Mit dem Beginn der Abrissarbeiten an der Betonbrücke über den Ryck wurde die Bahnstrecke von Greifswald nach Ladebow vor eineinhalb Wochen wieder zum Thema. Der Betrieb auf dieser Strecke wurde vor elf Jahren eingestellt. Nachdem 2005 Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG über die Reaktivierung des Gleises erfolglos blieben, kaufte die Stadt ihr den 5,5 Kilometer langen Abschnitt zu einem symbolischen Preis ab. 2009 forderte die Bundesnetzagentur die Stadt dazu auf, das Gleis wieder befahrbar zu machen.
Es gab Zeiten, da war Greifswald einigermaßen an das Streckennetz der Deutschen Bahn angeschlossen. Damals hielt hier auch noch nachts der aus Richtung Berlin kommende Malmö-Express und das Wochenendticket kostete am Schalter nur 15 Mark. Dann wurde das Bahnfahren am Wochenende schrittweise teurer, während die partielle Abkopplung vom bundesdeutschen Gesamtnetz ihren Lauf nahm.
BIS 2014 WIRD AUF 19 STRECKEN GEKÜRZT
Hier soll es aber nicht um das Wochenendticket gehen, für das heutzutage am Schalter nicht weniger als 42 Euro zu berappen sind, sondern um den Winterfahrplan der Deutschen Bahn, der ab dem 9. Dezember in Kraft tritt und insbesondere im ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommerns für noch stärker eingeschränkte Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln sorgen wird. Diesmal fällt den geplanten Einsparungen allerdings nicht der Fern-, sondern der Regionalverkehr zum Opfer, denn die Kürzungen betreffen die Strecken der Bahn-Töchter Usedomer Bäderbahn (UBB) und Ostseeland-Verkehr (OLA).
(Flyer zur Petition)
Gestrichen werden Verbindungen auf den Strecken Peenemünde – Zinnowitz, Heringsdorf – Świnoujście, Neubrandenburg – Pasewalk sowie Pasewalk – Ueckermünde. Außerhalb der Saison werden einige der genannten Strecken nur noch halb so oft befahren werden. Außerdem werden Früh- und Spätverbindungen ersatzlos aus dem Fahrplan entfernt.
Die zuständige Stelle hierfür ist allerdings nicht die Deutsche Bahn, sondern das Verkehrsministerium Mecklenburg-Vorpommern, das die Nahverkehrsverbindungen bei der DB mit zugewiesenen Mitteln des Bundes bestellt und nach gefahrenen Kilometern bezahlt. Dort rechnet man mit Einsparungen in Höhe von 8,5 Millionen Euro durch den gestutzten Fahrplan und begründet die Kürzungen mit klammen Haushalt und schlechter Nachfrage des Angebots.
„BESONDERE ART DER ÖFFENTLICHEN DASEINSFÜRSORGE“
Gegen die Streichung formierte sich inzwischen ein Protestbündnis, das unter anderem aus der DGB-Jugend, den Jusos MV, Solid MV, EVG-Jugend MV, dem Landesjugendring MV und dem BDP MV besteht und eine Petition mit dem Titel Unsere Bahn soll weiterfahren! startete, die bislang allerdings nicht einmal mehr 250 Mal gezeichnet wurde. Dabei sind viele Menschen von den geplanten Kürzungen betroffen: Schülerinnen, Azubis, Studierenden und Arbeitnehmerinnen. Auch der Tourismusbranche wird mit dem neuen Fahrplan kein Gefallen getan.
Das Bündnis fordert das Verkehrsministerium zur Kompromissbereitschaft auf und erwartet anstelle relativer Durchschnittszahlen eine „genaue Zählung der Fahrgäste jedes Zuges“, um sicherzustellen, „dass Verbindungen, die vor allem von Berufspendlern und Schüler_innen genutzt werden, in Stoßzeiten erhalten blieben“. Die ausfallenden Strecken seien kaum durch den Nahverkehr zu ersetzen — Arbeitswege würden unzumutbar lang werden und Azubis ohne Auto hätten große Schwierigkeiten, zu ihrem Arbeitsplatz oder ihrer Berufsschule zu gelangen. In einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern stelle die Bahn „eine ganz besondere Art der öffentlichen Daseinsvorsorge“ dar, weil hier die Arbeitswege häufig ohnehin schon besonders lang sind.
Auch Blogger Daburna kritisiert die Streichungen und warnt vor einem Teufelskreis: „Weniger Angebot, weniger Nutzung, weniger Effizienz, hohe Kosten, mehr Druck zu kürzen und am Ende gibt es noch weniger Angebot.“ Er plädiert stattdessen für „günstigere Tickets, bessere Taktzeiten und Vorfahrt der Schiene im Verkehrsministerium gegenüber anderen Verkehrsprojekten“.
Das Zeichnen der Petition dauert nicht lange und ist selbstverständlich auch anonym möglich. Genaue Angaben über die von den Kürzungen betroffenen Verbindungen und die absurden Alternativvorschläge des Verkehrsministeriums sind in diesem pdf-Dokument (47 KB) einsehbar.
Eigentlich verließ Kevin Neitzel schon vor Monaten die Stadt, aber dennoch tauchen immer wieder neue Fotografien von ihm auf, in denen er besondere Facetten Greifswalds festhält und bewahrt. Eines dieser Bilder entstand im Rücken der Fleischervorstadt, wo die Gleisanlagen zu einer apokalyptischen Szenerie aufeinandergeschichtet wurden. Bonjour Tristesse!
Am Montag teilte die Stadtverwaltung via Pressemitteilung mit, dass auf greifswald.de ein kostenloses Pendlernetzwerk eingerichtet worden sei, von dem vor allem Berufstätige und Studierende profitieren würden. Die über das Internet arrangierte Gemeinschaftsfahrt würde Kosten sparen und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Ob dieses Angebot in dieser Form erfolgreich sein wird, darf bezweifelt werden, denn die Attraktivität von Mitfahrzentralen wird wesentlich durch die Anzahl der Nutzenden bestimmt – wo keine Mitfahrten angeboten werden, steigt man auch nicht ein beziehungsweise schnell wieder aus. Eine eigene Mitfahrerplattform auf der Internetseite Greifswalds – die schon jetzt unübersichtlich und gestaltungsverdrossen daherkommt, statt durch schnelle Informationswege und zuverlässig arbeitende Suchfunktionen zu beeindrucken – erscheint angesichts des beschriebenen Nachfragedrucks wenig sinnvoll.
Ratsamer ist es, hierfür auf ein vorhandenes Netzwerk zurückzugreifen. So wurde mit der Greifswalder Internetseite auch verfahren: Über einen Link auf der Startseite werden Reisewütige auf eine Unterseite geleitet, wo die Dateneingabe des Anbieters Drive2Day ins lebensbejahende Layout von greifswald.de eingebettet wurde. Dumm nur, dass dieses Portal zumindest in dieser Region kaum genutzt wird.
Drive2Day — Don’t drive away
Ein kurzer Test betätigt diesen Verdacht: Wer beispielsweise am Freitag nach Berlin fahren möchte, findet über greifswald.de beziehungsweise Drive2Day exakt ein Angebot. Für den Rückweg am Sonntag sieht es noch magerer aus. Beim Branchenprimus mitfahrgelegenheit.de gibt es für die am Wochenende vielfrequentierte Strecke dagegen immerhin 32 verschiedene Inserate, mit denen nach kostensparender Begleitung auf dem Weg nach Berlin gesucht wird. Zusätzlich wirbt dort sogar die Bahn mit zwei Einträgen um die knauserigen Kundinnen.
Die Planung ihrer Rückreise haben bis heute schon 22 Nutzer begonnen, die auf dem Portal einen Platz im Auto offerieren oder den gemeinsamen Kauf des Wochenendtickets organisieren. Das ist im Fall des Gemeinschaftstickets auch bitternötig, denn die Lizenz zur finanzierbaren Bahnfahrt ist effektiv inzwischen mehr als viermal so teuer wie bei ihrer Einführung vor sechzehn Jahren, als man mit diesem Fahrschein noch tatsächlich das ganze Wochenende auskosten durfte.
Zurück zur Greifswalder Website, wo man sich ganz offensichtlich für das falsche Portal entschieden hat. Denn auch mitfahrgelegenheit.de bietet die Möglichkeit der Einbettung in die eigene Website und binnen kurzer Zeit würde sich hier ein Angebot zurechtklicken lassen, das zwar immer noch nicht schön ist, aber zumindest überhaupt Einträge vorzuweisen hätte. Wie das aussehen könnte, ist in der Bilderstrecke oder aber auch beim Online City Guide Würzburg ansehbar.
Wer nirgendwo mehr ein Plätzchen findet, hat vielleicht noch im früheren Uni-Forum Ryckwaerts Glück und kommt irgendwo unter. Oder fast noch besser: einfach mal hierbleiben!
*Update* 08.04.2013
Vor einer guten Woche hat der Marktführer Mitfahrgelegenheit.de begonnen, Gebühren auf seine Dienstleistungen zu erheben und damit für Bewegung in der Branche gesorgt. Zahlreiche Mitglieder haben dem Portal inzwischen den Rücken gekehrt und wenden sich anderen Plattformen zu. Mehr über die neuen Gebühren und die Alternativen hier:
Mitfahrgelegenheit.de führt Gebühren ein und macht die Rudelfahrten teurer (Fleischervorstadt-Blog, 03.04.2013)
Vor etwa zweieinhalb Stunden rollte der Castor auf dem Weg in das Zwischenlager Lubmin durch Greifswald, vorbei an den wütenden Blicken und Buhrufen mehrerer Dutzend Demonstrantinnen und bewacht von einem im Verhältnis zu den vorherigen Tagen relativ überschaubaren Polizeiaufgebot.
Beim Versuch, auf die Gleise zu gelangen, wurden mehrere Atomgegner von Polizisten angegriffen, die Konsequenz und die Bereitschaft zu hartem Durchgreifen demonstrierten, sich ansonsten aber ruhig verhielten. Der Castor-Transport wurde heute durch mehrere zum Teil sehr erfolgreiche Blockaden von Greenpeace und Robin Wood verzögert.
Die aktuellesten Information wie zum Beispiel das Aufwärm- und Volksküchenangebot in der Werft oder Verkehrshinweise für Protestler, stellt im Minutentakt der Castorticker bereit.
Für den morgigen Tag steht um 14 Uhr die feierliche Immatrikualtion der neuen Studierenden auf dem Programm. Inzwischen gehört es zur Tradition, dass anschließend vor dem Dom von Universität und Stadt gestiftetes Freibier ausgeschenkt wird.
Die erwarteten Massen sollen dabei fernab von Bier und Dallerei auf mehrere Probleme und Schieflagen, die vor allem Greifswalder Studierende betreffen, aufmerksam gemacht werden. Diesen Eindruck vermittelt zumindest der papierne Aufruf. Ab 15 Uhr wird dazu eingeladen, seinem Unmut über die hiesigen Mietpreise, den Sanierungsstau von Hörsälen und Seminarräumen, die Abschaffung des Freiversuchs und die von der Bahn durchgeführte, schrittweise Abkopplung der Hansestadt, Luft zu machen.
Morgen ist bis zur Clubs United vermutlich die letzte Gelegenheit, um nochmal einen Großteil der neuen Studierenden zu erreichen. Inwieweit sich allerdings diese Inhalte gegenüber einem kostenlosen Bierausschank behaupten können und Leute für die Problematiken sensibilisiert werden, wird erst der morgige Tag zeigen.
Der Aktion darf aber schon vorab attestiert werden, dass sie ein kritisches Gegenstück zu den im Dom vorgetragenen Lobeshymnen auf die Greifswalder Verhältnisse darstellen, deren Kernaussage schon einmal vorweg genommen werden darf: Man weint immer zweimal in Greifswald…