Prof. Dr. Eckhard Schumacher (Universität Greifswald, Neuere deutsche Literatur und Literaturtheorie)
Man müsse, hört man häufig, Ernst Moritz Arndt in seiner Zeit verstehen. So habe man eben damals gedacht, wir hatten keine besseren Demokraten, wird gesagt. Auch das macht den Streit um den Namenszusatz der Universität Greifswald so befremdlich und so schwer nachvollziehbar. Tatsächlich kann man ohne größere Schwierigkeiten feststellen, dass im frühen 19. Jahrhundert chauvinistischer Nationalismus und wütender Antisemitismus ähnlich weit verbreitet waren wie schöne Märchen und mittelmäßige Dichtung. Die Mahnung, man müsse Arndt in seiner Zeit verstehen, zeugt allerdings häufig doch nur von erkennbar überanstrengten Bemühungen, diese Zeit so zu rekonstruieren, dass sich Fremdenhass und Antisemitismus relativieren lassen (und man im gleichen Zug Mittelmäßigkeit nicht mehr so recht als solche identifizieren kann).
Viele haben wie Arndt gedacht, wenn auch nicht so viele, wie manche es heute gern sehen würden. Viele aber, und das wird gelegentlich ausgeblendet, haben nicht so gedacht. Deutlich wird dies schon, wenn man nur einige der Stimmen aufruft, die Arndt schon insofern „in seiner Zeit“ verstanden haben, als sie selbst in eben dieser Zeit gelebt, gelesen, geschrieben und dabei nicht immer weit von ihm entfernt gestanden haben.
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