Man kann gar nicht so schnell hingucken, wie die Häuser in der Gützkower Straße gerade fallen. Mit dem Abriss des seit Jahren leerstehenden Gebäudes wird Platz für einen weiteren Neubau, der nach seiner Fertigstellung einem Greifswalder Kommunalpolitiker Obdach bieten soll, so zumindest pfeifen es die Spatzen von den Dächern der Fleischervorstadt. Das neue Haus wird sicher ein echter Hingucker!
Schon vor einigen Wochen begannen auf dem Eckgrundstück Gützkower Straße/Neunmorgenstraße umfangreiche Bauarbeiten. Mit der Errichtung eines der höchsten Häuser in der Straße soll ein „architektonischer Akzent“ gesetzt werden — das Gegenteil bleibt zu befürchten.
Als sich am heutigen Nachmittag der in der Luft zusammengefügte Baukran über den Dächern der südlichen Fleischervorstadt erhob, dürfte klar geworden sein, welche baulichen Dimensionen das profitable Geschäft mit städtischem Wohnraum an den Tag legen wird.
Ursprünglich sollte das von der Greifswalder Immobilienfirma Global Management Glavac projektierte, etwa 1,7 Millionen Euro teure Gebäude im Frühjahr 2013 fertiggestellt werden. Auch wenn dieser Zeitplan kaum noch eingehalten werden kann, wird die Fleischervorstadt früher oder später ein luxuriöses Penthouse vorweisen können, mit dem man Heimkehrende und Weggezogene auf Spaziergängen erschrecken kann.
Wer sich wohlweislich auf jenen Moment vorbereiten möchte, in dem der morgendliche Gang zum Bäcker durch den neuen Blickfang aus Stahl, Glas und Beton verelendet wird, sollte einen Blick in dieses hypnotische Werbevideo werfen und heftig an der Glaskugel reiben!
Es ist einfach nur beschämend. In der Nacht zum 9. November entfernten Unbekannte in der Greifswalder Innenstadt die Stolpersteine, die dort im Sommer 2008 vom Künstler Gunter Demnig verlegt wurden, um an das Schicksal der deportierten und ermordeten Juden im Dritten Reich zu erinnern. „Mutmaßliche Neonazis entfernten „Stolpersteine““ weiterlesen →
Die Idee wäre radikal genug gewesen, um quasi über Nacht den Greifswalder Haushalt zu entlasten und das wenig ambitionierte Klimaschutzziel der Stadt – die Verringerung der CO2-Emissionen bis 2020 um 14% gegenüber dem Jahr 2005 — zu erreichen. Doch die Stadt beendete ohne offizielle Erklärung den seit mehr als einem Jahr durchgeführten Modellversuch in der Gützkower Straße, dessen Umsetzung so diskret geschah, dass nicht einmal die Anwohnenden im Vorfeld über das Experiment informiert wurden.
Das Licht aus den Schalter um
Schade, denn auch wenn es nachts dort auf Höhe der Burgstraße unstädtisch vor sich hin dunkelte, ahnte man ja schon, wieso man auf die Illuminierung der Straße verzichtete. Mit den halbherzigen Einsparungsversuchen an der nächtlichen Straßenbeleuchtung, die seit 2003 schrittweise eingeführt wurden, sind eben nur kleine Schritte machbar — auf große Sprünge wartete man bislang vergebens.
(Foto: Fleischervorstadt-Blog)
Vorher verbrauchte die Greifswalder Straßenbeleuchtung etwa 3,9 Millionen Kilowattstunden (KWh) jährlich, was einem CO2-Ausstoß von 1400 Tonnen entsprechen soll. Bis 2005 wurde dann nach und nach jede zweite Leuchte zwischen 21 Uhr und 5 Uhr abgeschaltet, was den Verbrauch um ein gutes Drittel verringerte und eine Reduktion auf 2,5 Millionen KWh beziehungsweise auf 910 Tonnen CO2 per annum brachte. 2010 wurde dieser Dunkelzeitraum auf 20 bis 6.15 Uhr ausgedehnt, um den Verbrauch um weitere 138.000 KWh zu drücken und bei einem Strompreis von 22 Cent pro Kwh nochmal rund 30.000 Euro einzusparen. Aber reicht das?
Volle Gönnung: LED-Umrüstung kostet mehr als 4 Millionen Euro
Bleibt die Umrüstung auf LED-Leuchtmittel, die im laufenden Betrieb nur etwa halb soviel Strom wie die bislang verwendeten Birnen verbrauchen und ungefähr dreimal solange brennen, aber dafür mit Kosten von 900 Euro pro Laternenmast zu Buche schlagen. In Greifswald gibt es etwa 4.500 dieser Masten, die notwendigen Investitionen gehen also in die Millionenhöhe. Deswegen soll laut Felix Wixforth, Leiter des Tiefbau- und Grünflächenamts, nicht das gesamte Lichtsystem umgerüstet werden.
Die SPD schlug im vergangenen Jahr vor, die Verantwortung für die Beleuchtung an die Stadtwerke abzugeben, um die Anlagen sukzessive zu modernisieren. Mit Blick auf das Bürgergutachten (pdf-Dokument, 144KB), das im Rahmen des 1. Greifswalder Bürgerforums zur Kommunalen Klima- und Energiepolitik erstellt und im März 2010 veröffentlicht wurde, wäre das sogar ein naheliegender Schritt. Dort wird nicht nur die Umstellung auf energiesparende Leuchtmittel gefordert, sondern auch, dass die für die Beleuchtung eingesetzte Energie vorrangig durch Solartechnik erzeugt werden solle.
Alles flimmert (in den eigenen vier Wänden)
Die Bürgergutachter regten weiterhin an, dass ein „effizienterer Schaltplan für die Beleuchtung“ erarbeitet werden müsse. Der wurde offenbar entwickelt und mehr als ein Jahr lang in der Gützkower Straße ausprobiert. Auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet, wäre dieser Plan tatsächlich radikal gewesen und hätte nicht nur die über 4 Millionen Euro teure Umrüstung auf LED erübrigt, sondern jährlich auch noch etwa 2,3 Millionen KWh Strom (ca. 500.000 Euro) gespart beziehungsweise ca. 800 Tonnen CO2-Ausstoß weniger verursacht.
Doch nun obsiegten offenbar die Zauderer an den Hebeln der beleuchteten Nacht und brachen den Modellversuch schließlich am 3. September ab — es bleibt wohl wieder bei den kurzen Schritten. Das Sicherheitsbedürfnis ist indes wieder umfassend hergestellt, allein die inzwischen lichtscheuen Anwohner des Viertels müssen sich noch an das neuerliche Blendwerk gewöhnen.
Das Jahr 2012 begann in der Fleischervorstadt ohne Drogerie, denn am 31. Dezember 2011 öffnete der Schlecker in der Gützkower Straße zum letzten Mal. Der Konzern, dessen betriebliche Praxis in der Vergangenheit immer wieder für negative Schlagzeilen sorgte, meldete zu Jahresbeginn Insolvenz an und entließ etwa 25.000 der vornehmlich weiblichen Angestellten. „Was aus dem ehemaligen Schlecker in der Gützkower Straße wird“ weiterlesen →
Neue Namen für alte Plätze: in Greifswald wird wieder über Um- und Neubenennungen diskutiert. Dabei wird am Beispiel der heutigen Bahnhofstraße deutlich, dass unterschiedlichen Bezeichnungen nicht immer so einfach nachzuvollziehen sind, wie man annehmen könnte.
Bezeichnungswirrwarr von der Wiesenstraße bis zum ollen Stalin und zurück
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts hieß zum Beispiel der Abschnitt zwischen der Arndt-Straße und dem heutigen Bahnhof aufgrund der vorhandenen Gärten Gartenstraße. Das Stück zwischen Luther- und Gützkower Straße hörte damals hingegen auf den Namen Wiesenstraße, welche ja heute irreführenderweise eine Parallelstraße der Bahnhofstraße ist.
Der Abschnitt zwischen dem Bahnhof und dem heutigen Karl-Marx-Platz hieß erst Luisebrink, später Erweiterte Gartenstraße und wurde schließlich Teil der Bahnhofstraße, wie wir sie heute kennen.
Dies änderte sich aber mit dem Bau des Bahnhofs und der Eisenbahnwerkstätten (Bahnhofshallen) in den späten sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts, durch den die heutige Pfarrer-Wachsmann-Straße entstanden ist. Die hieß damals allerdings zuerst Bahnhofstraße, ehe dieser Name 1868 auf die heutige Bahnhofstraße übertragen wurde — wenngleich dies nur für den Abschnitt zwischen Luther-Straße und Bahnhof geschah. Der Abschnitt zwischen Arndt- und Fleischerstraße blieb noch mehrere Jahre lang Gartenstraße.
Gut 90 Jahre darauf, 1959, wurde aus der Bahnhofstraße die Josef-Stalinstraße, ehe sie nur zwei Jahre später von ihrem unsäglichen Namenspatron entledigt und zum vorerst letzten Mal umbenannt wurde. Wer sich für Benennung von Straßen und Plätzen in Greifswald interessiert, sollte einen Blick auf den historischen Stadtplan werfen, über die Geschichte Greifswalder Straßen erfährt man hier mehr.
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