irland nach Bresekow zurück.

Aus ›Mangel an Welt‹ hatte Ingrid ihre Heimat vor Jahren fluchtartig verlassen. Nun ändert ihr Besuch vieles im Dorf, bringt die Bewohner zum Sprechen und wirft, gerade für die Familien Ploetz und Wachlowski, alte und neue Fragen auf – Fragen über ihr derzeitiges Leben und die Verstrickungen von einst.

Bresekow, schon immer eine kleine Welt, eng, abgelegen, von Verfall bedroht, wird hier zum Brennspiegel der Gegenwart. Drei Generationen erzählen mit großer Sprachkraft von Provinz und Alltag, von Freundschaft und Verrat, vom Leben selbst.“

Ein kurzes Videoportrait stellt Judith Zander und ihren Roman vor.

Bei der Lesung handelt es sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung des Literaturzentrums Vorpommern und der Buchhandlung Weiland. Aufgrund des zu erwartenden Ansturms empfehle ich dringend, sich vorab eine Karte zu sichern. Der Kartenvorverkauf findet im Café Koeppen, in besagtem Buchladen und in der Greifswalder Stadtinformation statt.

Fakten: 01.10. | 20 Uhr | Koeppen | 5 EUR (3 EUR ermäßigt)

Was hat die 8. Greifswalder Kulturnacht zu bieten?

Die nunmehr achte Auflage der Greifswalder Kulturnacht läutet am 17.09. das Wochenende ein. Um bei den 70 angekündigten Veranstaltungen nicht den Überblick zu verlieren, seien hier die schmackhaftesten Häppchen herausgesammelt und in Kurzform vorgestellt.

Friedrich-Zentrum und die Projektionsräume des Kinos

Wie schon beim gerade zurückliegenden Tag des offenen Denkmals, werden auch in der Kulturnacht einige Gebäude offen stehen, deren Innenansichten einem zumeist versagt bleiben. So zum Beispiel das Haus 2 des Jahn-Gymnasiums, das erstmalig seit der Sanierung zur Besichtigung einlädt. Hier sind ab 19 Uhr das Ensemble und verschiedene Solisten der Musikschule zugange. Eine „reizvolle Umgebung“ sollen Wände und Stuckdecke in den intensiven Farben von 1872 bilden. An dem Gebäude wurde jahrelang gearbeitet.

Bereits ab 18 Uhr öffnet das Caspar-David-Friedrich-Zentrum in der Langen Straße und gewährt Ein- und Ausblicke auf das geplante Caspar-David-Friedrich-Museum. Wie hat das Geburtshaus des Malers ausgesehen?

Nur wenig später beginnen Führungen im CineStar in der Dompassage. Nicht nur für Cineasten und Leute mit einem Übermaß an Technikverssenheit könnte der Blick hinter die Kulissen interessant werden. Es sollen auch die Projektionsräume gezeigt werden.

Lesungen zwischen Erotik und Reiselust

Sehr schräg könnte es in der vornehmlich an Frauen adressierten Erotikboutique Sarabande werden, wenn Inhaberin Kerstin Strase selbst zum Buch greift und unter dem Titel Mit Haut und HaarHingabe „Kurzgeschichten von bizarren Träumen, gefährlichen Ausschweifungen, von intimen und zärtlichen Momenten“ liest. Musikalische Begleitung, Fingerfood und Blubberbrause werden ebenfalls angekündigt. „Was hat die 8. Greifswalder Kulturnacht zu bieten?“ weiterlesen

Holt die Jeansjacken raus, es ist wieder Präventionstag!

Heute findet der Greifswalder Präventionstag statt und mit ihm einher geht ein Reigen aus Kinder- und Jugendbespaßung „für mehr Toleranz, gegen Gewalt und Kriminalität“. In den vergangenen Jahren fiel insbesondere das Abendprogramm dieser Veranstaltung durch eine eher überraschende Zielgruppe jenseits des vierzigsten Lebensjahres auf.

Bekanntlich steigen ab diesem Alter Gewaltbereitschaft und die Affinität zu kriminellen Handlungen rasant, so dass, um diese Gruppe im Zaum zu halten und Greifswald ein adultes Kriminalitätsproblem zu ersparen, eine Art akzeptierende Erwachsenenarbeit auf den Plan tritt.


Foto: Peter Binder / OZ

Hatten Silly keine Zeit?

Da offensichtlich weder Silly noch Karussel für dieses edukative Top-Event eingekauft werden konnten, wird es heute Abend richtig international und vor allem altbekannt, denn mit der Tributband Mind2Mode dürfen drei Stunden Programm inklusive Kostümwechsel und den größten Hits von U2, Depeche Mode und den Simple Minds erwartet werden: „Holt die Jeansjacken raus, es ist wieder Präventionstag!“ weiterlesen

Fotoarchiv vom Greifswald der Wendezeit

Im November des vergangenen Jahres wurde im Koeppenhaus eine Ausstellung eröffnet, die sich dem Greifswald der Wendezeit und der vorhergehenden Dekade widmete.

Bis Ende Januar wurden einem interessierten Publikum Fotografien zugänglich gemacht, die Momentaufnahmen einer verstörenden Zeit des Umbruchs festhielten und vor Augen führten, wie schnell sich ein Viertel, eine Stadt oder eine Zeit verändert und wie rückstandslos die Erinnerungen versiegen.

Bildreich dokumentiert: Abbruch, Aufbruch, Umbruch

Das Koeppenhaus hat inzwischen einen Account im sozialen Foto-Netzwerk Flickr eingerichtet und macht die Bilder so einer größeren Öffentlichkeit zugänglich.

Bis auf die grandiosen Fotos von Torsten Rütz, die bedauerlicherweise nur in winzigstem Format hochgeladen wurden, stehen die meisten Aufnahmen in akzeptabler Qualität zur Verfügung: Die besetzten Häuser in der Wachsmann-Straße, die Luftaufnahme um 1980, die Greifswald aussehen lässt wie nach einem Bombenangriff; Wahlplakate, die vom Einzug eines demokratischeren politischen Systems zeugen, der mit Demonstraten gefüllte Marktplatz einer Anti-Atom-Demonstration 1992, der zum Friedensgebet bis auf den letzten Platz gefüllte Dom, eine Menschenkette in der Gützkowerstraße des Umbruchsjahres 1989; Soldatinnen, die auf dem Marktplatz zu Offizieren ernannt wurden, Rummel und Fahrgastgeschäfte auf dem Nexö-Platz und schließlich ein Schnappschuss aus einer Disko im Jahr 1992.

Nachhaltig-funktionale Ausstellung 2.0

Hier wird vorgeführt, wie eine konzipierte Ausstellung auch nach ihrem Abbau noch wirksam sein kann, wie funktional sich die Archivierung und Veröffentlichung historischer Dokumente mithilfe neuer Medien gestalten lässt und wie man die gezeigten Fotos auch jenen zugänglich machen kann, denen ein Besuch nicht vergönnt war. Jetzt fehlt nur noch das Video, das einst ausstellungsbegleitend gezeigt wurde.

Die insgesamt 89 Fotos sind auf der Flickr-Seite von Koeppenhaus abrufbar.

Mashup „Greifswald gestern und heute“

Rathaus Greifswald FischmarktAm 16. September wird übrigens in der kleinen Rathausgalerie die Fotodokumentation Greifswald gestern und heute eröffnet. Hierfür fertigte Zsolt Kemény aus Ungarn, der bis kurz vor der Wende drei Jahre seiner Kindheit in Greifswald verbrachte, Collagen aus damals entstandenen Fotos und Aufnahmen neuerlicher Begehungen der Hansestadt: „In einer ganz eigenen Art stellt er Fotos aus der Vorwendezeit aktuellen Aufnahmen gegenüber, schiebt sie übereinander, gestaltet ein neues Stadtbild.“

Das Resultat dieser Bemühungen sieht auf dem nebenstehenden Bild eher gewöhnungsbedürftig aus, aber vielleicht schlummert auch hier einiges, was sich zu entdecken lohnt.

Fakten: 16.09. – 14.10. | 8-18 Uhr (Mo-Do, Fr bis 15.30) | Kleine Rathausgalerie