Vernissagen: Die Fauna der Nacht & Der Wiesenakt

Am kommenden Wochenende werden hierorts zwei Ausstellungseröffnungen gefeiert und den sonnabendlichen Nachmittag bereichern.

Fabelhafte Tier-Mensch-Montagen

In der Stadtbibliothek werden Fotomontagen von Detlef Witt, der als freiberuflicher Kunsthistoriker in Greifswald lebt, gezeigt:  Fabelhafte Tier-Mensch-Hybride, deren Produktion in zwei Fällen eine Zusammenarbeit mit dem Präparator des Zoologischen Museums der Uni vorausging. Daneben lichtete Witt auch lebendige Tiere ab und fügte sie mit seinen Portraits symbiotisch zusammen:

„Es sind Elfen und Drachenkinder, Katzenfrauen und Werwölfe. Ein Mann und eine Frau verwandeln sich nachts in tierische Wesen. Die Phantasie gebiert spielerisch märchenhafte Kreaturen. Die Wesen könnten phantastischen Büchern entsprungen sein, in Märchen und Sagen wimmelt es von zauberhaften Verwandlungen. Der Titel Fauna der Nacht spielt auch auf die Nachtstücke E.T.A. Hoffmanns an. Die Bilder verstehen sich nicht als Illustrationen zur Literatur, aber sie liebäugeln mit phantastischen Gestalten in den Werken Hoffmanns oder Bulgakows.

Fauna der Nacht wird bis zum 23. April in der Stadtbibliothek ausgestellt. Die Eröffnung wird von Claudia Otto an der Querflöte begleitet, Laudatorin ist Mechthilde Homberg.

Fakten: 05.03. | 13.30 Uhr | Stadtbibliothek

Der Wiesenakt Nadine

Im Anschluss an die Eröffnung in der Stadtbibliothek geht es in der Wiesenstraße etwas intimer weiter. Dort präsentiert eine Art – auf Akte geeichter – Zeichenzirkel seine Arbeitsproben. Die Ausstellung nadine. der wiesenakt. versammelt Werke von Mirjam Marcuse, Toralf Zumpe, Daniel Bott, Ulrike Freiberg, Holger Schultze, Konstanze Kühl und Detlef Witt.

wiesenakt ausstellung 2011Hier verspricht die Atmosphäre etwas mehr Ausgelassenheit, denn neben den standesüblichen Kulinaria ist auch eine Band im Gespräch.

Die Zeichnungen sind bis zum 14. April im Erdgeschoss der Wiesenstraße 67 beheimatet. Die Ausstellung ist dort jeweils montags von 11-19 Uhr geöffnet.

Fakten: 05.03. | 15.30 | Wiesenstr. 67 (Parterre)

Die Alte Chemie: Ein Nachruf

Ein Gastbeitrag von Vincent Stoa

Als ich Ende November letzten Jahres die Berichte über die polizeiliche Ermittlung zum Großbrand in der Alten Chemie las, fühlte ich mich seltsam beklommen – als wären Fremde für eine Hausdurchsuchung in meine Wohnung eingedrungen, als hätten sie meine Habseligkeiten durchgekramt, zerwühlt, besudelt. Nachdem das Institut über ein Jahr lang schon fast ein Zuhause für mich war, fühlte ich mich plötzlich obdachlos.

Kontaminierte Traumfetzen

Wir lernten uns vor ziemlich genau zwei Jahren an einem verlotterten Tag in den Semesterferien kennen. Sie war seit drei Jahren, als sie von der kleinen Glasbläserei im Erdgeschoss verlassen wurde, Single. Vom Alleinsein gekennzeichnet: Verwahrlost, staubig, und ziemlich übel riechend.

Zusammen mit einem Freund nahm ich mich ihrer an: Mit Taschenlampe und Klemmbrett bewaffnet, streiften wir durch die gut zweihundert Zimmer (vorwiegend Labore und Büroräume, zu großen Teilen immer noch möbliert), lüfteten, wo es nötig war, und kartografierten das riesige, labyrinthhafte Gebäude Flügel für Flügel, Etage für Etage. Mein kleiner toter Garten. Reagenzgläser, Lehrposter, eingelegte Tiere. Wir fuhren beim leisesten Knacken zusammen, erschreckten uns ständig vor dem Geräusch unserer eigenen Schritte. Noch heute spielt die Hälfte meiner Träume in den Gemäuern der alten Chemie.

Alte Chemie Greifswald

Für uns war es nicht nur einfach ein leerstehendes Unigebäude: Es war eine überdachte Geisterstadt, ein mehrstöckiges Kuriositätenkabinett, ein kafkaesker Albtraum. Hier hätten ohne Weiteres der eine oder andere David-Lynch-Film oder auch Fight Club gedreht werden können.

Anders als die Uni behauptete, war das Gebäude übrigens (zumindest anfangs) keineswegs vom Stromnetz genommen. Die Steckdosen funktionierten ausnahmslos, im Institutsfahrstuhl brannte gar rund um die Uhr das Licht. Sogar fließend Wasser gab es, in dem Villenflügel des Gebäudes gar ein komplett eingerichtetes Schlafzimmer: Das Institut wäre als Wohnung durchaus geeignet gewesen – vorausgesetzt, man hätte sich mit der bedrückenden, morbiden Atmosphäre arrangieren können.

Picknick im Zenit der Postmoderne

Viele Monate lang war das Institut unser Ein und Alles. Wir nahmen nichts mit, wir beschädigten nichts, aber wir gestalteten unser neues Zuhause nach Herzenslust. Aus den vielen herrenlosen Schrankwänden bauten wir ein Labyrinth. Wir richteten ein gemütliches Wohnzimmer ein, bastelten absurde Skulpturen aus altem Laborzubehör, stöberten in den immensen Beständen an Büchern, biologischen Modellen und eingelegten Tieren. Wir machten Fotos und gaben Freunden Führungen. Zu Ostern nutzten wir die riesigen Laborräume als Versteck für Osternester.

Im Dezember 2009, fast ein Jahr vor dem Brand, luden wir zu einem vorweihnachtlichen Picknick in das inzwischen bitterkalte Institut ein. Forellenfriedhof überlaut nannten wir den Abend, in Anlehnung an ein dadaistisches Gedicht. Ein vornehm gekleideter Herr mit Zylinder fragte die Gäste nach dem Passwort – Fidelio – und geleitete sie sodann in den festlich geschmückten Salon. Ein mitgebrachter Backgrill sorgte für ein Minimum an Wärme. Man trank Wein, las sich gegenseitig Gedichte vor, spielte Gitarre, tanzte, aß, irrte durch das Labyrinth. „Die Alte Chemie: Ein Nachruf“ weiterlesen

Rückblick: Polenmarkt im Splitscreen

Theda Schillmoeller lässt den knapp drei Monate zurückliegenden Polenmarkt Revue passieren und präsentiert eine filmische Zusammenfassung des Spektakels, dass prägend war für den Greifswalder November – zumindest aus (sub)kultureller Sicht.

In Splitscreen-Ästhetik, die Freundinnen der amerikanischen Fernsehserie 24 einen wohligen Schauer verpassen dürfte, geht es nochmal Abend für Abend durch das Programm. Den Soundtrack zu dieser Erinnerungsreise liefert die Band Małe Instrumenty mit der Interpretation eines Stückes von Julian Józef Antonisz. Die virtuosen Kleininstrumentalisten waren damals auch vor Ort und wussten im IKUWO zu begeistern.

Polenmarkt 2009

Der Film unterscheidet sich deutlich vom Beitrag des NDR, hat fast alle Veranstaltungen festgehalten und offeriert eine weitere Präsentationsform. Prädikat: gelungen!

Bildergalerien existieren vom Abend mit den drei Punkbands Narkolepsja, Dead Yuppies und Tesla Cessna, sowie von der energetischen Indian-Ambient-Dancehall-Show mit Masala.

Festgehalten: Edukation zum Mitbeben!

Am vergangenen Wochenende stand mit der Jenaer Band Feindrehstar eine ungewöhnliche Besetzung auf der Bühne.

Neben Schlagzeug, Bass und Rhodes wurde die Instrumentierung durch Percussion, einen zweiköpfigen Bläsersatz und einen mit Sampler und Kaos-Pad bewaffneten Vinyl-DJ komplettiert.

Dann beginnt ein musikalischer Genre-Marathon, in dessen Verlauf nach kurzen Worldbeatausflügen nicht nur in regelrecht jazzige Gefilde abgehoben, sondern vor allem ausdauernd und durch monoton-technoide Sequenzen der Brückenschlag zwischen Live-Konzert und Elektro-Party vollzogen wird. Edukation zum Mitbeben!

Feindrehstar sind auch in der virtuellen Musikgemeinschaft unterwegs und haben dort zwei Livemitschnitte veröffentlicht, die dort hörbar sind auch zum kostenlosen Download angeboten werden. Das aktuelle Album heißt Vulgarian Knights.

Film: „Sin Nombre“ – Transitmigration durch Mexiko

Die Greifswalder Gruppe von Amnesty International widmet sich dieser Tage den Flüchtlingen, die unter gefährlichen Bedingungen gen USA aufbrechen, um ein neues Leben zu beginnen.

Seit dem 10. Janur beheimatet die Volkshochschule die Wanderausstellung Unsichtbare Opfer – Migrantinnen und Migranten auf ihrem Weg durch Mexiko. Hier werden Fotografien über Transitmigration durch Mexico gezeigt. Die Ausstellung knüpft an eine im April 2010 in Mexiko-Stadt gestartete Amnesty-Kampagne an und macht das Schicksal tausender Flüchtlinge sichtbar.

unsichtbare opfer hauke lorenz(Foto: AI/Hauke Lorenz)

Am 13. Januar wird im Rahmen dieser Ausstellung der preisgekrönte Film Sin Nombre (2009, MX/USA, 96min) gezeigt werden. Er handelt vom mexikanischen Gangmitglied El Caspar, der sein kriminielles Milieu und seine Heimat verlassen will. „Film: „Sin Nombre“ – Transitmigration durch Mexiko“ weiterlesen