Kleinbus zerstört – Hintergrund der Täter bleibt weiter spekulativ

In der vorigen Woche wurde ein in der Wolgaster Straße abgestellter Kleinbus angegriffen, auf dessen Armaturenbrett Anti-Atom-Werbematerial lag. Dabei wurden zwei Scheiben und alle vier Reifen zerstört, außerdem wurde der Wagen mit einem eigenwilligen Antifa rox you! besprüht.

„Eine Art False-Flag-Aktion“ von Neonazis

Massive Zweifel an der Idee, dass hiesige Antifaschistinnen dieses Auto beschädigt hätten, lagen ja bereits ausgesprochen in der Luft. Vor drei Tagen bezog die Antifa Greifswald in einer Pressemitteilung Stellung zu diesem Vorfall und erklärte: „Daran, dass Antifaschist_innen für den Anschlag auf das Fahrzeug verantwortlich sind, glauben wir nicht. Zu groß sind die Symphatien beider Spektren zueinander und zu deutlich die Feindschaft der Neonazis gerade gegen den links-alternativ geprägten Teil der Protestbewegung, gegen den sie offensichtlich von Beginn an die Oberhand im Kampf um den Einfluss bei den Protesten gegen die Castortransporte verloren haben.

Antifa GreifswaldDarüber hinaus ist die Ablehnung von Neonazis durch die Anti-Atom-Initiative, die wir ausdrücklich begrüßen, eine weitere Tatsache, die die Neonazis wütend macht und durch die sie sich möglicherweise zu Taten wie den oben geschilderten hinreissen lassen. Wir begrüßen die Proteste gegen den Castortransport!“

Die Autorinnen der Pressemitteilung stellen mit Zufriedenheit fest, dass die Neonazis „im Gegensatz zur von ihnen ständig beanspruchten Hegemonie in Bezug auf soziale Proteste in Mecklenburg-Vorpommern, im Fall des Castorwiderstandes eben diese Vorherschafft nicht in Anspruch nehmen können, da bereits andere Akteure den Rahmen ausfüllen“, und appellieren an die Atomgegner, sich Neonazis gegenüber wachsam und konsequent zu verhalten. Sie deuten den Angriff als „eine Art „false-flag“-Aktion“. Woanders ist zu hören, dass die Polizei den Angriff als normale Sachbeschädigung ohne weiteren Hintergrund aufgenommen habe.

„Dank an die Kameraden der Antifa!“

Auf die Meldung vom Angriff auf den Kleinbus reagierten Greifswalder Neonazis sehr schnell. In einem blockierten Kommentar auf dem Fleischervorstadt-Blog richteten sie ihren „Dank an die Kameraden der Antifa“ aus. Vier Tage später zitiert das rechte Internetportal MUPINFO einen Sprecher der Nationalen Sozialisten Greifswald, der erklärte, „daß die Demolierung von Autos mit Sicherheit nicht zum politischen Konzept der örtlichen Nationalisten gehöre. Im Gegenteil wäre dies ein peinlicher und durchschaubarer Versuch [sic!]. Weitere Spekulationen verbitte man sich“. „Kleinbus zerstört – Hintergrund der Täter bleibt weiter spekulativ“ weiterlesen

Rechter Anschlag auf vermeintlich linken Kleinbus?

Für einen Greifswalder Kleinbusbesitzer dürfte es ein häßliches Erwachen gewesen sein, als er heute früh in der Wolgaster Straße sein Auto zerstört vorfand. Die Heck- und eine Seitenscheibe wurden dabei bis zur Unbrauchbarkeit beschädigt, außerdem wurden alle Reifen zerstört.

An das Fahrzeug wurde ein Anarchy-A gesprüht und der Gruß „Antifa rox you“ aufgetragen. Damit liegt schon mal ein Verdacht nahe, wer hinter dieser Sachbeschädigung stecken könnte, und die Ermittlungsarbeiten gegen die Greifswalder Antifa könnten beginnen.

(Foto: GS)

Doch ist der Fall wirklich so einfach abzuhaken? Einige Aspekte machen stutzig. Da wäre schon mal der Fahrzeugtyp: Ein VW-Bus, auf dessen Armaturenbrett sichtbar Anti-Atom-Material liegt, wird ganz sicher nicht Ziel einer antifaschistisch motivierten Sachbeschädigung, erst recht nicht in diesen Tagen. Angriffe auf PKWs gehören auch nicht zu den Aktionsformen, mit denen antifaschistische Greifswalder Gruppen in den vergangenen 15 Jahren in Erscheinung getreten sind, im Gegenteil.

Diskreditierung des politischen Gegners oder orientierungsloser Aktionismus?

Der Verdacht liegt nahe, dass Greifswalder Neonazis diese Sachbeschädigung gezielt verübt haben, um ihre antifaschistischen Gegenspielerinnen zu diskreditieren und einer (weiteren) Kriminalisierung Vorschub zu leisten. Vor wenigen Nächten zogen die jungen Rechten wieder mit der Sprühdose durch die Stadt und besprühten die zahlreich plakatierten Anti-Atom-Poster bis zur Unkenntlichkeit. In der Burg Arndtstraße wurde unter anderem ein Hakenkreuz an die Wand gebracht.

Hakenkreuz

Versuchen sich Greifswalder Neonazis jetzt in affirmativen Strategien, um ihre politischen Gegnerinnen aus dem antifaschistischen Spektrum anzuschwärzen, oder wollen sie einen Keil zwischen die  antifaschistische Linke und den Anti-Atom-Widerstand treiben?

Am Ende bleibt zu vermuten, dass die Greifswalder Neonaziszene schlicht und ergreifend den aktuellen Kurs ihrer Gesinnungsgenossen verschlafen hat. Vor einer Woche versuchten ähnliche Gruppierungen in Rostock, den Protest gegen die Atompolitik heimatduselig für sich zu vereinnahmen, und skandierten „Alerta, alerta, Anti-Lubmina„. Das bislang befürchtete Aufspringen der Greifswalder Neonazis auf den Zug der Anti-Atom-Bewegung blieb bislang glücklicherweise aus.

Braune Volkszähler? NPD mobilisiert zum Zensus 2011

Deutschland wird gezählt. Am 09. Mai 2011 ist Stichtag für die hierzulande wohl größte Volksbestandsaufnahme seit 1987.

Der damaligen Bevölkerungsinventur gingen energische Proteste einer breiten, bis zur FDP-Jugend reichenden, sozialen Bewegung voraus, die zum Boykott der Zählung aufrief und aus Sorge um Datenschutz und die Einschränkung von Bürgerrechten massenhaft auf die Straße ging.

Die Geburt der informationellen Selbstbestimmung

Noch 1983 leitete das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Volkszählurteil das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Artikel 1 der Menschenrechte ab. Vier Jahre später sollte die bis dato letzte Volkszählung vorgenommen werden. Nun ist es wieder soweit und die Vorbereitungen für den sogenannten Zensus 2011 laufen auf Hochtouren.

Volkszählungen

Die von der Europäischen Union eingeforderten Pflichtmerkmale beinhalten neben Adresse, Namen und Geburtsdatum auch Fragen zu Bildungsniveau, Profession, Wohn- und Lebensverhältnissen. Über diesen Fragenkatalog hinaus erhebt die Bundesregierung konfessionelle Angaben und erfasst Daten zu Migrationshintergründen. Diese ergänzenden Auskünfte sind allerdings freiwillig.

Die juristische Grundlage dieser Befragung wurde mit dem Zensusgesetz 2011 geregelt, das im Juli 2009 in Kraft trat. Neben dieser Zählung wird außerdem eine Haushaltszählung durchgeführt, durch die alle Wohnungen, ihre Lage im Haus und deren Mieter erfasst werden sollen.

Bei Auskunftsverweigerung 5000 Euro Zwangsgeld

Die Volkszählung wird zum großen Teil registergestützt ablaufen und auf Daten der Bundesagentur für Arbeit, der öffentlichen Arbeitgeber und der kommunalen Melderegister zugreifen. Nur 9,6% der Bevölkerung werden persönlich befragt, für diese aber besteht Auskunftspflicht – wer sich dem widersetzt, dem droht ein Zwangsgeld von 5000 Euro. Im Unterschied zu einem Bußgeld ist hierbei die Schuld nicht durch die Zahlung beglichen, sondern das Zwangsgeld kann so oft eingefordert werden, bis die entsprechende Person bereit ist, ihrer Auskunftspflicht nachzukommen. „Braune Volkszähler? NPD mobilisiert zum Zensus 2011“ weiterlesen

Vortrag: Saufen, Schlagen, Seilschaften

Die Gewerkschaftliche Hochschulgruppe DGB Campus Greifswald und der Geographenkeller veranstalten heute einen Vortragsabend und laden zur Beschäftigung mit und der Kritik an Studentenverbindungen ein.

Das Thema wurde in der Vergangenheit immer wieder kontrovers diskutiert. Vor mehreren Jahren waren zwei Mitglieder der als rechtskonservativ bis rechts eingeschätzten Burschenschaft Rugia immer wieder bei NPD-Veranstaltungen aktiv, vor einem guten Jahr griffen drei bewaffnete Rugianer das IKUWO an. Wenige Wochen zuvor wurde im Anschluss an eine antifaschistische Demonstration das Haus der Markomannia von zugereisten Teilnehmerinnen mit Steinen attackiert.

Greifswalder Burschenschafter

Erst gestern Abend stand ein von Alexander Schmidt gestellter Antrag im StuPa zur Diskussion, der dem AStA einerseits die Aufklärung über Studentenverbindungen untersagen sollte und andererseits durchgesetzt hätte, dass die noch verbliebenen Exemplare des bereits existierenden Aufklärungsflyers vernichtet würden (die beiden Seiten dieses Flyers sind hier und hier abrufbar). Dieser Antrag wurde nicht angenommen.

Kritischer Überblick aus antifaschistischer Sicht

Der Referent des heutigen Abends ist Jörg Kronauer, Mitautor des Buchs Studentenverbindungen in Deutschland: Ein kritischer Überblick aus antifaschistischer Sicht. Er wird unter dem Vortragstitel Saufen, Schlagen Seilschaften – zur Kritik des Verbindungs(un)wesens über die Wurzeln und den Werdegang studentischer Verbindungen referieren und ihre gesellschaftliche Bedeutung diskutieren.

„Das in den Verbindungen gepflegte Gesellschaftsbild gilt als konservativ und von einem eigenen Eliteanspruch geprägt, die Geschlechterrollen sind klar verteilt, Rituale beherrschen einen großen Teil des Zusammenlebens. Die Beziehungen, die in einer Studentenverbindung geknüpft werden, sind auf lebenslange Dauer angelegt. Häufig schaffen es Mitglieder von Verbindungen, begünstigt durch gute Kontakte ihrer „Alten Herren”, bis nach „ganz oben”, sei es in der Justiz, der Politik, der Wirtschaft oder in den Medien.

Auch wenn sich einige Verbindungen gegen den Vorwurf wehren, rechts zu sein, fanden doch viele Rechtskonservative und Nazis ihre politischen Anfänge in studentischen Korporationen. Immer wieder werden auch Angehörige von Burschenschaften im Nazimilieu aktiv. Gleichzeitig entsprechen die studentischen Verbindungen heute wieder einem gesellschaftlichen Trend zum Konservatismus und zu nationalistischer und militaristischer Ideologie. Schließlich sind die Verbindungen mitunter auch einfach durch die gemeinsamen Wohnmöglichkeiten, die sie bieten, für Erstsemester an einem neuen Studienort attraktiv.“

Der gleiche Vortrag fand bereits gestern in Rostock statt.

Fakten: 12.01. | 19.30 | Geographenkeller | Einritt frei

Reportage: „Da ist man lieber still“

Als die Band Feine Sahne Fischfilet die Veröffentlichung ihres Albums Wut im Bauch, Trauer im Herzen in Demmin feierten, enthoben sie die Release-Veranstaltung dem üblichen Rahmenfahrplan und konzipierten einen antifaschistischen Aktionstag in der Peenestadt. Teil des Programms  war die Vorführung des Film Da ist man lieber still – am rechten Rand der Republik — eine bestandsaufnehmende Reise durch Ostvorpommern.

Wir wundern uns, dass wir noch in Deutschland sind

Schauplatz der Reportage wurde unter anderem der schon von Wolf Biermann in einer Ballade besungene kleine Hafenort Lassan vor der Insel Usedom.

Am Peenestrom, am Peenestrom
Da liegt ein Wrack aus Holz und Stein
Seit fünf mal hundert gleichen Jahrn
die alte Stadt Lassan
Der Diesel tuckert sich sachte aus
Wir machen das Boot fest hinterm Wind
Und steigen an Land und wundern uns
daß wir noch in Deutschland sind

Heute wird sich allerdings niemand mehr darüber wundern, wenn er den Ort betritt, der mit einer offiziellen Arbeitslosenquote von über 25 Prozent alles andere als ökonomisch prosperierend vor sich hin dämmert.

Für ihren Film Da ist man lieber still – Am rechten Rand der Republik reiste Autorin Eilika Meinert durch die Dörfer und Kleinstädte Ostvorpommerns, traf auf Bürgermeister, Jugendliche, Landwirte und besorgte Eltern und machte sich auf, eine Antwort auf die Frage zu finden, warum die NPD in den nordöstlichsten Wahlkreisen der Bundesrepublik so erfolgreich sein konnte und wie sich der Bedeutungsverlust der etablierten Parteien erklärt.

Da ist man lieber still

(Filmstill)

Enttäuschungen über realexistierende Demokratie

Der Politikwissenschaftler Dr. Dierk Borstel, der ein knappes Jahr in die Provinz zog, um seinem Untersuchungsgegenstand möglichst nahe zu sein, und der nach dreijähriger Lehrtätigkeit an der Greifswalder Universität inzwischen im von Wilhelm Heitmeyer geführten interdisziplinären Zentrum für Konflikt- und Gewaltforschung (Universität Bielefeld) angekommen ist, beobachtete, wie die NPD bestimmte Begrifflichkeiten aufgriff und Leerstellen der etablierten Parten zu besetzen verstand. Er diagnostizierte Teilen der ansässigen Bevölkerung im Interview eine „Enttäuschung über realexistierende Demokratie„.

Der Film führt uns weiter nach Wolgast, wo ein Bürgermeister schon vor Jahren gegen den Rechtsruck seines Städtchens in Stellung gegangen ist. In der knapp 400 Einwohner zählenden Gemeinde Bargischow sprechen besorgte Eltern über eine rechte Jugendkultur, die mittlerweile den ganzen Ort erfasst hat. „Wenn das Leben still steht, wird Demokratie zur Parole“. „Reportage: „Da ist man lieber still““ weiterlesen

Panorama-Porträt über Kinderfeste, Bratwürste und die NPD in Greifswald

In einem Kommentar zum antifaschistischen Aktionstag in Demmin resümierte das der NPD nahestehende Internetportal MUPinfo am 10. November die Entwicklung der rechten Szene in Mecklenburg-Vorpommern als das Durchlaufen eines „beeindruckenden Transformationsprozesses„, in dessen Verlauf die Rechte sich „zunehmend von ihren subkulturellen Wurzeln emanzipiert“ habe und sich mittlerweile als „einzige ernstzunehmende politische Alternative für die Zukunft“ anböte.

Den beiden erstgenannten Aspekten dieser Einschätzung lässt sich für die Situation in Greifswald grundsätzlich folgen, wenngleich die Veränderungen vielmehr alarmieren als beeindrucken. Die Selbstwahrnehmung als „einzige ernstzunehmende zukunftsfähige Alternative“ ist natürlich hanebüchene Selbstüberschätzung, auf die bei der empfehlenswerten Rostocker Parallaxe korrigierend Bezug genommen wird. „Richtiger müsste es heißen sie hat die Bürgerschreck-Subkultur Naziskinhead gegen die von ihnen bewunderten und gleichsam missverstandenen Stil der Autonomen ausgetauscht hat. Wenn das Personal dabei gleichbleibt, bleibt aber auch der Bürgerschreckcharakter.“

„Meine Kinder gehen zur Schule und ich hass‘ den Staat!“

Stein des Anstoßes war ein vom ebenso empfehlenswerten Blog useless veröffentlichter Beitrag, der auf die Gedenkveranstaltung für den vor zehn Jahren ermordeten Obdachlosen Eckard Rütz aufmerksam machte. Aus den Archiven der ARD-Sendung Panorama wurde hierfür ein fast sechsminütiges Porträt über den Strategiewechsel der Greifswalder NPD gekramt. „Panorama-Porträt über Kinderfeste, Bratwürste und die NPD in Greifswald“ weiterlesen