Vor der heutigen Kreistagssitzung gibt es auch Neuigkeiten von der NPD. Die rechtsextreme Partei reagiert auf die für heute in Greifswald angemeldete Mahnwache vor der Stadthalle und mobilisiert mit einer offiziellen Pressemitteilung ihre Anhänger nach Greifswald.
GEBRAUCH DES NOTWEHRRECHTS, WENN DIE POLIZEI NICHT FÜR ORDNUNG SORGT
Darin fabulieren die Neonazis unter anderem über den Gebrauch des Notwehrrechts. So „sollten möglichst viele Kameraden als Besucher und Zuschauer zu dieser Veranstaltung kommen. Wir versprechen, daß keine Langeweile aufkommen wird. Laßt Euch nicht provozieren! Laßt Euch aber auch keine Straftaten von den Chaoten gefallen. Sollte die Polizei nicht für Ordnung sorgen, werden wir von unserem Notwehrrecht Gebrauch machen müssen.“
Es ist davon auszugehen, dass sich an der angekündigten Demonstration der NPD-Gegnerinnen trotz des ungünstigen Zeitrahmens sehr viele Menschen beteiligen werden. Um noch mehr Menschen zu erreichen und über die Protestaktion zu informieren, wurde inzwischen auch eine Veranstaltung bei Facebook erstellt, über die weitere Freunde eingeladen werden können.
Eine Gruppe aktiver Greifswalderinnen ruft dazu auf, am kommenden Montag die Sitzung des Kreistags mit einer Mahnwache zu begleiten. Mit der Aktion soll gegen die Präsenz von NPD-Mitgliedern im Parlament protestiert werden, die nicht zur Normalität werden darf.
AKTIVER EINSATZ GEGEN RASSISMUS UND GRUPPENBEZOGENE MENSCHENFEINDLICHKEIT WEITERHIN ERFORDERLICH
Unter dem Motto Wir brauchen keine Nazis! wollen die Initiatoren Neonazis aus Greifswald und der Region daran erinnern, dass sie hier nicht willkommen sind, und darauf aufmerksam machen, dass es auch weiterhin erforderlich ist, „sich aktiv und tatkräftig dem Rassismus, Nationalismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenzustellen“.
Mit der Aktion möchte man an den zivilgesellschaftlichen Rückenwind der Menschenkette von Pasewalk bis Viereck anlässlich des Pressefestes der NPD-Zeitung Deutsche Stimme am 11. August anknüpfen, wo fast 2000 Menschen endlich einmal sichtbar und medienbegleitet gegen die NPD protestierten. Auch die Mitglieder des Kreistags Vorpommern-Rügen, die am vergangenen Montag beherzt mehrere Neonazis aus dem Saal drängten, nachdem diese dort für Furore gesorgt hatten, haben die Aktion inspiriert. Werbung
Bei der ersten Greifswalder Kreistagssitzung Anfang Dezember 2011 kam es zu tumultartigen Szenen, nachdem anwesende Neonazis und Kreistagsabgeordnete der NPD mehrere Demonstranten angriffen, die während der Sitzung ein Transparent entrollten und dem NPD-Abgeordneten Michael Andrejewski, einem der geistigen Brandstifter von Rostock Lichtenhagen, das Wort wegzupfeifen versuchten (mehr dazu im Beitrag Nazi-Angriff im Kreistag: “Wenn du nicht zur Seite gehst, fliegst du!”).
Bei der geplanten Aktion am kommenden Montag wird es allerdings ruhiger zugehen. Die Mahnwache wird die Kreistagssitzung draußen auf der Treppe begleiten und bis etwa 16 Uhr andauern.
(Foto: Gruene HGW-Vorpommern, 12/2011)
Fakten: 10.09. | 14.30 – 16 Uhr | vor der Stadthalle
Greifswald ist derzeit ganz auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz gebürstet. Seit Wochenbeginn finden die Aktionstage für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung statt, die gemeinsam vom städtischen Klimaschutzbündnis, dem Krupp-Kolleg und der Akademie für Nachhaltige Entwicklung Mecklenburg-Vorpommern organisiert werden. Entsprechend vielseitig sind die Veranstaltungen konzipiert.
Neben einigen wissenschaftlichen Podiumsgesprächen und Vorträgen wird es aber auch um dezidiert kommunalpolitische Belange gehen, zum Beispiel, wenn die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zur geplanten Radstation am Bahnhof präsentiert werden. Eine Klimamesse in der Stadthalle wird Industrie und Wirtschaft ins Programm miteinbeziehen.
An den Klimaaktionstagen beteiligen sich aber auch noch andere Strukturen, zum Beispiel die Grüne Hochschulgruppe, die ihrerseits eine Nachhaltigkeitswoche ausruft. Bis Freitag informiert sie täglich in der Mensa über Ökostrom, politisch korrekte Banken, bewussten Konsum, über die Umwelt AG der Uni und die Bio Mensa AG. Außerdem erweitert sie das Angebot der Aktionstage um mehrere Filmvorführungen und Workshops, die unter anderem in der Kabutze stattfinden.
Bis zum Wochenende finden noch über 20 Veranstaltungen im Rahmen der Aktionstage statt, deren Einzelauflistung hier den Rahmen sprengen würde. Die Vielseitigkeit des Programms deckt viele Themen und Formate zwischen umweltaffiner Familienbespaßung, DIY-Workshop und Fachvortrag ab. Wer aufmerksam ist, wird sich eines Programmhefts bemächtigen, das natürlich auf Recycling-Papier gedruckt wurde. In mühevoller Kleinarbeit lässt sich aber auch aus dem Netz ein Überblick herausschälen:
Da lacht das Herz der Lokalpatriotin, denn der mittlerweile 43 Jahre alte Kult- und Musikfilm Heißer Sommer (DEFA, 1968) wurde nicht nur in Berlin, Leipzig und auf Rügen, sondern auch in Wieck gedreht. Der Film ist noch nicht richtig in Fahrt, da wird die Wiecker Holzklappbrücke schon zum Schauplatz balzender Auseinandersetzungen.
Zwei Schülergruppen trampen unabhängig voneinander in den Sommerferien an die Ostsee. An der Autobahn kreuzen sich die Wege der elf Leipziger Mädchen und der zehn Jungen aus Karl-Marx-Stadt. Den Wettstreit, wer zuerst sein Ziel erreichen würden, entscheiden die Leipzigerinnen klar für sich, doch an der Ostsee treffen sich beide Gruppen wieder und mühen sich aneinander ab.
Heißer Sommer ist eine Art Jugendfilm und mit über sechs Millionen Zuschauern eine der erfolgreichsten DEFA-Produktionen – prominent besetzt mit den beiden Schlagerstars Frank Schöbel und Chris Doerk. Die Handlung ist ähnlich simpel gestrickt wie die häufig allzu naiven Dialoge. Es wird gesungen und getanzt, geturtelt und umgarnt.
Für eine große Dosis Ostalgie am Wochenende langt es aber allemal und wer genauer hinschaut, kann auch ein paar interessante Entdeckungen machen. Das beginnt bei der Figur des Nerds, den es offensichtlich schon in den sechziger Jahren gab, und hört beim Frauenbild auf – selbstbewusste junge Mädchen mit Kurzhaarfrisuren, die rauchen, trampen und sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen: „Ich tue, was ich will und was ich will, das tue ich„.
Wer bis zum Schluss durchhält, darf sich außerdem auf die Szene freuen, in der Frank Schöbel von seinem Rivalen Prügel bezieht. Wer dann noch immer nach der großen Frage sucht, die aus diesem Film spricht, der wird vielleicht über das Verhältnis von Kollektiv und Individuum sinnieren, bis das schmissige Titelstück wieder weitertreibt.
Frank Schöbel und Chris Doerk werden am 7. April in der Greifswalder Stadthalle auftreten, für diesen Abend werden auch die alten Hits des Kultfilms angekündigt.
Fakten: 07.04. | 19.30 | Stadthalle | ab 28,50 EUR
Das Bild des imaginierten Mobs, der zornig und zugleich hilflos Fackeln und Forken in die Höhe streckt, wurde jetzt schon mehrfach verwendet, um eine Atmosphäre, einen Gefühlscocktail, zu beschreiben, der in der jüngeren Greifswalder Vergangenheit immer dann angerührt wurde, wenn identitäre Stellungskriege geführt werden, wie zum Beispiel bei der Debatte um den Namenspatron der örtlichen Universität, Ernst-Moritz-Arndt, oder bei der Kontroverse um das atomare Endlager Lubmin.
Scheiterhaufen statt Schmelztigel
Bislang fanden die aus der verklärenden Besinnung auf tragende Eckpfeiler der eigenen Biographie resultierenden, agressiven Verlautbarungen und entsprechenden Ressentiments in den Leserbriefspalten der Ostsee-Zeitung und in den Pressemitteilungen der CDU Greifswald ihr Zuhause. Jjetzt positioniert sich mit Land & Leute ein weiteres publizistisches Organ und gießt Öl ins Feuer der Anti-Atom-Diskussion. Scheiterhaufen statt Schmelztiegel!
Im editorialen Vorweg! des in Vorpommern erscheinenden Anzeigenblättchens wendet sich Herausgeber Claus Schwarz auch in der aktuellen Ausgabe wie gewohnt an seine Leserinnenschaft und schwadroniert diesmal über den Anti-AKW-Widerstand, der sich jetzt für den kommenden Castor-Transport Mitte Februar warmlaufe.
Die papiergewordene Diffamierung der sich gegen die Atommülltransporte engagierenden, sozial-ökologischen Bewegung zielt dabei wie gewohnt distinktiv auf das Misstrauen gegenüber dem Fremden, auf das Unterscheiden von Innen und Außen, von Ihr und Wir. Wann ist man Greifswalder genug, um sich für hiesige Belange einsetzen zu dürfen und aus dem prekären Status des wahlweise „ideologisch vorbelasteten Wichtigtuer-Studenten“ (Hans-Jürgen Schumacher), des „Westprofessors“ oder der Demonstrantin, die man in anderen Ländern „nackt übers Feld gejagt hätte“ (Leonhard Bienert), entlassen zu werden?
Desinformation und Diffamierung — liegt Rostock jetzt im Wendland?
Claus Schwarz glaubt, dass das Castor-Thema „von ‚AktivistInnen‘ aus dem Wendland und aus Berlin gesteuert“ würde, die „als treibende Kraft hinter den Aktionen“ stünden, und stützt diese Vermutung auf die falsche Behauptung, dass die tatsächlich auf das Rostocker Anti- Atom-Netzwerk (RAN) registrierte Webadresse LubminNixda.de Eigentümer im Wendland hätte. Auch das bundesweite Anti-AKW-Portal ContrAtom sei nicht von hier. Nebenbei bemerkt: Greenpeace und Robin Wood sind es auch nicht.
Die Tatsache, dass zur Auftaktdemonstration des letzten Castor-Widerstands auswärtige Demonstranten gereist sind, verführt Schwarz, der belegfrei auf „regelrechtes Berufsdemonstrantentum“ hinweist, zu der Annahme, „dass die Bürger der Region offensichtlich eine andere Einstellung zum Thema haben“. Weiter verweist auf die vergangene Rolle des Kernkraftwerks als dominierender Arbeitgeber. Wer dort angestellt gewesen sei, könne eine „realistischere Einschätzung der Lage“ vornehmen „als diejenigen, die ihre Aufgabe darin sehen, Katastrophenszenarien zu kultivieren und Ängste zu schüren“.
Er unterstellt den AKW-Gegnern, „wohlfeilen Profit für eigene Interessen zu erhoffen“, allen voran dem Ministerpräsidenten Erwin Sellering, dem es zwar frei stünde, zu demonstrieren, in „diesem speziellen Fall aber vielleicht doch eher ohne Bodyguard und Dienstwagen und ausnahmsweise in der zweiten Reihe“.
Fundierte Diskussion statt politischem Aktivismus
Wer selbst bei der Auftaktveranstaltung zugegen war, hat vielleicht vom Ministerpräsidenten, der sich zu Fuß inmitten des Demonstrationszuges bewegte, Notiz genommen und womöglich auch die hiesigen Sprecher und Rednerinnen der Kundgebung, wie zum Beispiel Nadja Tegtmeier (Anti-Atom-Bündnis), Dr. Hans-Jürgen Abromeit (Bischof der Pommerschen Ev. Kirche), Oskar Gulla (BI Kein-Steinkohlekraftwerk-in-Lubmin) oder Konrad Ott (Professor für Umweltethik/Uni Greifswald), gehört. Abschließend fordert der Schwadroneur, dass „der durchschaubaren Zielen dienende, populistische Aktivismus einer sachlichen, fundierten Diskussion Platz“ machen müsse, die „vor allem von der Bürgern der Region geprägt werden sollte„.
Wo genau diese sachlich fundierte Diskussion stattfinden soll, verrät Schwarz nicht. Am Ende sieht er gar sein eigenes Blatt, bei dem sich übrigens genauso wie bei LubminNixda.de der Ort der presserechtlichen Verantwortung von der Adresse der Domain-Registrierung unterscheidet, als Debattenarena.
Land & Leute: Parteipolitisches Podium und „redaktionelle“ Schmeicheleien für die Anzeigenkunden
Dass diese Wunschvorstellung albtraumhaft wäre, steht außer Frage. Ein kritischer Blick in das Anzeigenblättchen offenbart, wie Land & Leute zwischen parteipolitischem Populismus und anzeigehungrigen Schmeicheleien privatwirtschaftlicher Unternehmen laviert.
In der Jahreswechselausgabe darf zum Beispiel der Greifswalder Oberbürgermeister Arthur König (CDU) in einem Grußwort die eigene Arbeit verklären und behaupten, dass die Stadt „in den vergangenen Jahren solide gewirtschaftet“ hätte. Kein Wort vom Millionengrab Technisches Rathaus – stattdessen ist er voll des Lobes für die wirtschaftlich höchst diskutable Stadthalle und das 60.000 Euro teure Leitbild, das die Prognos AG für die Stadt schrieb.
Die Verzahnung von „redaktionellen“ Anbiederungen an regionale Unternehmen und nebenstehenden, nicht als Werbung gekennzeichneten Anzeigen ebendieser Firmen, macht das Wirtschaftskonzept dieser Publikation noch deutlicher. Exemplarisch seien hier einige Beispiele aus der erwähnten Jahreswechselausgabe angeführt, die aufzeigen sollen, wie kritisch der dort praktizierte Hochleistungsjournalismus aussieht.
Ewig reproduzierter Ausschluss: Ihr vs. wir
Angesichts der Tiefe, mit der das frühere Kernkraftwerk in die Biographien und Identitäten vieler Ansässigen eingeschrieben ist, darf eine sachliche Diskussion über das Thema Atomkraft und radioaktiver Müll ohnehin nicht erwartet werden. Die ewig reproduzierten Ihr-Wir-Grenzziehungen generieren immer wieder Auschlüsse aus den geführten Diskursen und erzeugen eine Atmosphäre mentaler Verschlossenheit und paralysierter Abwehrhaltung, die alles andere als einladend und weltoffen daherkommt.
Der nächste Castor-Transport wird Mitte Februar stattfinden, eine große Demonstration auf dem Greifswalder Marktplatz, für die auch via Facebook mobilisiert wird, ist bereits für den 12. Februar angemeldet worden. Selbstverständlich sind Aktivistinnen von außerhalb gern gesehene Gäste, denen über die eingerichtete Bettenbörse von LubminNixda auch ein Schlafplatz vermittelt werden kann. Wer ortsansässig ist und den Protest mit der Bereitstellung seines Sofas unterstützen möchte, kann sich dort registrieren und auf diese Weise helfen.
*Update* 25.01.2011
Der Herausgeber von Land & Leute hat heute bereits drei E-Mails geschrieben und darin die Verwendung des inzwischen entfernten Redaktionsfotos untersagt und ein durch Vollzitation des Editorials 07/2010 verletztes Urheberrecht moniert. Achtet bitte in euren Kommentaren darauf, was ihr schreibt und ob ihr gegebenenfalls dadurch Rechte Dritter verletzt.
Ich selbst lese die emsigen Versuche von Klaus Schwarz, diese Kritik an seinem Anzeigenblättchen zu stören, als Bestätigung und empfehle, diese aufgebrachte Mühe in die Erstellung redaktioneller Inhalte zu stecken.
Die Grünen laden wieder einmal ein – es soll Tacheles über Greifswald geredet werden. Tachles? Jawohl, man will endlich zur Sache kommen, „da es in der Bürgerschaft nicht geschieht, in der Zeitung nur ansatzweise, und nicht jede(r) sich in der twitternden Welt der Blogs und der Social Media (facebook, StudiVZ, SchülerVZ, XING etc.) tummelt“. „Speakers‘ Corner in der Brasserie Hermann“ weiterlesen →