In dieser Woche werden an der Universität Greifswald die Sitze im Senat, in den Fakultätsräten und im StuPa neu verteilt. Auf Twitter laufen die Drähte heiß und der Wahlkampf ist endlich entbrannt. Diesem Fieber gebe ich mich dankbar hin, beschränke mich allerdings dabei auf Empfehlungen, wer in meinen Augen besser nicht gewählt werden sollte.
Insgesamt 35 Studierende bewerben sich für die kommende Legislaturperiode um einen Platz im Parlament, nur 27 Sitze sind zu besetzen. Dieses Missverhältnis zwischen Kandidaturen und Mandaten bedeutet eine demokratische Schwächung des StuPa, denn schon die Aufstellung als Kandidatin macht einen Wahlerfolg sehr wahrscheinlich — webMoritz-Chefredakteur Marco Wagner errechnete eine satte Wahlerfolgschance von 75%. Acht Bewerberinnen werden also vorerst, so niemand sein Mandat vorzeitig an den Nagel hängt, nicht ins Studierendenparlament einziehen.
Die vom Wahlleiter Stefan Damm herausgegebene Broschüre bietet den Bewerbern Raum, sich selbst und die jeweiligen Wahlversprechen in Kurzform vorzustellen. Verbessern, Erhalten, Verstärken und Fördern sind hier die Zauberworte, mit denen um die Gunst der über 12.000 Studierenden geworben wird. Trotz der relativ überschaubaren Zahl der Kandidierenden geht die Übersicht leider schnell verloren, weswegen hier mit einer Nichtwahlempfehlung Hilfestellung angeboten werden soll.
Nimmermüder ex-Republikaner Alex Guillaume S.
Alexander S., vor etwa einem Jahr noch der Grund, mit diesen Nichtwahlempfehlungen zu beginnen, glänzte in der vergangenen Legislaturperiode mit reger Beteiligung und regelmäßiger Anwesenheit. Heute wie damals verschweigt er seine Vergangenheit als Schriftführer und Landesjugendbeauftragter der sächsischen Republikaner. Stattdessen werden in seiner kurzen Kandidatenvorstellung wieder andere biographische Etappen, wie sein Engagement als Schülersprecher, überbeleuchtet. Inzwischen hat er bei der Liberalen Hochschulgruppe ein neues politisches Zuhause gefunden und verspricht, „gegen Links- und Rechtsextremismus (NPD, Rote Hilfe)“ einzutreten. Diese kritik- und kommentarlose Gleichsetzung von rechter Partei und linker Rechtshilfeorganisation ist man inzwischen von ihm gewohnt, spätestens seitdem er maßgeblich einen Antrag zum Verbot von Textilien der rechten Modemarke Thor Steinar verhinderte.
S. wollte mit seinen letzten beiden Anträgen einerseits dem AStA untersagen, über Burschenschaften und Studentenverbindungen aufzuklären, die verbliebenen Infoflyer zu vernichten und keine ideologische Bewertung mehr zuzulassen (Antrag) und andererseits das AStA-Referat für Gleichstellung auflösen (Antrag). Beide Anträge wurden auf der letzten StuPa-Sitzung verschoben. Seine Forderung, bei der nächsten Erstibegrüßung kein alkoholfreies Bier mehr auszuschenken, kann entweder als versuchte Komik bewertet werden oder als Tribut an die Studentenverbindungen und Burschenschaften, bei denen S. vielleicht trotz seines Rückzugs aus dem Milieu punkten will.
Neben dem Ex-Cimbrianer S. tritt mit dem Markomannen Christoph Böhm ein weiterer Kandidat aus dem Verbindungsunwesen an. Unterschlug er vor seiner ersten Kandidatur vor zwei Jahren noch seinen diesbezüglichen Hintergrund, geht Böhm seit dem letzten Votum offen und transparent damit um — wählbarer macht ihn das aber auch nicht.
„Wäre mein Humor noch schwärzer, er würde Baumwolle pflücken“
Die kandidierenden Mitglieder der Jungen Union und des RCDS fallen mit ihren Forderungen unter den anderen Studierenden kaum weiter auf. Wahlversprechen wie die „Förderung kultureller Veranstaltungen“ oder die „Verbesserung der Studienbedingungen für Bachelor und Master“ (Oliver Gladrow) wohnt eben wenig distinktives Potenzial inne. Betrachtet man allerdings ihre öffentlich einsehbaren Profile in verschiedenen sozialen Netzwerken, die mitunter auch wahlkämpferisch genutzt werden, so verwandelt sich die schwarze Liste in ein konservatives Gruselkabinett.
Da fordern die einen „Kein Facebook für Kommunisten – DIE LINKE Seite löschen!“, während sich ein nicht zu unterschätzender Teil zum Thilo-Sarrazin-Fanclub bekennt. Richtig zur Sache geht ein Kandidat des RCDS, der nicht nur „gegen linke und rechte Faschisten“ ist und als griffigen Slogan „Fuck Off Antifa und NPD!“ gut findet, sondern auch ein Verbot der schon vor drei Jahren wegfusionierten PDS fordert, wenn denn die NPD schon illegalisiert werden solle. Von einem Politikwissenschaftler im 5. Semester, dem „Gendermainstreaming auf die NervInnen geht“, sollte man mehr erwarten dürfen. Sein Fach übrigens arbeitet nicht mit dem Begriff ‚Linksfaschismus‘.
Die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet ein anderer JUler, der sich selbst durch eine Gruppenzugehörigkeit wie folgt beschreibt: „Wäre mein Humor schwärzer, er würde Baumwolle pflücken“.
Das Schlimmste verhindern
Wer kann ernsthaft wollen, dass solche jungen Männer über die Finanzanträge von Vereinen wie GrIStuF oder Stuthe entscheiden? Wer möchte, dass sich die Vertretung der Greifswalder Studierendenschaft aus ewiggestrigen Sarrazin-Fanatikern rekrutiert?
Es stellen sich 35 Kandidatinnen der Wählergunst, acht von ihnen werden den Einzug ins Parlament verpassen. Liebe wahlberechtigte Leserinnen und Leser, die Teilnahme an dieser Wahl kostet viel weniger Kraft, als Monat für Monat ein Mandat als Stupistin zu verwirklichen! Es ist eine Frage der Mitbestimmung, sich an diesem Votum zu beteiligen, und es ist gleichzeitig auch eine Herzensangelegenheit, das Schlimmste zu verhindern, geht also bitte wählen!
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Die StuPa-Wahlen finden Montag bis Freitag statt, während die Voten für Fakultätsrat und Senat nur Dienstag bis Donnerstag abgegeben werden können (die jeweiligen Orte und Zeiten sind auf der AStA-Seite zu finden). Eine ausführliche Zusammenstellung der Kandidatinnen liefert wie gewohnt der WahlMoritz.
Auf dem Fleischervorstadt-Blog ist bereits gestern ein geschlechtersensibler Blick auf diese Wahl veröffentlicht worden.