„Ein Outing funktioniert nur, wenn Menschen sich hinter ihren bürgerlichen Fassaden verstecken und mit ihren Werten und Normen nicht öffentlich auftreten. Ein Outing ist sinnlos bei Menschen, die seit Jahren (hochschul-)politisch aktiv sind, Vertreter des StuPa sind beziehungsweise waren und wenn ihr antifaschistisches Engagement in der Stadt bekannt ist.“
Mit diesen Worten reagierte die Linksjugend [‚SDS] Greifswald auf das von Neonazis verantwortete Outing zweier Mitglieder, die heute durch eine Flugblattaktion in ihrem Wohnumfeld diskreditiert werden sollten. Offenbar kratzten die Neonazis schon im Vorfeld antifaschistische Aufkleber zusammen und verteilten diese im Hausflur der beiden Hochschulpolitiker Martin Grimm und Marvin Hopf. Die umliegenden Briefkästen wurden mit Flyern bestückt, die die Nachbarn über den hochschulpolitischen Hintergrund der beiden Hausbewohner „aufklären“ sollten. Nicht die Neonazis seien für die im Hausflur verteilten Aufkleber verantwortlich, sondern die beiden Studierenden, die schon seit mehreren Legislaturen im Studierendenparlament sitzen und sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Hochschule politisch engagieren.
Bald vierzehn Jahre sind seit dem grausamen Mord an dem Obdachlosen Klaus-Dieter Gerecke vergangen. Ihm wurde in der Nacht zum 24. Juni 2000 in der Gützkower Straße von drei Heranwachsenden regelrecht das Leben aus dem Leib geprügelt, bis er schließlich aufgrund massiver Schädel-, Gesichts- und Rippenverletzungen verstarb. Heute erinnert eine Gedenkplatte an den damals 47-Jährigen, dessen Tod nun möglicherweise vor einer Neueinordnung steht.
Wie die Schweriner Volkszeitung (SVZ) berichtet, wurden bundesweit mehr als 3300 ungeklärte Tötungsdelikte auf Anhaltspunkte für eine mögliche politisch rechte Tatmotivation überprüft. Hinzu kamen 137 aufgelöste Fälle, die aber möglicherweise falsch eingeordnet wurden. Bis zum Frühjahr sollen insgesamt 745 Fälle genauer untersucht werden; die Ergebnisse könnten dann zu neuen Ermittlungen oder Änderungen in der Statistik führen. Laut SVZ beinhalten diese Überprüfungen auch zwölf oder dreizehn Straftaten, die zwischen 1991 und 2011 in Mecklenburg-Vorpommern begangenen wurden — darunter der Mord an Klaus-Dieter Gerecke.
In der Nacht vom 14. zum 15. August erreichte die Polizei ein Notruf. Vor einem Wohnprojekt in der Grimmer Straße hatten sich 15 bis 20 Personen versammelt, die die Bewohner dazu aufforderten, herauszukommen. Die Männer, die der rechten Szene zugeordnet wurden, waren teilweise vermummt und mit Schlagstöcken bewaffnet — NPD-Wahlkampf 2013 in Greifswald.
Nachdem die Neonazis eine Scheibe des Hauseingangs zerstört hatten, entfernten sie sich in drei Kleintransportern, die später im Zuge einer weiträumigen Polizeifahndung kontrolliert wurden. Unter den Insassen dieser Fahrzeuge befanden sich vier Politiker der NPD: Tino Müller (stellvertretender Vorsitzender der NPD-Landtagsfraktion), dessen Bruder Marko (NPD-Landesvorstand), Norman Runge (Mitglied des Kreistags des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte) sowie Daniel Ohm (NPD-Stadtvertreter der Stadt Usedom).
Die Staatsanwaltschaft Stralsund begann, gegen die vier Rechtsextremisten wegen „schweren Landfriedensbruchs“ zu ermitteln; hierfür wurde durch den Landtag auch die Immunität von Tino Müller aufgehoben. Doch die Ermittlungen gegen das Landtagsmitglied wurden eingestellt — als einziger aus der Gruppe sei Daniel Ohm aus Usedom zweifelsfrei identifiziert worden. Der 30-Jährige wird jetzt wegen schweren Landfriedensbruchs angeklagt. Im Falle einer Verurteilung droht dem Rechtsextremisten laut Strafgesetzbuch eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Wann der Prozess gegen Ohm beginnen wird, ist noch unbekannt. Derzeit sitzt er nicht nur in der Kommunalvertretung der Stadt Usedom, sondern ist auch Angestellter der NPD-Fraktion in Schwerin und hat unkontrollierten Zugang zum Schweriner Landtag.
Drei Neonazis beschäftigen die Gerichte (Nordkurier, 17.12.2013)
Anklage gegen NPD-Politiker Daniel Ohm (NDR, 16.12.2013)
NPD-Kommunalpolitiker Ohm wegen schweren Landfriedensbruchs angeklagt (Endstation Rechts, 16.12.2013)
Drohkulisse und Sammelwahn: Die NPD startet in den Wahlkampf (Fleischervorstadt-Blog, 15.08.2013)
Mehr als einhundert Personen versammelten sich heute Mittag vor dem Greifswalder Amtsgericht, um dem Prozess gegen Marcus G. beizuwohnen. Dem Neonazi wird vorgeworfen, während einer NPD-Kundgebung einen Demonstranten verletzt zu haben. Die Polizei war mit sieben großen Einsatzfahrzeugen vor Ort, auch der Staatsschutz war zugegen. Wer fehlte, war der Angeklagte, der sich kurzfristig krankschreiben ließ. Die Verhandlung wird nun verschoben.
(Foto: Fleischervorstadt-Blog)
Ein Sprecher des Bündnisses Greifswald Nazifrei kommentierte in einer Pressemitteilung das Fernbleiben des Angeklagten. Er äußerte die Vermutung, dass „Marcus G. sehr daran interessiert ist, diesen Prozess in die Länge zu ziehen.“ Das Bündnis hofft darauf, dass möglichst bald ein neuer Verhandlungstermin angesetzt wird. Trotzdem fällt das Resümee zur heutigen Veranstaltung erstmal positiv aus: „Es ist […] begrüßenswert, dass so viele Menschen unserem Aufruf gefolgt sind, vor dem Gericht gegen Nazigewalt zu demonstrieren“, so ein Sprecher des Bündnisses, das sich auch für den neuen Verhandlungstermin eine solche Beteiligung und Solidarität wünscht.
Der schwerkranke Angeklagte befindet sich indes hoffentlich auf dem Weg der Genesung, um nach der Überwindung seiner Krankheit endlich vor den Richter treten zu können. Refuah Schlema!
Prozess gegen den rechtsradikalen Greifswalder Studenten Marcus G. kurzfristig abgesagt/verschoben (PM Greifswald Nazifrei, 16.12.2013)
Am nächsten Montag wird am Amtsgericht Greifswald die Verhandlung gegen den Neonazi Marcus G. stattfinden. Dem aus Berlin stammenden Studenten wird vorgeworfen, Ende Juli 2013 einen Demonstranten während einer NPD-Kundgebung verletzt zu haben. Das Bündnis Greifswald Nazifrei ruft für die Zeit der Verhandlung zu einer antifaschistischen Kundgebung vor dem Amtsgericht auf, um Solidarität mit Opfern rechter Gewalt zu demonstrieren.
Es waren regelrechte Jagdszenen, die sich am 29. Juli auf dem Greifswalder Marktplatz abspielten. Die NPD war auf „Asyltour“ und hielt auch in Greifswald, um in der Hansestadt öffentlich gegen Flüchtlinge zu hetzen. Die Scharfmacher der NPD kamen nicht allein — sie brachten knapp zwanzig, zumeist junge männliche — Neonazis mit, die sich weiträumig auf dem Marktplatz verteilten, um einen störungsfreien Ablauf der Kundgebung durchzusetzen. Unter ihnen befand sich auch Marcus G., ein Neonazi, der schon vor seinem Umzug von Berlin nach Greifswald auf eine einschlägige Szenevergangenheit zurückblicken konnte.
„Gewalt ist kein Mittel politischer Auseinandersetzung“
Trotz des martialischen Auftretens der NPD-Anhänger versammelten sich innerhalb kurzer Zeit Menschen auf dem Marktplatz, die im strömenden Regen lautstark gegen die rechtsextreme Partei protestierten. Nachdem vereinzelt Tomaten in Richtung NPD-Kundgebung geflogen waren und die Polizei die Gemüsewerfer festnehmen wollte, verloren die Neonazis die Nerven und stürmten gezielt auf einzelne Gegendemonstranten los. Während einige Neonazis einem Antifaschisten in Richtung Knopfstraße nachliefen, brach Marcus G. die Verfolgung schnell ab, wandte sich um und entschied sich, einen hinterhereilenden Demonstranten mit einem gezielten Fußtritt zu Boden zu bringen und sich anschließend rasch zu entfernen.
Marcus G. dementierte anschließend, überhaupt irgendjemanden angegriffen zu haben, doch die unübersichtliche Situation wurde gefilmt. Das später auf dem Fleischervorstadt-Blog veröffentlichte Video lässt Zweifel an den Darstellungen des Neonazis aufkommen, der stets darum bemüht war, den Schein der Gewaltfreiheit zu wahren. Der Geschädigte, der sowohl im Studierendenparlament (StuPa) als auch im kommunalen Ausschuss für Jugend und Soziales sitzt, soll durch den Angriff eine sehr schwere Knieverletzung davongetragen haben. Sein Anspruch auf Schadensersatz soll am Montag in einem angehängten Adhäsionsverfahren geregelt werden.
Auf der Internetseite der Nationalen Sozialisten Greifswald wird nach wie vor an dem Mythos geschraubt, dass Marcus G. ein unbescholtener Bürger sei und es „absolut keine Beweise“ dafür gäbe, dass er sich als führendes Mitglied in einer Kameradschaft verdinge. Dabei braucht es keine besondere Beobachtungsgabe, um festzustellen, dass Marcus G. inzwischen bei fast allen Aktionen und Aufmärschen von Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern dabei ist — häufig in exponierter Rolle als Fotograf für die rechtsextremistische Internet-Plattform Mupinfo. Ob bei der Störung der universitären Gedenkveranstaltung für die Opfer der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus im Januar 2012, bei NPD-Infoständen in Greifswald oder Demonstrationen in Wolgast, Anklam, Wismar oder Demmin — G. war mit von der Partie!
Bei der NPD-Demonstration gegen das Flüchtlingsheim in Friedland am 9. November konnte man G. in einträchtiger Plauderrunde mit Hannes Welchar und Sebastian Schmidtke beobachten. Welchar, NPD-Fraktionsführer im Kreistag Mecklenburgische Seenplatte, wurde 2010 wegen Körperverletzung verurteilt; Schmidtke, der Chef des Berliner NPD-Landesverbandes, erhielt zuletzt acht Monate auf Bewährung wegen Volksverhetzung und Gewaltdarstellung. Zwei Wochen später war G. auf einer NPD-Demo in Berlin-Schöneweide, wo er sich sichtlich über ein Wiedersehen mit alten Bekannten aus dem Umfeld der NPD Oberhavel freuen durfte.
Kundgebung vor dem Gericht: Solidarität mit Opfern rechter Gewalt
Das Bündnis Greifswald Nazifrei ruft für die Zeit der Verhandlung zu einer antifaschistischen Kundgebung vor dem Amtsgericht auf, um Solidarität mit den Opfern von rechter Gewalt zu zeigen und sich öffentlich gegen Nazis und ihre Gewalt zu positionieren. Da zu erwarten ist, dass auch Neonazis zum Prozess erscheinen werden, ruft das Bündnis außerdem dazu auf, an der öffentlichen Verhandlung teilzunehmen. Benjamin Pfeiffer, Pressesprecher des Bündnisses, hofft auf einen richterlichen Schuldspruch: „Eine Verurteilung von Marcus G, der stets behauptet hat, dass Gewalt für ihn kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sei, wäre deshalb begrüßenswert, um die Öffentlichkeit wieder mal über den wahren Charakter der NPD und ihrer Anhänger*innen aufzuklären.“
Die Kundgebung vor dem Amtsgericht ist für die Zeit von 12 Uhr bis 16 Uhr angemeldet. Die öffentliche Verhandlung gegen Marcus G. beginnt um 13.30 Uhr.
Seit etwa einer Woche ist die Alternative für Deutschland (AfD) offiziell mit einem Kreisverband in Vorpommern-Greifswald vertreten — herzlichen Glückwunsch zum neuen Freundeskreis!
VON KOPF BIS FUSS AUF WAHLKAMPFMODUS EINGESTELLT
Zur Erweckungsveranstaltung kamen die 50 seit Parteigründung im Frühjahr beigetretenen Mitglieder und Förderer. Man traf sich im Heringsdorfer Hotel Wald und See — der seebädischen Alternative zu Greifswalder Tagungsorten — und schmiedete Zukunftspläne. Die frisch gekürte Vorsitzende Stefanie Voigt gibt sich in einer wenig später herausgegebenen Pressemitteilung optimistisch: „Euroskepsis erreicht endlich Vorpommern — alte Naive für Deutschland gründen Kreisverband“ weiterlesen →
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