Für den morgigen Tag steht um 14 Uhr die feierliche Immatrikualtion der neuen Studierenden auf dem Programm. Inzwischen gehört es zur Tradition, dass anschließend vor dem Dom von Universität und Stadt gestiftetes Freibier ausgeschenkt wird.
Die erwarteten Massen sollen dabei fernab von Bier und Dallerei auf mehrere Probleme und Schieflagen, die vor allem Greifswalder Studierende betreffen, aufmerksam gemacht werden. Diesen Eindruck vermittelt zumindest der papierne Aufruf. Ab 15 Uhr wird dazu eingeladen, seinem Unmut über die hiesigen Mietpreise, den Sanierungsstau von Hörsälen und Seminarräumen, die Abschaffung des Freiversuchs und die von der Bahn durchgeführte, schrittweise Abkopplung der Hansestadt, Luft zu machen.
Morgen ist bis zur Clubs United vermutlich die letzte Gelegenheit, um nochmal einen Großteil der neuen Studierenden zu erreichen. Inwieweit sich allerdings diese Inhalte gegenüber einem kostenlosen Bierausschank behaupten können und Leute für die Problematiken sensibilisiert werden, wird erst der morgige Tag zeigen.
Der Aktion darf aber schon vorab attestiert werden, dass sie ein kritisches Gegenstück zu den im Dom vorgetragenen Lobeshymnen auf die Greifswalder Verhältnisse darstellen, deren Kernaussage schon einmal vorweg genommen werden darf: Man weint immer zweimal in Greifswald…
Das gelbe Kasperletheater zeigt nun endlich, was es eigentlich spielt – Monopoly! Nein, das ist kein schlechter Scherz, sondern Realität. Man einigt sich (untereinander) auf die Regeln, genießt den Wein, schmiedet Seilschaften und errichtet übermächtige, vom Kapital getriebene Monopole.
Ein kurzer Blick auf unsere Welt spiegelt dieses „Partyspiel“ des liberalen Nachwuchses erschreckend genau wieder. In letzter Konsequenz kann es dann nur noch ein Spiel geben – Risiko! Als Spiegel unserer Welt kann das also nur Krieg bedeuten. Vielen Dank für diesen kleinen Einblick in die Abgründe und Motivationen liberaler Emporkömmlinge anno 2010:
In den vergangenen Tagen wurde das zehnjährige Jubiläum des Bildungsloggers Lovis mit einer Vielzahl kleinerer Veranstaltungen gefeiert, heute Abend wird nun im Museumshafen das Finale dieser vergnüglichen Woche eingeläutet werden.
Um 17 Uhr beginnt das Werftfest mit einem Sektempfang und einem Rückblick auf die vergangenen Jahre. Zwei Stunden später ist eine Bootsfrauenperformance angekündigt, nach deren Ende das vielköpfige Kleinkunstpunk-Projekt Revolte Springen auftreten wird. Die Gruppierung aus Berlin ist nicht zuletzt durch ihr prominentes Mitglied Yörg (Quetschenpaua, Tod- und Mordschlag) bekannt, dessen Songs es vermutlich auf etliche Mixtapes junger Linker geschafft haben. Nach den AgitProp-Performern geht es schließlich mit einer der beiden Turntabletanten weiter, dem Morgen entgegen.
Die Feierlichkeiten, also das komplette Programm seit dem Nachmittag, schlagen nicht mit einem Eintritt zu Buche, um lukullische Büffetbeiträge wird aber gebeten. Getränke sollen auf Spendenbasis ausgeschenkt werden. Bleibt nur zu hoffen, dass die Organisatoren und Veranstalterinnen genau wissen, was heute Abend auf sie zu kommt, denn bekanntlich sind die Dockparties sehr gut besucht und es wäre wirklich schade, wenn die Biervorräte aufgrund des zu erwartenden Andrangs vorschnell erschöpft wären.
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Wer noch niemals auf einer der Werftparties zugegen war, sollte die Gelegenheit nutzen, denn so maritim wie dort geht es hier eher selten zur Sache.
Die Sommerpause ist vorüber und für das Internationale Kultur- und Wohnprojekt (IKUWO) steht die Herbstsaison ins Haus. Der besten Jahreszeit zum Scheitern wird dort heute Abend entschlossen und erhobenen Hauptes entgegengetreten.
The Beautiful Fall
Unter dem musikalischen Kommando von Lofi Deluxe, dem Kirschberger, HaNNaH und The Basstion geht es quer durch die verschiedenen Genres und Musikdekaden – einmal Rock ’n‘ Roll, Disco, Funk, House, Elektro, Drum ’n‘ Bass und zurück bitte und das Ganze ausschließlich auf Vinyl abgespielt, wenn es geht.
Die erste Sause nach der Pause und dann auch noch eintrittsfrei – da ist rechtzeitiges Erscheinen anzuraten, wenn der Abend nicht in einer Warteschleife vor der Tür vergeudet werden soll. Wir sind wieder da!
Manchmal kann man einfach nur noch den Kopf schütteln. Das geht dann von links nach rechts und wieder zurück. Diese Choreographie des Missmuts wiederholt sich einige Male und verebbt dann schließlich; zurück bleiben gerunzelte Stirn und bedrückte Mimik. Von Zeit zu Zeit und bei besonderen Tölpeleien will das Kopfschütteln, das in diesen Situationen eher einem Umherwerfen der Denkzentrale gleicht, partout nicht aufhören.
Liberale holten im politischen Niemandsland zum großen politischen Wurf aus
Dieses Gefühl ist vermutlich allgemein bekannt. Wer sich aber in experimentierfreudiger Nachempfindsamkeit üben möchte, wirft einen kritischen Blick auf diese weltfremde Pressemitteilung der Liberalen Hochschulgruppe aus Greifswald.
Der Vorsitzende Patrick Kaatz resümiert hier den Tag der deutschen Einheit und wie er ihn in Anklam bei einem Demokratiefest verbrachte. Bis hierhin scheint noch alles in Ordnung zu sein, aber dann wird offenbar, dass Kaatz entweder in einer anderen Stadt war oder die Zeichen der Zeit fehldeutete:
„Wir bezogen unseren Stand, eine von der Stadt gestellte Holzbude, zwischen Sozialdemokraten und der Linkspartei. Dort luden wir interessierte Bürger dazu ein, unliebsame Dinge, wie “Linksextremismus” oder “Hartz IV” beim Dosen werfen einfach mal “abzuwerfen”.
Für jeden Teilnehmer gab es anschließend ein Grundgesetz und für die Kleinen dazu noch Malbuch. Schnell sammelte sich eine kleine Traube von Menschen vor unserem Stand und den einen oder anderen Besucher durften wir im Verlauf des Tages häufiger begrüßen.
Außerdem zeigte sich Anklam an diesem Tag von seiner schönsten Seite. Neben strahlenden Sonnenschein blieben auch Besuche von Links- oder Rechtsextremisten größtenteils aus und es blieb für die Beteiligten ein schönes Volksfest.“
Populistisch gegen Populismus
Es gibt in Anklam wohl dringendere Probleme als den „Linksextremismus“ – in diesem Punkt sollte eigentlich ein Konsens bestehen. Und wenn ich schon nichts besseres zu tun habe, als Leibesübungen in Sachen Demokratie zum Rummelplatz-Spektakel zu degenerieren, dann nehme ich doch lieber die Dose mit der Aufschrift Populismus aus der Wurfbahn und sehe zufrieden und reinen Gewissens dabei zu, wie sich die Leute weiter auf Ziele wie Oskar Lafontaine, Kreisgebietsreform oder eben „Linksextremismus“ einschießen.
Die Förderung demokratischer Kultur ist sicher nirgendwo auf der Welt fehl am Platze, erst recht nicht in Anklam. Aber so platten Aktionismus, wie ihn die Liberale Hochschulgruppe hier beschreibt, braucht dort wirklich niemand und bringt die Peenestadt auch nicht weiter. Und die Sache mit dem Malbuch für die Kleinen kennen die Leute dort doch von ihren Kinderfesten, so diese nicht rechtzeitig verboten werden konnten.
Die Stirn ist runzelig, die Mimik bedrückt und mein Blick wandert immerfort von links nach rechts und wieder zurück.
Am 27. Mai sind die Berufungsfristen für die im Oktober 2009 gefällten Freisprüche der drei Cap-Anamur-Mitarbeiter Bierdel, Schmidt und Dschkewitsch abgelaufen und die Urteile damit rechtskräftig. Den drei Angeklagten wurde zu Prozessbeginn 2006 unter anderem „bandenmäßige Schleuserei“ vorgeworfen.
Vorhergegangen ist dem juristischen Schaustück eine dramatische Rettungsaktion im Mittelmeer zwei Jahre zuvor, bei der 37 in Seenot geratenen Flüchtlingen aus Afrika von der Besatzung der Cap Anamur das Leben gerettet wurde. Erst nach dreiwöchigen Auseinandersetzungen mit den Behörden durften die Flüchtlinge an Land gehen, um kurz darauf abgeschoben zu werden. Derweil erhob die italienische Staatsanwaltschaft Anklage gegen Kapitän Schmidt, Vereinsvorsitzenden Elias Bierdel und den Ersten Offizier Vladimir Daschkewitsch.
FREIGESPROCHENER KAPITÄN BEIM JUBILÄUM DER LOVIS
Der nun rechtswirksam freigesprochene Kapitän Schmidt wird morgen Abend in Greifswald Gast eines öffentlichen Gespräches sein. Der Abend findet im Rahmen des zehnjährigen Lovis-Jubiläums statt und fügt sich nahtlos in das Vereinskonzept zwischen Seefahrt, Zivilgesellschaft und Politik ein.
Wer mehr über den Prozess und die Cap Anamur erfahren will, hört sich die zehnminütige Sendung der deutschen Welle an oder führt sich den ZDF-Bericht zum Freispruch vor Augen, in dem nicht nur Bierdel zu Wort kommt, sondern auch die Rettungsaktion auf einer Karte verortet wird.