Marcus G. muss vor Gericht: Prozess gegen Neonazi wegen gewalttätigem Übergriff auf dem Markt

Am nächsten Montag wird am Amtsgericht Greifswald die Verhandlung gegen den Neonazi Marcus G. stattfinden. Dem aus Berlin stammenden Studenten wird vorgeworfen, Ende Juli 2013 einen Demonstranten während einer NPD-Kundgebung verletzt zu haben. Das Bündnis Greifswald Nazifrei ruft für die Zeit der Verhandlung zu einer antifaschistischen Kundgebung vor dem Amtsgericht auf, um Solidarität mit Opfern rechter Gewalt zu demonstrieren.

Es waren regelrechte Jagdszenen, die sich am 29. Juli auf dem Greifswalder Marktplatz abspielten. Die NPD war auf „Asyltour“ und hielt auch in Greifswald, um in der Hansestadt öffentlich gegen Flüchtlinge zu hetzen. Die Scharfmacher der NPD kamen nicht allein — sie brachten knapp zwanzig, zumeist junge männliche — Neonazis mit, die sich weiträumig auf dem Marktplatz verteilten, um einen störungsfreien Ablauf der Kundgebung durchzusetzen. Unter ihnen befand sich auch Marcus G., ein Neonazi, der schon vor seinem Umzug von Berlin nach Greifswald auf eine einschlägige Szenevergangenheit zurückblicken konnte.

„Gewalt ist kein Mittel politischer Auseinandersetzung“ 

Marcus G. NPD Greifswald
Neonazi Marcus G. nach dem Angriff auf einen Antifaschisten

Trotz des martialischen Auftretens der NPD-Anhänger versammelten sich innerhalb kurzer Zeit Menschen auf dem Marktplatz, die im strömenden Regen lautstark gegen die rechtsextreme Partei protestierten. Nachdem vereinzelt Tomaten in Richtung NPD-Kundgebung geflogen waren und die Polizei die Gemüsewerfer festnehmen wollte, verloren die Neonazis die Nerven und stürmten gezielt auf einzelne Gegendemonstranten los. Während einige Neonazis einem Antifaschisten in Richtung Knopfstraße nachliefen, brach Marcus G. die Verfolgung schnell ab, wandte sich um und entschied sich, einen hinterhereilenden Demonstranten mit einem gezielten Fußtritt zu Boden zu bringen und sich anschließend rasch zu entfernen.

(Foto: Grüne Vorpommern-Greifswald)

Angriff auf Stupisten und Kommunalpolitiker

Marcus G. dementierte anschließend, überhaupt irgendjemanden angegriffen zu haben, doch die unübersichtliche Situation wurde gefilmt. Das später auf dem Fleischervorstadt-Blog veröffentlichte Video lässt Zweifel an den Darstellungen des Neonazis aufkommen, der stets darum bemüht war, den Schein der Gewaltfreiheit zu wahren. Der Geschädigte, der sowohl im Studierendenparlament (StuPa) als auch im kommunalen Ausschuss für Jugend und Soziales sitzt, soll durch den Angriff eine sehr schwere Knieverletzung davongetragen haben. Sein Anspruch auf Schadensersatz soll am Montag in einem angehängten Adhäsionsverfahren geregelt werden.

Auf der Internetseite der Nationalen Sozialisten Greifswald wird nach wie vor an dem Mythos geschraubt, dass Marcus G. ein unbescholtener Bürger sei und es „absolut keine Beweise“ dafür gäbe, dass er sich als führendes Mitglied in einer Kameradschaft verdinge. Dabei braucht es keine besondere Beobachtungsgabe, um festzustellen, dass Marcus G. inzwischen bei fast allen Aktionen und Aufmärschen von Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern dabei ist — häufig in exponierter Rolle als Fotograf für die rechtsextremistische Internet-Plattform Mupinfo. Ob bei der Störung der universitären Gedenkveranstaltung für die Opfer der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus im Januar 2012, bei NPD-Infoständen in Greifswald oder Demonstrationen in Wolgast, Anklam, Wismar oder Demmin — G. war mit von der Partie!

Bei der NPD-Demonstration gegen das Flüchtlingsheim in Friedland am 9. November konnte man G. in einträchtiger Plauderrunde mit Hannes Welchar und Sebastian Schmidtke beobachten. Welchar, NPD-Fraktionsführer im Kreistag Mecklenburgische Seenplatte, wurde 2010 wegen Körperverletzung verurteilt; Schmidtke, der Chef des Berliner NPD-Landesverbandes, erhielt zuletzt acht Monate auf Bewährung wegen Volksverhetzung und Gewaltdarstellung. Zwei Wochen später war G. auf einer NPD-Demo in Berlin-Schöneweide, wo er sich sichtlich über ein Wiedersehen mit alten Bekannten aus dem Umfeld der NPD Oberhavel freuen durfte.

Kundgebung vor dem Gericht: Solidarität mit Opfern rechter Gewalt

Das Bündnis Greifswald Nazifrei ruft für die Zeit der Verhandlung zu einer antifaschistischen Kundgebung vor dem Amtsgericht auf, um Solidarität mit den Opfern von rechter Gewalt zu zeigen und sich öffentlich gegen Nazis und ihre Gewalt zu positionieren. Da zu erwarten ist, dass auch Neonazis zum Prozess erscheinen werden, ruft das Bündnis außerdem dazu auf, an der öffentlichen Verhandlung teilzunehmen. Benjamin Pfeiffer, Pressesprecher des Bündnisses, hofft auf einen richterlichen Schuldspruch: „Eine Verurteilung von Marcus G, der stets behauptet hat, dass Gewalt für ihn kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sei, wäre deshalb begrüßenswert, um die Öffentlichkeit wieder mal über den wahren Charakter der NPD und ihrer Anhänger*innen aufzuklären.“

Die Kundgebung vor dem Amtsgericht ist für die Zeit von 12 Uhr bis 16 Uhr angemeldet. Die öffentliche Verhandlung gegen Marcus G. beginnt um 13.30 Uhr.

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Weihnachtsmarktbesucher mit Messer angegriffen und schwer verletzt

Nach dem Besuch des Greifswalder Weihnachtsmarkts wurde am Freitagabend ein 34-jähriger Mann mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Er musste mit Stichverletzungen ins Klinikum eingeliefert und operiert werden.

Polizei MVWie die Polizei mitteilt, habe sich der Geschädigte gegen 21 Uhr auf dem Heimweg vom Weihnachtsmarkt befunden. Er habe dort zuvor mehrere Tassen Glühwein getrunken, ehe er wenig später von mehreren Personen zum Weiterfeiern eingeladen wurde, sich aber dafür entschied, alsbald den Heimweg nach Schönwalde I anzutreten. An der Europakreuzung soll er dann dem Täter — mutmaßlich einem Mann aus dieser Gruppe — wiederbegegnet sein, der ihn kurz angesprochen und dann mit einem Messer angegriffen haben soll. Der Geschädigte, bei dem später ein Atemalkoholwert von 1,95 Promille gemessen wurde, verlor daraufhin sein Bewusstsein. Nachdem er sein Zuhause erreicht hatte, bemerkte er eine blutende Wunde am Bauch. Der herbeigerufene Notarzt sorgte für einen Transport ins Klinikum, wo weitere Stichverletzungen festgestellt wurden.

Die Polizei ermittelt nun wegen gefährlicher Körperverletzung. Dass jedoch keine Personenbeschreibung des Messerstechers vorliege, verkompliziere die Suche nach dem Verdächtigen. Die Ermittler bitten deswegen um Hinweise (03971 251-1424) aufmerksamer Bürgerinnen, die die Gruppe, mit der der Täter in Zusammenhang stehen soll, am Freitagabend zwischen 19 Uhr und 21 Uhr gesehen haben oder die Angaben zu dem Angriff an der Europakreuzung machen können.

  • Gefährliche Körperverletzung nach Weihnachtsmarktbesuch (PM Polizei, 07.12.2013)

Brisantes Video dokumentiert NPD-Übergriff auf dem Greifswalder Markt

Auf ihrer „Asyltour“ hält die NPD in Greifswald. Nachdem aus den Reihen einer spontanen Gegendemo vereinzelt Lebensmittel geworfen werden, stürmen die um den Marktplatz verteilten Neonazis auf die Protestierenden zu und werden gewalttätig. Ein nun aufgetauchtes Video dokumentiert den Tumult und nährt Zweifel an den Darstellungen des Neonazis Marcus G. „Brisantes Video dokumentiert NPD-Übergriff auf dem Greifswalder Markt“ weiterlesen

Vermummter Neonazi-Mob: NPD-Landtagsmitglied auf Wahlkampftour in der Grimmer Straße

Tino Müller NPDVor einer Woche, in der Nacht vom 14. zum 15. August, erreichte die Polizei um 01.30 Uhr ein Notruf aus der Grimmer Straße. Vor dem Haus hatten sich 15 bis 20 Personen versammelt und die Bewohner dazu aufgefordert, herauszukommen. Die Aggressoren, die der rechten Szene zugeordnet werden konnten, waren teilweise vermummt und mit Stöcken bewaffnet. Nachdem sie eine Scheibe des Hauseingangs zerstört hatten, entfernten sie sich in drei Kleintransportern, die später während einer weiträumigen Polizeifahndung kontrolliert wurden.

Wie der Nordkurier heute berichtet, bestätigten die Sicherheitsbehörden, dass sich unter den rechtsextremen Insassen der Kleintransporter mehrere NPD-Politiker befanden. So waren neben Tino Müller (stellvertretender Vorsitzender der NPD-Landtagsfraktion) auch dessen Bruder Marko (NPD-Landesvorstand), Norman Runge (Mitglied des Kreistags Mecklenburgische Seenplatte) sowie Daniel Ohm (NPD-Stadtvertreter der Stadt Usedom) unter den Verdächtigen, gegen die nun die Staatsanwaltschaft Stralsund wegen Landfriedensbruch und Sachbeschädigung ermittelt.

  • Mit dem Knüppel in den Wahlkampf? (Nordkurier, 23.08.2013)

(Foto: Kombinat Fortschritt)

Angriffe auf ausländische Studierende waren doch nicht fremdenfeindlich motiviert

Die Debatte um Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Greifswald, die im vergangenen Jahr durch mehrere Angriffe auf ausländische Studierende und ihre Unterkünfte im Stadtteil Schönwalde II ausgelöst wurde, kann jetzt — nachdem sie nie richtig begonnen hatte — endlich für beendet erklärt werden!

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180 Menschen demonstrierten beim One Billion Rising in Greifswald

Etwa 180 Menschen folgten heute Nachmittag in Greifswald dem Aufruf zur Teilnahme an der weltweit stattfindenden Aktion One Billion Rising und protestierten gegen Gewalt gegen Frauen.

Den frostigen Temperaturen begegneten die Initiatorinnen mit einer Art Public Learning israelischer Volkstänze, für das sich zahlreiche Männer und Frauen erwärmen konnten, während anderen dieses Demonstrationsformat weniger zugänglich war.

In den Redebeiträgen wurde verdeutlicht, wie allgegenwärtig Gewalt gegen Frauen ist und dass diese auch heute noch überall stattfindet. Deswegen sind Institutionen wie das bedrohte Greifswalder Frauenhaus, für dessen Unterstützung gleichsam geworben wurde, traurigerweise noch immer notwendig.

Der V-Day in Greifswald war zwar ein sichtbares Signal, doch das Problem mit gegen Frauen gerichteter Gewalt ist damit keineswegs gelöst. Beim Frauenhaus könnte man schon mal anfangen und die Symptome lindern!