Die Greifswalder Künstlerin M. Kardinal funzelt wieder und verlässt ihre Gemächer, um im angrenzenden Garten an ihre Schatteninstallation SHIMA anzuknüpfen und zu einer „phantastischen Reise voller Irritationen und Absonderlichkeiten“ einzuladen.
Im Hinterhof des Wohnhauses in der Böhmke-Straße werden am Wochenende utopistische Bildwelten zwischen Buschwerk und Blätterwald entstehen. Da treffen Vertreter der afrikanischen Tierwelt auf wagemutige Astronauten, werden Proportionen ganz im Sinne eines Jonathan Swift verschoben, während im Hintergrund ein Akkordeon über den Knisterbeat hustet. Moon Safari galore!
Begleitet wird die visuelle – von einer Soundcollage flankierte – Performance, vom Videokünstler Christian Sonntag (visual berlin), der gleichsam dem am zweiten Abend auflegenden DJ Mr. Burns ein ehemaliger Bewohner des Hauses inmitten der Fleischervorstadt ist.
„Entstanden ist bei diesem Zusammenspiel der Sinne eine Hommage an den Garten als Stätte von Schöpfung, Wahrheit und Lüge. Als Inszenierung einer geträumten Welt wird dieser Garten dargestellt: er ist ein hortus conclusus.„
Einen ersten Eindruck der Performance vermittelt der eigens produzierte Videotrailer.
Dieses Wochenende bietet Freundinnen elektronischer Musik ein vergleichsweise üppiges und hochwertiges Party-Ensemble, das in bester Umsonst-und-Draußen-Manier erst am Sonntagabend ausklingen wird, wenn in den Credner-Anlagen das Juliimfreien wiederholt wird.
SONNIG: ALLE FARBEN, THORSTEN TECHON & FREDRIK FUNK
Die Veranstaltungsreihe Roter Salon bleibt auf Nomadenkurs und wechselt nach dem Umzug vom TV Club in den Caspar-Keller schon wieder die Location: Die nächste Party findet in der Sonne statt, vor der große Banner sonst den aus Richtung Stralsund kommenden Gästen den Weg zur Ü30-Party weisen.
Neben dem vielleicht zuletzt bei der Fusion gehörten Berliner Alle Farben wird das DJ-Kollaborativ Thorsten Techon & Fredrik Funk angekündigt, das von Malmö bereits erste Grüße nach Greifswald schickte und Gästelistenplätze auslobte.
Nach dem verhältnismäßig früh angesetztem Ende der Party steigt in der Tschaika mit dem Lyricker Project die Afterhour.
Fakten: 08.07. | 23 Uhr | Zur Sonne | 7 EUR
DUNKEL: ADHERENCE VII MIT ERIC CLOUTIER (USA)
Im IKUWO darf derweil das dritte Booking aus New York binnen 6 Wochen verkündet werden. Den Rahmen dafür bietet die siebente Folge der Adherence-Reihe. Hinter dieser Serie stecken die DJs und Produzenten Silvio Marquardt, Sander Bekeschus, Patrick Boltze und Simon Trapp, die versuchen, ihre eigene – als mutig definierte Vorstellung elektronischer Musik – umzusetzen.
„Mit Eric Cloutier spielt in dieser Nacht ein DJ, der diesem Gedanken spielend gerecht wird. Der New Yorker nimmt als Resident eine zentrale Rolle ein in einer der interessantesten Partyreihen auf dem Globus: The Bunker in Brooklyn. Voller Spannung erwarten wir Musik von einem anderen Kontinent, irgendwo zwischen Detroit und Dub Techno — Klänge mit Tiefgang und Seele.“
Auf dem eigentlichen Floor treten Sander Bekeschus, Eric Cloutier und Patrick Boltze nacheinander auf. In den anderen Räumen wird Silvio Marquardt das Programm diktieren.
Der New Yorker, der auf dem Weg von Berlin nach Eindhoven in Greifswald halt macht, versprüht via Facebook schon mal Vorfreude: there could potentially be a big surprise in it for everyone this friday night…
Fakten: 08.07. | 22 Uhr | IKUWO | 5 EUR
FRISCHLUFT: JULI IM FREIEN
Im letzten Jahr wurde unter dem Titel juliimfreien ein Open Air elektronischer Musik in Stadtnähe veranstaltet. Damals feierte man ausgelassen im Museumshafen. Am Sonntag wird die erfolgreiche Veranstaltung wiederholt, diesmal in der Nähe des Tierparks.
Auf den Rasenflächen in den Credner-Anlagen werden dann von 14 bis 22 Uhr die alten Technohasen neben den jungen Hüpfern des Genres grasen und sich gemeinsam des Sommers erfreuen.
Neben dem Brüderpaar Steffen und Silvio Marquardt werden Alex Q, Verschnibbt & Zugenäht, die drehfreude Kruse und Robin Große an das Pult treten und für Tanzbarkeit bei Tageslicht sorgen.
Zur angemeldeten Veranstaltung haben sich bei Facebook bis dato 231 Gäste angekündigt, ab 500 kommt eine Hundertschaft der Polizei dazu.
Da juliimfreien nicht am Hafen stattfindet, ist dort Platz für den Big Jump. Europaweit sollen am Sonntag nämlich tausende Menschen anlässlich des europäischen Flussbadetags um Punkt 15 Uhr in die Fließgewässer ihrer Umgebung springen, um den Tag zu feiern und damit auf den Wert dieser Ökosysteme aufmerksam zu machen.
„Wir stellen vor, wo der Ryck auf seinen 28 Kilometern entlang fließt und zeigen, wie groß das Gebiet ist, das ihn mit Wasser speist. Wir zeigen auch, wie wichtig der Ryck für die Stadt Greifswald, das Umland und für alle Lebewesen im Wasser selbst ist. Eine Grundschulklasse präsentiert Nachbildungen der heimischen Fischarten und die örtliche NABU e.V. Kindergruppe hat Informationsposter dazu erstellt.
Die Universität Greifswald präsentiert sich mit einigen Forschungsergebnissen, z.B. werden alternative Landnutzungskonzepte gezeigt, die auch im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie umsetzbar sind. Verschiedene Umweltverbände stellen anschaulich vor, was die Europäische Wasserrahmenrichtlinie ist und warum ihre Umsetzung nicht mehr länger auf sich warten lassen darf.„
Schirmherr der Greifswalder Aktion ist der Umweltethiker Prof. Dr. Konrad Ott, Schirmgruppe die Greifswalder Band Krach. Nach der aktivistischen Abkühlung kann beim Ruderclub Hilda geduscht werden. Es wird kolportiert, dass die Stadtwerke das Spektakel gesponsort haben und ebenfalls in Sachen Promotion unterwegs sein werden. Angeblich sollen zahlreiche Picknick-Grills bei einem Torwandschießen zu gewinnen sein. Wer also die Zeiten der am Hafen zuviel benutzten Einweggrills hinter sich lassen will, kann hier draufhalten und zutreten.
Das kollektive Eintauchen ins Ryckwasser fand auch schon im Vorjahr statt, wurde dokumentiert und in eine Art Videotrailer für Sonntag verwandelt. Pack den Badeanzug ein!
In dieser Minute tagt die Greifswalder Bürgerschaft und es wird über den Abschlussbericht des Untersuchungsausschuss Technisches Rathaus diskutiert, in dem unter anderem festgestellt wird, dass die Aussagen des Bürgerschaftspräsidenten Egbert Liskow (CDU) „nachweislich nicht der Wahrheit“ entsprachen.
Ein Abwahlantrag gegenüber Liskow, über den heute abgestimmt wurde, scheiterte vor wenigen Minuten knapp mit 20 Dafür-, 20 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Damit bleibt der CDU-Politiker bei aller Knappheit dieses Ergebnisses im Amt.
Zu diesem Thema wird aus der Sitzung heraus unter dem Hashtag #techRH getwittert.
Wer sich selbst intensiver mit dem Bauskandal beschäftigen möchte, sei auf den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses hingewiesen, der hier als 35seitiges pdf-Dokument abrufbar ist.
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Empfohlene Lektüre zum Bauskandal:
Frank und frei: Disziplinierungsmaßnahme innerhalb der Greifswalder CDU-Fraktion (Fleischervorstadt-Blog, 15.04.2011)
Time to say goodbye – Untersuchungsausschuss läutet politisches Ende des Bürgerschaftspräsidenten Liskow (CDU) ein (Fleischervorstadt-Blog, 26.05.2011)
In der vergangenen Woche wurde im WDR eine Dokumentation ausgestrahlt, die sich jenen Initiativen und Bewegungen widmet, welche zuletzt von vielen großen Medien mit dem Siegel wutbürgerlich abgewertet wurden.
Neue Kultur — alte Bewegung
Der Film Protestbürger von Jo Angerer und Mathias Werth zeigt an drei Beispielen, die quer über die Bundesrepublik verteilt sind, auf, wie aus enttäuschten Bürgerinnen entschlossene und vor allem organisierte Akteure wurden.
Sei es in Duisburg, wo schon seit fünf Jahren um eine geplante Kohlenmonoxid-Pipeline gestritten wird, die zwischen zwei BAYER-Werken verlaufen soll, oder im bayrischen Garmisch, wo einheimische Bauern um ihre sensiblen Wiesen kämpfen, die von Bauvorhaben im Zuge der Olympischen Winterspiele 2018 bedroht werden: „Es rumort in Deutschland. Zahllose Menschen gehen auf die Straße, um zu demonstrieren: Lehrer, Hausfrauen, Sekretärinnen, Rentner. Menschen vor allem aus der bürgerlichen Mitte. Sie protestieren gegen Atomkraft, gegen Großprojekte vor der eigenen Haustür. Menschen mucken auf, weil sie sich bedroht fühlen. Weil sie Entscheidungen in Behörden als willkürlich empfinden und den Politikern nicht mehr vertrauen. Eine neue Protestkultur entsteht.“ (WDR)
Bürgerinitiativen sind freilich keine gänzlich neuen Protestbewegungen, neu ist hingegen das Feld, aus dem sich immer mehr Unterstützerinnen rekrutieren. Und ungewohnt sind auch Zuspruch und Engagement der älteren Mitbürger, die sich dazu entschlossen haben, sich doch nochmal einzumischen und auf die Straße zu gehen.
„Erlebnisse unter Nachbarn“
Neben Duisburg und Garmisch war Greifswald der dritte Schauplatz, an dem man sich für die Dokumentation auf die Suche nach Protestbürgerinnen machte. Hier hefteten sich die Journalisten an die Fersen Nadja Tegtmeyers, die ihrerseits das Anti-Atom Bündnis NordOst mitgründete und sich während des Castortransports im Februar 2011 von den Kameramännern begleiten ließ.
In den Teilen der Dokumentation, die Greifswald betreffen, sind Szenen von der großen Demonstration und der Kundgebung auf dem Markt zu sehen. Ex-Scherben-Managerin Claudia Roth wird kurz interviewt, aber vor allem geht es um die Anti-Atombewegung und Nadja Tegtmeyer, die plötzlich auf den Schienen zwischen Greifswald und Lubmin sitzt, um kurz darauf von der Polizei weggezerrt zu werden.
Protestbürgertum, damit charakterisiert der Film Menschen, die „ihre Heimat gegen die Interessen von Industrie und Politik verteidigen. Je mehr sich Bürger von demokratischen Entscheidungsprozessen abgeschnitten fühlen, desto verhementer artikulieren sie ihren Widerstand. Ihr Protest schafft aber auch etwas Neues – ein Gemeinschaftsgefühl unter Gleichgesinnten, ein neues Erlebnis unter Nachbarn.“ (WDR)
Die 43 Minuten Filmdauer sind nicht vergeudet. Wer auf explizit Greifswalder Szenen wartet, muss sich bis Minute 13:00 gedulden, wird dann aber rasch bedient.
Ein kurzer Film von Christoph Eder, der Enrico Pense bei den Vorbereitungen zu seiner Ausstellung Operation Pudel in der Greifswalder Kulturbar beobachtete. Die Musik dazu steuerte Lofi Deluxe bei.
Im Rahmen der webMoritz-Kolumnenreihe fünf x fünf meldete sich in der vergangenen Woche wieder einmal Torsten Heil zu Wort und erbrach sich auf über die Frauenquote.
GRÜSSE AUS DER STEINZEIT: INTOLERANTER BÖSMENSCH KOLUMNIERT
Gleich zu Beginn seines Textes wies er „unsere toleranten linken Gutmenschen, Macho-Gelaber-Hasser und Gleichberechtigungsfanatiker“ darauf hin, dass sie nicht weiterlesen und ihre Zeit sinnvoller nutzen sollten – ein wirklich heilsamer Vorschlag.
Doch statt diesem ziemlich guten Rat zu folgen, darf auch hinterfragt werden, wie der Gegenentwurf zu den vorab ruhiggestellten Kritikern beschaffen sein mag: ein intoleranter, rechter Bösmensch, Macho-Laberer und Ungleichberechtigungsfanatiker zugleich? Oder nicht doch vielmehr ein dringender Fall für die Heilanstalt?
Zurück zur Frauenquote. Im Beitrag graste der inzwischen als stellvertretender Pressesprecher des Landesbildungsministeriums angestellte Autor substanzlose Allgemeinplätze ab und will glauben machen, dass die Gleichstellung von Mann und Frau im Grunde vollzogen sei:
„Wir kochen jetzt selbst und besser, außer im direkten Vergleich zu Mutti und Oma. Es gibt Frauen in der Bundeswehr, naturwissenschaftliche und technische Berufe sind den Frauen auch nicht mehr fremd und uns regiert eine Kanzlerin. Nicht zuletzt müssen wir auch noch geschlechtergerechte Sprache ertragen.„
Er argumentiert, dass es eine „Frage der Zeit“ sei, ehe sich in den Führungsetagen ein geschlechtliches Gleichgewicht einstellen würde, dazu trügen demographischer Wandel und Fachkräftemangel bei.
Man könnte entgegegnen, dass, wer auf dieses vielbeschworene Gleichgewicht warten will, Geduld mitbringen müsse, und dass die Frauenquote im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, mit dem Heil aufgrund seiner Lohnarbeit eigentlich vertraut sein sollte, noch immer bei nur 19,7% liege – vom Gender Gap in der CDU-Landesfraktion ganz zu schweigen. Aber das wäre vermutlich verschenkte Liebesmühe, denn in dieser Hinsicht scheint es sich bei dem konservativen Autoren („bekanntermaßen bin ich selbst CDU-Mitglied“) um einen schwer heilbaren Patienten zu handeln.
DEPUBLIKATION NACH MINISTERIALER INTERVENTION?
Bleibt zu hoffen, dass das steinzeitliche Gedankenkonstrukt des Kolumnisten dieses Mal seinem eigenen Geiste entsprang und nicht – wie im Dezember des letzten Jahres – wieder vom SZ-Magazin kopiert wurde. Damals brachte ihn das geguttenbergte Gendergespött bis in den BILD-Blog, da wollte dann auch die herausgebende Ostsee-Zeitung nicht mehr mitmachen.
Inzwischen sind einige Tage vergangen und beide bislang erschienenen Kolumnen Torsten Heils wurden auf seinen Wunsch hin aus dem Verkehr gezogen („Ich hoffe, niemanden persönlich beleidigt oder angegriffen zu haben und entschuldige mich aufrichtig bei allen Leserinnen und Lesern, die dies anders empfunden haben.“). Es darf darüber nachgedacht werden, ob diese „Depublikation“ in Zusammenhang mit einer Pressemitteilung der LINKEN steht, in der die Frage aufgeworfen wurde, für wen Heil eigentlich spräche,
„wenn er von ‚toleranten linken Gutmenschen, Macho-Gelaber-Hassern und Gleichberechtigungsfanatikern’ faselt. Dann erfolgt in eigentlicher Absicht ein Frontalangriff auf Ministerpräsident Sellering. […] Wenn er dies aber als stellvertretender Pressesprecher des Bildungsministeriums tut, dann wäre von Interesse, was sein Vorgesetzter, Bildungsminister Tesch, und sein oberster Dienstherr, Ministerpräsident Sellering, zu den Tiraden des Herrn Heil sagen.“ (DIE LINKE)
Ob diese Erklärung das Ergebnis einer arbeitgeberischen beziehungsweise bildungsministerialen Intervention ist, bleibt also spekulativ. Ironie der Geschichte ist es trotzdem, dass der Autor auch beim zweiten Versuch, sich an der Gender-Thematik abzuarbeiten, heftig ins Stolpern geriet.
HEILIGER BIMMBAMM: MACHO ODER SOFTIE?
Die Kolumne endet ebenso geistvoll wie sie begann mit der Einschätzung, dass Frauen heute schon eine ganze Menge schafften und dürften, und dass noch keine Quote für sie benötigt würde, stattdessen aber „vielleicht eine Emanzipation vom Softie, Schlaffi oder Gleichberechtigungsfanatiker“?
Egal, Hauptsache nicht mehr gutmenscheln!
Heil entlässt uns mit einem „scheinbar unlösbaren Dilemma“ aus seiner testestoronschwangeren Geisteswelt: Was soll er nun sein – Macho oder Softie?
Ich für meinen Teil halte es da ganz mit webMoritz-KommentatorRichardBaer, den die Kolumne offensichtlich in Sorge um seine Repräsentation als Mann brachte und der dem Kolumnisten empfahl: „Wenn du das nächste Mal darüber nachdenkst, was du so für Probleme hast, mach das mit deinen Freunden (ob Macho oder Softie) aus und lass „uns Männer“ bitte aus dem Spiel.„
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Wer allen depublikativen Entwicklungen trotzen möchte, kann die Kolumne im originalen Wortlaut beim Lebewesen-Blog einsehen, wo sie dankbarerweise gespiegelt und für die Nachwelt aufbewahrt wurde. Eine Auseinandersetzung mit Heils kopierten Gedanken zum Thema geschlechtergerechter Sprache ist im Dezember 2010 hier auf dem Fleischervorstadt-Blog unter dem Titel Die Angst vor der Entmannung erschienen.
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