Herrentag revisited

Da sich jährlich zu Christi Himmelfahrt, dem sogenannten Herrentag, das gleiche Prozedere wiederholt, sollte es sich mit den dazu passenden Artikeln ähnlich verhalten. Eine wärmstens empfohlene Leseempfehlung zu diesem testosteronen Spektakel aus dem Vorjahr:

Am Herrentag haut man sich den Bauch mit Bier voll und den Kumpels mit der Pranke auf die Schulter. Kalle, Fiete, Bernd und Torben fahren ziellos durch die Landschaft, während ihre Gattinnen schon mal die Kaffeetafel herrichten. Den Grill schmeißen die Herren Bratmaxen natürlich selbst an. Und nimm das Gemüse von meinem Grill du Sau! Ich fress’ nur Totgemachtes!

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herrentag

Familien, Feste und Verdrängung: Uta Koschel inszeniert „Das Fest“ am Theater Vorpommern

Ein Theaterbericht von Ferdinand Fantastilius

kolumne 17vierSchon vor dem Fest herrscht etwas Katerstimmung… Ein wenig ermattet, aber auch zufrieden über die Fertigstellung wirkt das Team kurz vor der Premiere… Fest gemacht und losgeworden…

Mit endlos ähnlichen Wortwurstwolken könnte man als Rezensent einsteigen.

Die Verlockung, die prekäre Situation des scheidenden Altensembles am Theater Vorpommern mit seiner letzten gemeinsamen Großinszenierung „Das Fest“ zusammenzujauchen, ist einfach zu groß. Jedoch, man merkt es den drei zum Gespräch Geladenen an: sie scheinen es langsam leid zu sein, auf elends und ewig zum Intendantenwechsel und den Nichtverlängerungen befragt zu werden. In jedem Fall ist es für sie, zwischen den Stühlen stehend, kein Einfaches, über ihren zukünftigen Nicht-Chef Worte zu verlieren, die als kompromittierend oder gar wehleidig ausgelegt zu werden drohen.

PROMOTIONSPROFIS IN DER PROVINZ

Die journalistische Zunft ist bekannthin ja immerstets auf der Suche nach knalligen Aufhängern, emotionalen Türöffnern und punchigen Headlines. Unten den speckigen Berichterstatterjacken kocht sie, die Lust an der Landung eines  publizistischen Riesencoups. In den luziden Träumen eines jeden Journalisten rauscht es wild im Blätterwald.

Stattdessen jedoch: müdes Zettelrascheln fahler Reporter auf der Pressekonferenz. Die anwesenden Presseinfo-Umformulierer sind angetreten, um die letzten Fakten für ihre Setzkastenartikel zu sammeln, klickern fahrig mit Kulis in ihren Schreibtischschreiberlingspranken, bevor die Fest-Macher (punch!) im Raum erscheinen um von – nach Zusammenjauchung jiepernden – Journalisten mit „Ja, erzählt doch mal, wie war das so“-Fragen beworfen zu werden.

Das Fest Inszenierung Uta Koschel Szenenbild

Am runden Tisch im Dachbüro haben sich die Regisseurin Uta Koschel, die leitende Dramaturgin Catrin Darr und der Schauspieler Hannes Rittig eingefunden. Die Regisseurin, ein sanftes, in Augenringe und hennarotes Haar getauchtes Wesen, spricht mit sonorer Stimme und valiumhafter Gelassenheit über ihre letzte Inszenierung als Gastregisseurin am Theater Vorpommern. Von 1996 bis 2003 war sie sieben Jahre fest am Haus. Über das Schauspiel kam sie letztlich zur Regie. Zahlreiche Stücke hat sie bereits inszeniert. „Familien, Feste und Verdrängung: Uta Koschel inszeniert „Das Fest“ am Theater Vorpommern“ weiterlesen

Kunstschnee, Schlagerschranz und Sittensiechtum: Weihnachtsmarkt in der Innenstadt

Eine Kolumne von Ferdinand Fantastilius

PROLOG

kolumne 17vierIm Schnee hatten wir uns verlaufen und sangen gegen den Wind. „Wenn es so kalt ist, kann man keinen Schneemann bauen“, stellt irgendwer fröhlich fest und wirft sich zum Adlermachen hin. Heitere Leute schenken Glühwein aus und bunte, dreifach gewickelte Grobstrick-Schals wehen den Schlittschuhlaufenden auf dem Ententeich hinterher. Auch die Hunde freuen sich unterwegs zu sein und schauen ihrem dampfenden Atem nach. Wie er übers Land fliegt, das so unbekannt weiß jetzt plötzlich war.

Ein Angestellter in mittlerer Position räumt sein Büro für die Zeit zwischen den Jahren auf. Er würde gern einen Hut zum Trenchcoat tragen, wie Dick Tracy. Die fröhlichen Lachsalven der Lampionumzüge ziehen übers Land. Letzte Ladungen erreichen den Hafen, Lastwagen werden gelöscht. Als parallaktisch verrauschtes Zeitlupenscreening zieht Landschaft als Bildwirbel am Fenster entlang. Driving home for Christmas.

SÜßER DIE GLOCKEN NIE KLINGEN

So etwas und anderes schleicht einem ins Hirn, denkt man an vorweihnachtliche Besinnlichkeit in Filmreife. Schulchöre, Sternsinger, duftene Plätzchen; Charles Dickens, TV-Mehrteiler und Verdauungsschnäpse. Die Welt vermummt im Schnee. Im Dezember sind wir alle kleine Lords, blonde Mini-Milchgesichter im Rüschenhemd unterm Weihnachtsbaum.

weihnachtsmann weihnachtsmarkt(Foto: 17vier)

Die Realität sieht etwas anders aus: Endlich Weihnachten, endlich Zeit für Besinnungslosigkeit! Das ganze Jahr geschuftet, malocht und couchkartoffelt, da geht es jetzt — am Jahresende — nochmal richtig in die Vollen.

HOPPENSTEDTS UND HALLIGALLI

Es riecht nach Bratapfel, Zimt und den Magengeschwüren der eilig an einem vorbeihetzenden Weihnachtseinkäufler. In der Dompassage stolpern die Menschen mit Papiertüten bebeutelt die Rolltreppen rauf und runter. Mittendrin Sheriff Shopping-Mall und sein Chef-Schlüsselbund. Der Kaufhaus-Buddha mit dem Schnauzer. „Kunstschnee, Schlagerschranz und Sittensiechtum: Weihnachtsmarkt in der Innenstadt“ weiterlesen

„Die Tiere sind unruhig“ – Von Greenhorns und Flamingos: Erstsemesterschwemme im Herbstregen

Eine Kolumne von Ferdinand Fantastilius

kolumne 17vierJedes Semester der gleiche Spaß: die Neuen kommen! Rund 2250 Alma-Mater-Newbies hat es zum Herbstbeginn in die Stadt und in ihr neues Leben als Studierende verschlagen. Wie aufgepäppelte Kitze staksen sie, etwas orientierungslos, durch die anfänglichen Wirren des Unialltags. Wo ist Hörsaal haumichtot, wann hat Prof. Dunnebier Sprechstunde, was ist ein HIS und ein WULV, was hat es mit diesem Moodle-Salat auf sich und wann kann ich endlich wieder auf Wochenendurlaub nach Hause?

Manchen Neuankömmling erschlägt die Überschaubarkeit der Stadt anfangs nämlich geradezu; ein Hangeln von Wochenende zu Wochenende ist die Folge. In den Regionalbahnen versammelt sich so allwochenendlich eine muntere Schar aus jungen Bildungspendlern, geselligen Landprolls und Bundis im Delirium.

PARTYS, POINTS UND PROPELLERMÜTZE

Der klassische Ersti stolpert mit entzückender Schleckeis-Niedlichkeit durch die ersten Wochen von Hörsaal zu Hörsaal in freier Wildbahn. Endlich flügge, endlich eine eigene Wohnung, ist das auuufregend alles, und ach, es gibt so viel zu erleben! „„Die Tiere sind unruhig“ – Von Greenhorns und Flamingos: Erstsemesterschwemme im Herbstregen“ weiterlesen

Aber hier kleben – Nein, danke!

Eine Kolumne von Mary Celeste

kolumne 17vierDie Suptras Rostock und der Vorpommern Mob meinen es gut mit Greifswald und Umgebung: Würde ich meinen Tag in Hashtags fassen, würden zweifellos #ostseestadion #allesfuerdenfch und #suptrasrostock zu meinen Top-Tweets gehören. Während des Wartens an einer Ampel oder bei einem Spaziergang über den Schießwall – die Suptras Rostock begleiten mich in Form von Stencils, Tags oder bekrizzelten Postaufklebern auf Schritt und Tritt.

„Ich mag’s, wenn sich die Wut entfacht“

hansa rostockOb stolz dreinblickender Wikinger oder Sprüche wie „Alles für den FCH“, dies scheint mir nicht nur ausgeprägte Nachwuchswerbung zu sein. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass sich dahinter ein ungezügelter Markierungsdrang verbirgt. Die Kombination mit Gewaltexzessen zwischen verfeindeten Fußball-Fans versprüht gleichzeitig auch den strengen Duft einer männlich-heroischen Attitüde.

Die massenhaft verbreiteten kreativen Umsetzungen sprechen ihre eigenen Sprache: Street-Art bis zur bedingungslosen Hingabe für den Rostocker Fußballverein. Alles für den FCH eben.

So rasant, wie die kreativen Kennzeichnungen verstreut wurden, so schnell vergeht mir auch die Lust, mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Vielleicht handelt es sich bei den Klebereien um ein Geltungsbedürfnis, das die Suptras und der Vorpommern Mob befriedigen wollen. Also doch nicht nur Werbung?

„Wenn der Wahnsinn flammend grüßt“

Dafür spricht nicht nur das oben beschriebene Phänomen: Sind es doch auch unter anderem Pyrotechnik und physischer Kampf, über die sich die Suptras, Wolgastä oder der Vorpommern Mob identifizieren. Um dem erhöhtem Drang nach Aufmerksamkeit nachzugeben, kommt es nicht selten zu Eskalationen. Bestes Beispiel dafür ist das Auswärtsspiel gegen Eintracht Frankfurt Mitte September. Hier zeigte sich die volle Kraft der Fan-Unterstützung. Oder zumindest das, was die pyromanischen Ballsportfreunde darunter verstehen. „Aber hier kleben – Nein, danke!“ weiterlesen

Bollerwagen, Bier und Busenkumpels – Zum Herrentag nur das Dollste!

Eine Glosse von Ferdinand Fantastilius

kolumne 17vierEndlich wieder Herrentag. Nachdem die ollen Blagen tags vorher mit Spielzeugmüll und Naschwerk anlässlich ihres Kindertages geehrt wurden, kann Vati heute endlich auch die Sau rauslassen. Es handelt sich hierbei natürlich nicht um ein edles Glücksschweinchen aus Marzipan, sondern um einen haarig-miefigen Krawall-Eber alleroberster Kajüte.

Ein Totentanz auf Testosteron

Auch der kleinste Stiernacken darf sich heute endlich mal behaupten. Auch die schwachen Cliquenglieder – solche, die bei der Kiezpatrouille immer in zweiter Reihe hinterher stolpern – dürfen heute mitspielen, beim Wetteifern um den Allermaskulinsten. Highlife wie in der Bier- und Kräuterbutterwerbung. Heute darf auch der größte Blödmann ein Gourmeggle sein. Draußen im Grünen mal den Sack baumeln lassen, den man sonst so ungelenk durch das eigene Blödmannleben schleift. An allen Ortsecken tobt ein munterer Totentanz auf Testosteron. Blasse Versicherungsvertreter, hemdsärmelige Sportzeitschriftenabonnenten und schmerbäuchige Leitartikelleser, sie alle verwandeln sich an diesem warmen Junitag in geistbefreite, Schnapsgürtel tragende, biervolle Bollerwagen über teerweiche Straßenkreuzungen wuchtende Alltagseskapisten.

herrentag wagen

Die maskuline Selbstbehauptung ist in diesen Tagen der Metrosexualität und zunehmenden Alltagseinflussnahme des weiblichen Geschlechts wahrlich keine leichte. Die ehemals gemütlichen Radfahrten durchs Land werden zu regelrechten Orgien des ritualisierten Mackertums hochgeschraubt. Vermännlichung durch Entmenschlichung. Gleichschaltung durch Besinnungslosigkeit. Heute sind wir alle eins.

Bratmaxen und Bohnerwachs

Am Herrentag haut man sich den Bauch mit Bier voll und den Kumpels mit der Pranke auf die Schulter. Kalle, Fiete, Bernd und Torben fahren ziellos durch die Landschaft, während ihre Gattinnen schon mal die Kaffeetafel herrichten. Den Grill schmeißen die Herren Bratmaxen natürlich selbst an. Und nimm das Gemüse von meinem Grill du Sau! Ich fress‘ nur Totgemachtes! „Bollerwagen, Bier und Busenkumpels – Zum Herrentag nur das Dollste!“ weiterlesen