Wo die Greifswalder NPD-Wähler zuhause sind. Nachbetrachtung zum Wahlmarathon in MV

Vier Tage sind seit dem Wahlmarathon des vergangenen Sonntags vergangen, bei dem die Bürgerinnen Mecklenburg-Vorpommerns dazu angehalten waren, mit jeweils zwei Stimmen über die Zusammensetzung des Landtags zu entscheiden. Dazu gesellten sich außerdem Landrats- und Kreistagswahl sowie ein Votum über den Namen des neugebildeten Großkreises Südvorpommern.

Grüne und SPD sind Wahlsieger, NPD gelingt Wiedereinzug

Auf Landesebene durften sich Ministerpräsident Erwin Sellering und seine SPD über einen relativen Stimmenzuwachs von über fünf Prozentpunkten freuen. Ebenso die Grünen, denen jetzt auch in Mecklenburg-Vorpommern der Einzug in den Landtag glückte. Die CDU musste herbe Stimmverluste hinnehmen und die FDP spielt im Landesparlament vorerst keine Rolle mehr.

Die NPD konnte nicht aus dem Landtag hinausgekegelt werden und wird dank über 40.000 Zweitstimmen auch in der kommenden Legislatur im Schweriner Schloss Platz nehmen dürfen — wenn auch mit mindestens einem der sechs Fraktionsmitglieder weniger als zuvor. Möglich wurde der Wiedereinzug nicht zuletzt durch eine Wahlbeteiligung, die nur knapp über 50 Prozent lag. Am Wahlergebnis der NPD ist aus regionaler Sicht vor allem ihr Zuspruch aus dem grenznahen Osten des Bundeslands alarmierend, aus demografischer Perspektive sind es die Zustimmungsraten der Jungwähler.

Die Rechtsextremen werden aber nicht nur im neuen Landtag vertreten sein, sondern auch im neuen Großkreis, der von nun an den hölzernen Namen Vorpommern-Greifswald tragen wird. Dort erzielten die Neonazis ein besseres Ergebnis als FDP oder DIE GRÜNEN und sind als fünftstärkste Partei mit dabei. Diese Kreistagswahlen wurden von den Christdemokraten gewonnen, mit Matthias Bahner gelang sogar einem Piraten der Einzug.

Bei der Abstimmung über die neue Landrätin entschied sich die Mehrheit für Barbara Syrbe (DIE LINKE) und nicht für die CDU-Kandidatin Uta Maria Kuder — eine Stichwahl wird am 18. September entscheiden, welche der beiden Frauen zukünftig dieses Amt bekleiden wird. Außerdem wird noch im Wahlkreis 33  auf Rügen gewählt, wo der Urnengang aufgrund des plötzlichen Todes eines Kandidaten um zwei Wochen verschoben wurde. Hier fällt die Entscheidung darüber, ob die NPD mit vier oder fünf Abgeordneten im Landtag vertreten sein wird.

Greifswald: Wo wurde die NPD gewählt?

In Greifswald hielt sich der Zuspruch für die NPD in Grenzen und blieb mit 4,6% unter dem Landesschnitt. Dieses relativ schlechte Ergebnis sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass über 1000 Greifswalder Wähler den Rechten ihre Zweitstimme gaben. Grund zur Sorge bereitet auch die schlechte Wahlbeteiligung in der Hansestadt, die mit 51,3% im landesweiten Trend zur Wahlenthaltung liegt und Fragen nach Repräsentativität und Legitimität der gewählten Vertretungen provoziert.

Differenziert man das Greifswalder Wahlergebnis nach den einzelnen Wahlbezirken, so wird deutlich, wie wenig homogen votiert wird, in welchen Gebieten die NPD ihr größtes Wählerpotenzial hat und wo die meisten Nichtwähler leben. Eines der Stadtgebiete, in dem massenhafte Wahlenthaltung und zweistelliges NPD-Ergebnis miteinander einhergehen, ist der Wahlbezirk 38 (Humboldt-Gymnasium). Hier gaben nicht mal ein Viertel der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, die NPD erreichte beängstigende 12,1 Prozent. „Wo die Greifswalder NPD-Wähler zuhause sind. Nachbetrachtung zum Wahlmarathon in MV“ weiterlesen

Straze und Kommunikation mit Stadt und Verwaltung: „Ignorantes Verhalten der Parteien nicht belohnen“

In den vergangenen Monaten ist es ruhig geworden um den Verein Kultur- und Initiativenhaus Greifswald, der sich seit über vier Jahren darum bemüht, die frühere Straze vor dem drohenden Abriss zu retten und deswegen versucht, das Gebäude zu kaufen.

So wenig von der Initiative in der letzten Zeit auch zu hören, untätig waren die Hausbeschützer nicht, ganz im Gegenteil: Kurz vor dem Wahlmarathon bilanziert die Gruppe ihre Erfahrungen mit den Greifswalder Parteien und anderen kommunalpolitischen Akteuren — das Ergebnis fällt wenig überraschend düster aus.

Straze Greifswald

Straze im Rückblick

Einen ausführlichen Rückblick über die Verhandlungen um die frühere Straze erschien hier im Februar 2011 unter dem Titel Die Greifswalder Einkaufstour des Immobilienmagnaten Douglas Fernando. Seitdem hat sich nicht viel getan, sieht man von der Vereinbarung zwischen Stadtbauamt und Fernando ab, den Abrissantrag mit Blick auf die Idee der möglichen Nutzung als Landratsamt bis Okober 2011 ruhen zu lassen.

Dass der Verein darüber weder informiert, noch zu einem späteren Treffen eingeladen wurde, überrascht inzwischen niemanden mehr.  Die Entscheidung über die Zukunft des Gebäudes ist bis in die Zeit nach der Wahl verschoben, in der sich der neue Großkreis erst formieren muss und kaum Einfluss nehmen wird. Derweil bietet Douglas Fernando das Haus online zum Verkauf an.

Immobilienangebot Straze

„Suchet der Stadt Bestes“ — Kontinuierliche Gesprächsverweigerung von Oberbürgermeister und Stadtverwaltung

Die Inititative hat sehr genau zur Kenntnis genommen, wie ernsthaft sich die jeweiligen Akteure aus Stadtverwaltung und Kommunalpolitik mit ihrem Anliegen auseinandersetzten und stellt den städtischen Verantwortlichen schlechte Zeugnisse aus. Oberbürgermeister Dr. Arthur König (CDU) wird seit Juli 2008 „kontinuierliche Gesprächsverweigerung“ attestiert, auf wiederholte Einladungen zu Informations- und Diskussionsveranstaltungen des Vereins sei „keine Reaktion“ erfolgt. Der damalige Baudezernent der Stadt, Reinhard Arenskrieger, hörte nicht nur nach drei ergebnislosen Gesprächen auf, mit dem Verein zu reden, er verweigerte auch, den Beschluss des Bauausschusses aus dem September 2009 umzusetzen und einen Runden Tisch mit allen Beteiligten zu initiieren.

Mit dem neuen Baudezernent Jörg Hochheim (CDU), der Arenskrieger im Frühjahr 2010 ablöste, hätten zwar zwei „freundliche Gespräche ohne Veränderung in der Sache“ stattgefunden, jedoch vermied es Hochheim, den Verein beim vorläufig letzten entscheidenden Gespräch zwischen Stadtbauamt und Eigentümer im März 2011, miteinzubeziehen. Auch eine Anfrage an Innenminister Lorenz Caffier (CDU) blieb unbeantwortet.

Bilanz Kommunikation Straze

Auch mit dem Sozialderzernenten Ulf Dembski (SPD) gab es ein Gespräch, „weitergehende Bemühungen in der Sache“ oder positive Reaktion auf wiederholte Einladungen zu Informations- und Diskussionsveranstaltungen konnte der Verein aber nicht registrieren. Im Gegensatz zu Dembski reagierte Parteikollege und Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) positiv auf die Kontaktaufnahme des Vereins, vermittelte einen „Kontakt mit Beratungscharakter“ und half bei der erfolglosen Suche nach Gebäude-Alternativen.

Am 1. August wandte sich die Initiative per E-Mail an die Kandidaten und Parteien Uta Maria Kuder (CDU), Dr. Frank Hardtke (Kompetenz für Vorpommern), Dr. Barbara Syrbe (DIE LINKE), Ulf Dembski (SPD), Stefan Fassbinder (DIE GRÜNEN) sowie die Bürgerliste Greifswald, und bat um die Beantwortung mehrerer Fragen zur Zukunft des Objektes Stralsunder Straße 10/11. Auf diese Anfrage reagierten nur Frau Syrbe, Herr Dembski und Herr Fassbinder — Frau Kuder, Herr Hardtke und die Greifswalder Bürgerliste antworteten nicht auf das Schreiben.

Dembski (SPD): „Habe mich immer bemüht, das mir Mögliche zu tun, um Sie beim Erhalt des Gebäudes zu unterstützen“

Der Greifswalder Sozialdezernent Ulf Dembski reagierte auf die Anfrage des Vereins und versprach, auch als Landrat das ihm Mögliche zu tun, um die Initiative bei ihrem Vorhaben zu unterstützen. Angesichts der vergangenen Erfahrungen kann man Erwartungen kaum niedriger halten. „Straze und Kommunikation mit Stadt und Verwaltung: „Ignorantes Verhalten der Parteien nicht belohnen““ weiterlesen

Clever, aber nicht genial: OZ-Podiumsdiskussion vor der Landtagswahl *Update*

Die Ostsee-Zeitung lädt ihre Leserinnen und Leser zu einer Podiumsveranstaltung in das St. Spiritus ein, um gemeinsam mit den fünf Landtagskandidaten zu diskutieren. Moderiert werden soll der Abend von den beiden Redakteuren Dr. Eckhard Oberdörfer und Benjamin Fischer.

WEISS DIE REDAKTION ÜBERHAUPT VON ALLEN KANDIDATEN? 

screenshot oz

Grundsätzlich ist die Idee, als Lokalzeitung solch eine Podiumsveranstaltung zu organisieren, wirklich clever. Genialistisch wäre dieser Einfall allerdings umgesetzt worden, wenn die Veranstalter unter Beweis gestellt hätten, tatsächlich von allen zugelassenen Kandidaten zu wissen.

Für diese genialistische Umsetzung hat es leider nicht gereicht — ein Blick in dieses Dokument der Wahlleiterin zeigt, dass im Landtagswahlkreis 1 Greifswald nicht nur fünf, sondern ganze sieben Personen antreten werden.

Es bleibt zu vermuten, dass die Ostsee-Zeitung dem NPD-Kandidaten Marko Müller schlicht und ergreifend kein Podium bieten wollte und deswegen darauf verzichtete, ihn einzuladen. Vermutlich hätte der in Ueckermünde gemeldete Neonazi das soziokulturelle Zentrum ohnehin nicht gefunden.

Eine kurze Erklärung der Veranstalter dazu wäre allerdings konsequenter gewesen, als den Kandidaten einfach wegzuschweigen.

IGNORIERT UND NICHT EINGELADEN: EINZELKANDIDAT FOTHKE

Der andere bis dato nicht eingeladene Kandidat ist der parteilose Einzelbewerber Steven Fothke. Der angehende Lehrer hat sich das bedingungslose Grundeinkommen auf die Fahnen geschrieben. Seine Beiträge wären morgen sicher nicht nur für die Debatte spannend gewesen, sondern auch für das anwesende Publikum. Fothke wurde von der Ostsee-Zeitung, deren Ankündigung den Eindruck erweckt, dass in Greifswald nur fünf Direktkandidaten zur Wahl stünden, leider bislang ignoriert.

Auftreten werden neben dem Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD), der noch immer nicht zurückgetretende Bürgerschaftspräsident und Landtagsabgeordnete Egbert Liskow (CDU), Mignon Schwenke (Die Linke), Ulrike Berger (Grüne) und David Wulff (FDP). Die Ostsee-Zeitung fordert Interessierte Bürgerinnen dazu auf, sich an der Debatte zu beteiligen und vorab Fragen an die Redaktion zu schicken, die morgen Abend an das Podium gerichtet werden sollen (via E-Mail bitte an lokalredaktion.greifswald[at]ostsee-zeitung.de) .

Fakten: 16.08. | 18 Uhr | St. Spiritus

*Update* 15.08.2011 | 20.45 Uhr

Das Kommen eines weiteren Spezialgasts wurde bislang noch nirgendwo erwähnt: neben den erwähnten fünf Kandidatinnen soll auch Douglas Fernando bei der morgigen Veranstaltung zu Gast sein. Der Investor kaufte sich in den letzten Jahren großzügig in die Stadt ein und baute eine einträgliche Beziehung zum damaligen Baudezernenten Arenskrieger auf. Zu den Objekten in seiner Verantwortung gehört unter anderem die ehemalige Straze (Stralunder Straße 10).

Diese Übersicht der von Douglas Fernando/dem Petruswerk in Greifswald getätigten Immobiliengeschäfte sei an dieser Stelle empfohlen.

Landtagswahlkampf: Hilfe, die Spitzenpolitiker kommen!

Nicht einmal drei Wochen sind es mehr bis zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Inzwischen hat die sogenannte heiße Phase begonnen und man darf nun mehr oder weniger gespannt den Auftritten der Spitzenpolitikerinnen entgegenfiebern, von deren Besuch sich die jeweiligen Parteien einen Impuls für den Wahlkampf vor Ort erhoffen.

Gregor, Cem und die Gesine 

Die LINKE durfte schon vor zwei Tagen Gesine Lötzsch empfangen und damit die zweite Visite der Wegbereiterin zum Kommunismus binnen zweier Monate veranstalten. Ende August guckt auch Gregor Gysi nochmal vorbei. Bei den GRÜNEN vertraut man auf bewährte Konzepte und freut sich auf  Cem Özdemir, der sich bereits morgen mit der Ludwigsburger Bürgerinititative Huhnfrei trifft. Außerdem schaut Reinhard Bütikofer im August nochmal rein.

Kaffee, Kuchen und „uns Erwin“

Die Sozialdemokraten setzen dagegen ganz auf ihr amtierendes Personal: Gemeinsam mit Sozialsenator Ulf Dembski wird morgen Manuela Schwesig (Ministerin für Soziales und Gesundheit in MV, stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende) im St. Spiritus bei einem Bürgerforum zugegen sein. Montag zuvor servierte die SPD am Fischmarkt Kaffee und Kuchen  — das ließ sich auch Ministerpräsident Erwin Sellering nicht nehmen und rief zum Bürgertalk.

Im Wettbewerb um Politprominenz kann die FDP eine Veranstaltung mit Wirtschaftsminister Philip Rösler ins Feld führen — der frühere Bundeswehr-Stabsarzt wird am 19. August in Greifswald sein. Die CDU trumpft wie in den Vorjahren mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, die nur fünf Tage später auf dem Marktplatz auftreten wird.

Alle sind sie da, alle kommse lang – die heiße Phase hat begonnen!

Sintflut: Greifswald geht unter, doch an Wahlkampf denkt niemand

Seit Donnerstag regnete es in Greifswald ohne Unterlass und bis Sonnabend sollen über 100 Liter pro m² auf die Hansestadt niedergegangen sein. Allein am Freitag fielen binnen drei Stunden 60 Liter pro Quadratmeter vom Himmel – was in etwa der durchschnittlichen Niederschlagsmenge des gesamten Julis entsprechen soll.

Reisanbau in Gartensparta

Der Dauerregen überfüllte rasch die Rückhaltebecken und sorgte für vollgelaufene Keller und überflutete Straßen mit Wasserständen von teilweise mehr als einem Meter. Fahrradtunnel wurden unpassierbar und die Gartensparten am Kleinbahnhof sahen aus wie Deutschlands nordöstlichstes Reisanbaugebiet – die hier sonst dominierende nationalbeflaggte Gemütlichkeit wurde einfach hinweggespült.

Von den Wassermassen waren vor allem die Lomonossowallee, die Makarenko-, Tolstoi-, Krull-, Hain-, Feld- und Gützkower Straße sowie die Spiegelsdorfer Wende betroffen. Freitagvormittag wurde schließlich auch die Unterführung am Südbahnhof unpassierbar, wenn man nicht gerade ein Wasserfahrzeug hatte.

Die Feuerwehr war machtlos, denn die Überflutung der Rückhaltebecken machte das sinnvolle Abpumpen des Wassers dorthin unmöglich. Allein am Freitag sollen die Wehren rund 160 Mal ausgerückt sein. Ein Stromschaden sorgte außerdem für einen Ausfall im Pumpwerk des Abwasserwerkes. Noch am Freitag wurde ein Krisenstab aus Technischem Hilfswerk (THW), freiwilligen und professionellen Feuerwehren gebildet, während aus den Gullis das Wasser schoss, wie zum Beispiel in der verlängerten Scharnhorststraße, wo sich ein nicht enden wollender Strom seinen Weg in den Fahrradtunnel bahnte.

Betrübliche Wetteraussichten

Auch am Sonntag waren noch einige der insgesamt neun gesperrten Straßen unpassierbar. Der NDR berichtete, dass die Pegel in den Rückhaltebecken leicht zurückgehen sollen und heute vormittag 50 Einsatzkräfte 20.000 Liter pro Minute abgepumpt hätten, unter anderem in den Stadtgraben. Heute Abend soll entschieden werden, ob die betroffenen Straßen am Montag wieder für den Berufsverkehr freigegeben werden können.

Ob man dieses Unwetter mit der Siebenschläfer-Regel in Verbindung bringen mag oder nicht, spielt erstmal eigentlich keine Rolle.  Metereologe Werner Wehry (FU Berlin) tut es dennoch und beschreibt die Aussichten für die nächste Zeit als „betrüblich“ (Tagesspiegel): Das Wetter sei im Juli umgekippt und würde sich erst ab Mitte August spürbar bessern.

Verpasste Wahlkampfchancen

Die  sintflutartigen Regenfälle überraschten offensichtlich auch die hiesigen Politiker, denen zum Wahlkampfauftakt eigentlich ein grauwolkiges Geschenk vom Himmel fiel. Wie passig wäre Axel Hochschilds Selbstinszenierung als Fluthelfer im Friesennerz gewesen: Eben noch die Lösungsmittelreste von der letzten Aufkleberbereinigung an den Händen und schon in gummibestiefelter Pose neben den pumpenden Feuerwehrmännern.

Derweil schippert Krisenmanager Egbert Liskow über die Fleischerwiese und sieht nach den Rechten, die Stimmung gegen polnische Tiefdruckgebiete schüren, während nur wenige Meter weiter Sebastian Ratjen gemeinsam mit seinen Kraftsportfreunden einen Damm improvisiert, um die Unterführung in der Osnabrücker Straße vor dem Absaufen zu bewahren.

Egbert Liskow

Erwin Sellering hätte Regenschirme verteilt und die bedruckten Fahrradponchos der Grünen, deren Slogan ihre Benutzer deutlich gegen die Begradigung von Flüssen positioniert, wären der Renner gewesen. Chance vertan, denn seit heute regnet es kaum noch!

Lieber webMoritz-Kolumnist, lasse „uns Männer“ bitte aus dem Spiel!

Im Rahmen der webMoritz-Kolumnenreihe fünf x fünf meldete sich in der vergangenen Woche wieder einmal Torsten Heil zu Wort und erbrach sich auf über die Frauenquote.

GRÜSSE AUS DER STEINZEIT: INTOLERANTER BÖSMENSCH KOLUMNIERT

Gleich zu Beginn seines Textes wies er  „unsere toleranten linken Gutmenschen, Macho-Gelaber-Hasser und Gleichberechtigungsfanatiker“ darauf hin, dass sie nicht weiterlesen und ihre Zeit sinnvoller nutzen sollten – ein wirklich heilsamer Vorschlag.

torsten heil kolumne

Doch statt diesem ziemlich guten Rat zu folgen, darf auch hinterfragt werden, wie der Gegenentwurf zu den vorab ruhiggestellten Kritikern beschaffen sein mag:  ein intoleranter, rechter Bösmensch, Macho-Laberer und Ungleichberechtigungsfanatiker zugleich? Oder nicht doch vielmehr ein dringender Fall für die Heilanstalt?

Zurück zur Frauenquote. Im Beitrag graste der inzwischen als stellvertretender Pressesprecher des Landesbildungsministeriums angestellte Autor substanzlose Allgemeinplätze ab und will glauben machen, dass die Gleichstellung von Mann und Frau im Grunde vollzogen sei:

Wir kochen jetzt selbst und besser, außer im direkten Vergleich zu Mutti und Oma. Es gibt Frauen in der Bundeswehr, naturwissenschaftliche und technische Berufe sind den Frauen auch nicht mehr fremd und uns regiert eine Kanzlerin. Nicht zuletzt müssen wir auch noch geschlechtergerechte Sprache ertragen.

Er argumentiert, dass es eine „Frage der Zeit“ sei, ehe sich in den Führungsetagen ein geschlechtliches Gleichgewicht einstellen würde, dazu trügen demographischer Wandel und Fachkräftemangel bei.

Man könnte entgegegnen, dass, wer auf dieses vielbeschworene Gleichgewicht warten will, Geduld mitbringen müsse, und dass die Frauenquote im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, mit dem Heil aufgrund seiner Lohnarbeit eigentlich vertraut sein sollte, noch immer bei nur 19,7% liege – vom Gender Gap in der CDU-Landesfraktion ganz zu schweigen. Aber das wäre vermutlich verschenkte Liebesmühe, denn in dieser Hinsicht scheint es sich bei dem konservativen Autoren („bekanntermaßen bin ich selbst CDU-Mitglied“) um einen schwer heilbaren Patienten zu handeln.

DEPUBLIKATION NACH MINISTERIALER INTERVENTION?

Bleibt zu hoffen, dass das steinzeitliche Gedankenkonstrukt des Kolumnisten dieses Mal seinem eigenen Geiste entsprang und nicht – wie im Dezember des letzten Jahres – wieder vom SZ-Magazin kopiert wurde. Damals brachte ihn das geguttenbergte Gendergespött bis in den BILD-Blog, da wollte dann auch die herausgebende Ostsee-Zeitung nicht mehr mitmachen.

Inzwischen sind einige Tage vergangen und beide bislang erschienenen Kolumnen Torsten Heils wurden auf seinen Wunsch hin aus dem Verkehr gezogen („Ich hoffe, niemanden persönlich beleidigt oder angegriffen zu haben und entschuldige mich aufrichtig bei allen Leserinnen und Lesern, die dies anders empfunden haben.“). Es darf darüber nachgedacht werden, ob diese „Depublikation“ in Zusammenhang mit einer Pressemitteilung der LINKEN steht, in der die Frage aufgeworfen wurde, für wen Heil eigentlich spräche,

wenn er von ‚toleranten linken Gutmenschen, Macho-Gelaber-Hassern und Gleichberechtigungsfanatikern’ faselt. Dann erfolgt in eigentlicher Absicht ein Frontalangriff auf Ministerpräsident Sellering. […] Wenn er dies aber als stellvertretender Pressesprecher des Bildungsministeriums tut, dann wäre von Interesse, was sein Vorgesetzter, Bildungsminister Tesch, und sein oberster Dienstherr, Ministerpräsident Sellering, zu den Tiraden des Herrn Heil sagen.“ (DIE LINKE)

Ob diese Erklärung das Ergebnis einer arbeitgeberischen beziehungsweise bildungsministerialen Intervention ist, bleibt also spekulativ. Ironie der Geschichte ist es trotzdem, dass der Autor auch beim zweiten Versuch, sich an der Gender-Thematik abzuarbeiten, heftig ins Stolpern geriet.

HEILIGER BIMMBAMM: MACHO ODER SOFTIE?

Die Kolumne endet ebenso geistvoll wie sie begann mit der Einschätzung, dass Frauen heute schon eine ganze Menge schafften und dürften, und dass noch keine Quote für sie benötigt würde, stattdessen aber „vielleicht eine Emanzipation vom Softie, Schlaffi oder Gleichberechtigungsfanatiker“?

Egal, Hauptsache nicht mehr gutmenscheln!

Heil entlässt uns mit einem „scheinbar unlösbaren Dilemma“ aus seiner testestoronschwangeren Geisteswelt: Was soll er nun sein – Macho oder Softie?

Ich für meinen Teil halte es da ganz mit webMoritz-Kommentator RichardBaer, den die Kolumne offensichtlich in Sorge um seine Repräsentation als Mann brachte und der dem Kolumnisten empfahl: „Wenn du das nächste Mal darüber nachdenkst, was du so für Probleme hast, mach das mit deinen Freunden (ob Macho oder Softie) aus und lass „uns Männer“ bitte aus dem Spiel.

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Wer allen depublikativen Entwicklungen trotzen möchte, kann die Kolumne im originalen Wortlaut beim Lebewesen-Blog einsehen, wo sie dankbarerweise gespiegelt und für die Nachwelt aufbewahrt wurde. Eine Auseinandersetzung mit Heils kopierten Gedanken zum Thema geschlechtergerechter Sprache ist im Dezember 2010 hier auf dem Fleischervorstadt-Blog unter dem Titel Die Angst vor der Entmannung erschienen.