Stadt macht Atomgegner für Streetart verantwortlich

Stadtverwaltung und Ostsee-Zeitung erklären wieder einmal die Welt. In der heutigen Lehrstunde der OZ-Lokalausgabe geht es um Streetart – illegale Graffiti, wie die urbane Kunstform im Verwaltungssprachgebrauch bezeichnet wird.

streetart faceIm Artikel wird besonders eine Arbeit hervorgehoben, die sich seit einigen Monaten an verschiedenen Plätzen der Innenstadt findet: ein trauriges Antlitz, das sich vor allem durch den mit wenigen Strichen hergestellten Minimalismus von anderen Graffiti abhebt.

Die Ostsee-Zeitung zitiert Andrea Reimann, Pressesprecherin der Stadt: „Wir gehen davon aus, dass dieses Gesicht das Symbol von Atomkraftgegnern ist. Das Motto scheint, Greifswald mit einem tränenden Auge zu sein“ (sic!). Sicher, die in den letzten vier Monaten eingetroffenen Castoren sind ein Grund zur Trauer, aber die Wut darüber und der Protest dagegen finden einen anderen, expliziteren Ausdruck – auch in Gestalt von Streetart.

„Qualität statt Penetranz!“

Die traurigen Gesichter werden unter anderem auf dem Flickr-Account der Greifswalder Streetart-Dokumentaristen daklebtwat diskutiert. Eine Nutzerin moniert, dass es schlichtweg zuviele davon gäbe und fordert: „Qualität statt Penetranz!“. In ähnliche Richtung argumentiert auch ein anderer Kommentator, der es unnötig findet, dass auf dem Markt gleich zwei der Gesichter platziert wurden und fragt: „Was soll die Scheiße?“.

castor-maulwurfAuch wenn im Artikel mit Ulrike Berger eine AKW-Gegnerin zu Wort kommt, die die von der Stadtverwaltung angenommene Urheberschaft für dieses Graffito „für eine abwegige Idee“ hält, „keine Verbindung zu Castorgegnern herstellen“ kann und feststellt, dass diese „eine direktere Sprache“ verwenden, so ist diese Verbindung in den Köpfen der OZ-Leserinnenschaft jetzt erstmal trotzdem konstruiert.

Dabei gibt es in Greifswald neben dem Atomlager Lubmin vieles mehr, was Anlass zu Tränen bietet: Sei es das von einer finanziellen Zurechtstutzung bedrohte Theater, die jährlich sinkenden Kulturförderungen, die Sanierungspolitik der Stadt, die an Kriminalität grenzenden Verwicklungen zwischen Verwaltung und Sanierungsträger oder die systematische Ausbeutung von ALG-II-Bezieherinnen durch die ebenfalls im Artikel erwähnte und unter anderem für die Entfernung von Graffiti eingesetzte Gemeinnützige Gesellschaft für Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung mbH (ABS).

Mit ALG-II-Empfängern gegen Graffiti und Anti-Atom-Plakate

Zwangsmitarbeiter dieser Gesellschaft, deren Gemeinnützigkeit gar nicht häufig genug in Frage gestellt werden kann, waren es auch, die im Dezember 2010 durch die Stadt zogen und Plakate, die zur damaligen ersten großen Anti-Atom-Demonstration aufriefen, entfernen mussten. In einem Fall wurden diese Plakate in den Räumen eines Jugendzentrums abgenommen. Die Zwangsmitarbeiter hätten nach eigener Aussage auf Anweisung des Präventionsrats gehandelt, dort wurde diese Darstellung allerdings dementiert.

streetart hakenkreuzDie traurigen Gesichter erfreuen sich also inzwischen einer breit aufgestellten Gegnerschaft: Von der einen Seite gibt es Kritik wegen des inflationären Umgangs mit dem Motiv und der Unbedachtheit, Streetart an denkmalgeschützten Gebäuden anzubringen. Von Seiten der Stadt wird die Illegalität der gesprühten Kunstwerke betont und eine rasche Entfernung durch dazu gezwungene ALG-II-Empfänger versprochen.

Inzwischen haben sich sogar Greifswalder Neonazis dazu hinreißen lassen, das Motiv zu übersprühen und in gewohnter technischer Unversiertheit dem traurigen Gesicht ein paar Hakenkreuze verpasst. Wer hätte diesem Motiv so viel Polarisierungspotenzial zugetraut?

(Fotos: daklebtwat, Jan Metschorin)

Nächste Woche in Greifswald: Infostände der NPD blockieren! 5x *Update*

Obwohl von bestimmten Kreisen immer wieder versucht wird, die hiesige Rechtsextremismus-Problematik zu relativieren, sind die Neonazis präsent und in der kommenden Woche auch greifbar.

Kein Raum für Nazi-Propaganda!

Die NPD-Landtagsfraktion soll für den 10. November in Greifswald zwei Infostände angemeldet haben. Wie auch im Vorjahr werden die Neonazis sowohl auf dem Fischmarkt als auch am Thälmannring versuchen, ihr menschenverachtendes Propagandamaterial unter die Leute zu bringen. Damit das nicht gelingt, wird es auch am kommenden Mittwoch wieder vonnöten sein, Bürgerinnen und Passanten auf das Gedankengut, dem die rechten Wahlkämpfer anheimgefallen sind, aufmerksam zu machen.

Bei den NPD-Ständen im April und Oktober hat diese Mischung aus Aufklärung und Störung sehr erfolgreich geklappt, zumindest am Fischmarkt. Dieses damals wenige Minuten nach der Aktion am 15. April zusammengeschnittene Video zeugt davon:

Für Enttäuschung sorgte im Vorjahr allein Oberbürgermeister Arthur König (CDU), der sich damals am 28. Oktober PR-bewußt neben dem Rathaus als Bürgermeister der Fahrradhauptstadt Greifswald fotografieren zu lassen, während einige Meter weiter die NPD ihren Infostand betrieb. Hier hätten sich viele ein deutliches und unmissverständlich antifaschistisches Signal des Stadtoberhauptes gewünscht. Farbe bekennen allzu häufig die anderen und aus dem Rathaus kommt bis auf die Koordinatorin des Präventionsrates, Dr. Christine Dembski, zumeist wenig.

Was getan werden kann

Noch ist nicht genau bekannt, wann genau die NPD Position beziehen wird, sicher ist nur, dass dann sehr schnell sehr viele Menschen vor Ort sein sollten, um zu zeigen, dass dieses Ideen hier nicht erwünscht sind. Und dabei ist außerdem zu beachten, dass die Neonazis nicht nur am Fischmarkt, sondern auch in Schönwalde stehen werden.

Wer nicht alle Hände voll Schotter hat, könnte entsprechende Transparente vorbereiten. Auch die Neonazi-Schilder des letzten Jahres haben sich bewährt. Lasst Euch nichts gefallen und seid kreativ!

Für den kommenden Mittwoch heißt die Devise also, Augen und Ohren offen zu halten. Wer twittert oder in sozialen Netzwerken unterwegs ist, kann multiplikatorisch die aktuellen Ereignisse und Standorte weiterverbreiten und so vielleicht noch mehr Leute mobilisieren. Mein vorgeschlagener Hashtag hierfür lautet #nazishgw.

Pack die Winterjacke ein!

Wer sich dann am Mittwoch zu den beiden Schauplätzen begibt, sollte vielleicht die Winterjacke mit Kaputze auftragen, denn beim letzten NPD-Auflauf bekannte sich Oberbürgermeister Artur König zwar nicht zum Widerstand gegen die Neonazis, leistete aber dafür den anwesenden Polizeibeamten Amtshilfe und ließ sie vom Rathaus aus die antifaschistischen Demonstranten fotografieren.

Außerdem ist das rechte Greifswalder Milieu inzwischen etwas differenzierter geworden und es werden sich ganz bestimmt auch die jungen Menschen in das Geschehen mischen, die sich unter dem Label Autonome Nationalisten einigermaßen gut beschreiben lassen. In den letzten Wochen und Monaten waren diese jungen Männer häufig mit von der Partie, undercover und fotografierend, zum Beispiel bei der Senatssitzung über den umstrittenen Namenspatron Ernst Moritz Arndt, bei der ersten Demonstration gegen Stuttgart21 am Greifswalder Bahnhof oder der 24-Stunden-Vorlesung des vergangenen Wochenendes.

Lasst uns auf die Straßen gehen und zeigen, dass Neonazis hier nichts verloren haben und absolut unerwünscht sind! Informiert Freundinnen und Bekannte, haltet euch in Bereitschaft und macht nicht nur am Mittwoch der NPD das Leben schwer!

*Update* 08.11.

Inzwischen sind genauere Zeitangaben für die beiden geplanten Infostände durchgesickert, die als Orientierungshilfe dienen können, aber ohne Gewähr sind.

*Update* 10.11.

Aktuelle Informationen über den Infostand gibt es bei Twitter unter dem Hashtag #nazishgw oder auf diesem Account zu finden.

*Update* 10.11. 12.20 Uhr

Die NPD hat sich bis jetzt nicht auf dem Fischmarkt blicken lassen, dafür aber vier Polizeiwagen. Gerüchten zufolge soll die NPD jetzt in Schönwalde stehen, dort konnten sie aber noch nicht gesichtet werden. Jetzt wurde das NPD-Mobil wieder in der Innenstadt gesehen- die Nazis gehen wohl doch auf den Fischmarkt. Hingehen und stören!

*Update* 10.11. 12.37 Uhr

Die Nazis fahren kreuz und quer durch die Stadt. Jetzt waren sie kurz am Fischmarkt und sind Richtung Bahnhof gefahren. Lest den verlinkten Twitter-Ticker und bleibt am Ball. Nazis wegbassen!

*Update* 10.11. 14.57

So richtig kriegen die Nazis ihre Füße nicht auf den Boden. In den vergangenen zwei Stunden fuhren sie kreuz und quer durch die Stadt, machten zwischenzeitlich sogar am Baumarkt Gützkower Landstraße halt. Ob da heute noch was geht? Für die NPD-Kader dürfte es eine sehr frustrierende Erfahrung gewesen sein. Es ist inzwischen durchgesickert, dass die Stände bis 18 angemeldet seien sollen, Entwarnung kann für heute also erst in drei Stunden gegeben werden.

Der webMoritz twitter indes: PM der Stadt: NPD baut mit Hilfe ihres Wahlkampfmobils illegale Infostände auf. Polizei und Stadt sprechen NPD Platzverweise aus.

Bleibt bitte wachsam. Wenn ihr das bäckereiautoartige NPD-Mobil seht, twittert die Nachricht bitte und nutzt dafür den Hashtag nazishgw.Eine Art Ticker gibt es hier.

Fakten: 10.11. | 10-12 & 13-17 Uhr | Fischmarkt & Schönwaldecenter

Holt die Jeansjacken raus, es ist wieder Präventionstag!

Heute findet der Greifswalder Präventionstag statt und mit ihm einher geht ein Reigen aus Kinder- und Jugendbespaßung „für mehr Toleranz, gegen Gewalt und Kriminalität“. In den vergangenen Jahren fiel insbesondere das Abendprogramm dieser Veranstaltung durch eine eher überraschende Zielgruppe jenseits des vierzigsten Lebensjahres auf.

Bekanntlich steigen ab diesem Alter Gewaltbereitschaft und die Affinität zu kriminellen Handlungen rasant, so dass, um diese Gruppe im Zaum zu halten und Greifswald ein adultes Kriminalitätsproblem zu ersparen, eine Art akzeptierende Erwachsenenarbeit auf den Plan tritt.


Foto: Peter Binder / OZ

Hatten Silly keine Zeit?

Da offensichtlich weder Silly noch Karussel für dieses edukative Top-Event eingekauft werden konnten, wird es heute Abend richtig international und vor allem altbekannt, denn mit der Tributband Mind2Mode dürfen drei Stunden Programm inklusive Kostümwechsel und den größten Hits von U2, Depeche Mode und den Simple Minds erwartet werden: „Holt die Jeansjacken raus, es ist wieder Präventionstag!“ weiterlesen

Der Kampf gegen illegale Graffiti geht weiter

Normalerweise ziehmt es sich nicht, seine Namensvetter anzugreifen. Im Falle des Wahlgreifswalders Stephan Schmidt aus Frankfurt an der Oder kann allerdings beruhigt eine Ausnahme gemacht werden, nicht zuletzt, da ‚Schmidt‘ eher Sammelbezeichnung als Name ist.

Kostenlose Graffiti-Beseitigung

Der Lehramtsstudent schaffte es mit einer wohlgemeinten Initiative reinigenden Übereifers in eine städtische Pressemitteilung und in die Spalten des Nordkuriers. Er schlug dem Präventionsrat der Stadt Greifswald und den hiesigen Stadtwerken vor, illegale Graffiti auf eigene Faust und unentgeltlich zu beseitigen.

Sein Vorstoß fand Anklang und löste bei den Verantwortlichen regelrechte Euphorie aus. So begeisterte sich Frau Dr. Christine Dembski, die schon seit Jahren in einer Dauerfehde mit urbaner Kunst und dem Vandalismus aus der Spraydose gefangen ist, für die Idee:

„In meiner jahrelangen Tätigkeit als Präventionsbeauftragte ist es mir noch nicht oft  passiert, dass jemand freiwillig angeboten hat, fremde Graffiti-Schmierereien zu beseitigen. Ich finde dieses Engagement für ein sauberes Greifswald toll.“

Auch eine Verantwortliche der Stadtwerke meinte, dass man so ein Angebot „gar nicht ausschlagen“ könne. Der Nordkurier zitiert den ambitionierten Stadtbildreiniger, der nach eigener Aussage aus dem Berliner Raum komme, „wo es eine anerkannte Graffiti-Kultur gibt“. So etwas würde Greifswald gut tun. Schmidt selbst will sich nicht nur um die Reinigung der Flächen, sondern auch um deren Neugestaltung kümmern:

Er hegt die Vorstellung, die von ihm gereinigten und mit einem Grundanstrich versehenen Kästen später selbst kunstvoll zu besprayen. Ob er den Zuschlag dafür erhält, ist noch offen. Seitens der Stadt heißt es, man könne sich eine Art Comic-Geschichte vorstellen, deren einzelne Episoden auf den Kästen dargestellt werden. (Neubrandenblog)

(Foto: A.Zecher/Nordkurier)

Was wird hier eigentlich bekämpft?

Eine Art Geschichte, eine Serie? Das erinnert doch sehr stark an die überdimensionierten und in die Höhe gestemmten vier Buchstaben des Rycks, die den Weg zum Hafen verunzieren. In den Artikeln und der Greifswalder Pressemitteilung wird mehr oder minder deutlich suggeriert, dass es um die Sauberkeit der Stadt schlecht bestellt ist, dass jeder Stromkasten durch häßliche Tags verunziert ist. Aber ist das wirklich so? „Der Kampf gegen illegale Graffiti geht weiter“ weiterlesen

Grausame Botschaft an das IKUWO

Entsetzen lag in der Luft, als mehrere Personen am Abend des 30. Vorjahres-Dezembers im IKUWO eine grausige Entdeckung machen mussten. Unmittelbar vor der Eingangstür des Kulturzentrums wurde ein Plastiksack mit einer toten Katze abgelegt.

Botschaften wie im Mafiafilm

Es ist die in Gangsterfilmen tausendfach kolportierte Methode, jemanden zu warnen oder ihn einzuschüchtern. Man platziert übel zugerichtete Körperteile oder eben tote Tiere im möglichst privaten Umfeld desjenigen, dem man etwas ausrichten möchte.

Im Falle der vor dem IKUWO abgelegten Katze wurde dabei besonders grausam vorgegangen. Dem Tier – steif vor Kälte oder Totenstarre – wurde ein Nagel in den Kopf geschlagen und mit ihm ein Aufkleber, dessen Popularität sich an vielen Laternen der Innenstadt ablesen lässt.

Katze IKUWO

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