Rocker, Bürgerwehren, Siedlergemeinschaften, Autonome Nationalisten und neonazistische Firmennetzwerke — Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke analysiert in ihrem neusten Buch die vielseitig ausdifferenzierte rechtsextreme Szene in Mecklenburg-Vorpommern.
Die erste Auflage ist bereits restlos vergriffen, so dass sich die SPD-Fraktion des Landtags gezwungen sah, eine zweite Auflage nachzulegen. Gefährlich verankert– Rechtsextreme Graswurzelarbeit, Strategien und neue Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern heißt das Buch, das die freie Journalistin und Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke zusammen mit der sozialdemokratischen Fraktion des Landtags in der ersten Jahreshälfte 2015 publizierte.
Belege liefern, Verbindungen aufzeigen und vor rassistischen Biedermännern und -frauen warnen
Die SPD ist mit dem neonazistischen Problem — zumindest im Landesparlament — bestens vertraut, schließlich sitzen die Rechtsextremen dort seit 2006 ohne Unterbrechung und haben trotz leichter Verluste bei den letzten Landtagswahlen noch immer ihren einträglichen Fraktionsstatus halten können. Die SPD und zuvorderst Fraktionsvorsitzender Norbert Nieszery fühlen sich verpflichtet, „auf diese gefährlichen Entwicklungen hinzuweisen, Belege zu liefern, Verbindungen aufzuzeigen und vor rassistischen Biedermännern und -frauen zu warnen, die zu Brandstiftern werden.“ „„Gefährlich verankert“: Andrea Röpke über rechtsextreme Strukturen und neue Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern“ weiterlesen →
Heute Nachmittag lädt das Bildungsprojekt verquer mit einer Ausstellung und einem Spaziergang zum Gedenken an die Opfer der NSU-Morde ein. Der Gedenkspaziergang beginnt um 14 Uhr an der Mensa am Schießwall und endet um 16 Uhr mit einer Ausstellungseröffnung im Stadtteilzentrum Schwalbe in Schönwalde II.
„Während des Spaziergangs möchten wir mit kurzen Textlesungen der Opfer rechter Gewalt in Greifswald und der Opfer des NSU gedenken. Uns ist es wichtig auf dieses Thema aufmerksam zu machen, da rechte Gewalt häufig von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. Wir wollen dazu beitragen das zu ändern“, so Laura Armborst von verquer, einem Greifswalder Verein, der vor allem im Bereich entwicklungspolitischer Bildung aktiv ist und sich im Rahmen der Interkulturellen Woche mit den Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) beschäftigt. Das neonazistische Terrornetzwerk hat zwischen den Jahren 2000 und 2007 mindestens zehn Menschen ermordet.
Die Wanderausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ wurde vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB) e.V. entwickelt. Sie bleibt bis zum 24. Oktober in der Schwalbe und ist in dieser Zeit von Montag bis Freitag jeweils zwischen 14 Uhr und 18 Uhr geöffnet. Interessierten Gruppen und Schulklassen bietet verquer auf Nachfrage eine zweistündige Ausstellungsbegleitungen an.
Gestern präsentierte Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU) den aktuellen Verfassungsschutzbericht für Mecklenburg-Vorpommern. Im Vergleich zum Bericht des Vorjahres, der nach einem längeren Rechtsstreit zwischen dem Innenministerium und drei alternativen Vereinen nur noch in stellenweise geschwärzter Fassung verbreitet werden darf, hat sich nicht viel verändert
Die rechtsextreme Szene bleibt ein Problem, der sogenannte „Linksextremismus“ soll das Potenzial dazu haben; der Islamismus ist — gleich nach der Punkband Feine Sahne Fischfilet — die größte Gefahr für unsere Sicherheit und schlussendlich bedrohen Spione einheimische Technologieunternehmen.
Vor einer Woche wies das Oberverwaltungsgericht Greifswald eine Beschwerde des Innenministeriums zurück und entschied, dass das IKUWO sowie das Peter-Weiss-Haus und der Awiro e.V. aus Rostock auch weiterhin nicht im Verfassungsschutzbericht 2011 genannt werden dürfen. Damit bestätigte das OVG Greifswald das Urteil des Schweriner Verwaltungsgerichts aus erster Instanz, das im Januar 2013 zu dem Schluss kam, dass der Verfassungsschutzbericht 2011 nicht mehr in seiner ursprünglichen Form verbreitet werden dürfe.
KRIMINALISIERUNG LINKSALTERNATIVER VEREINE STATT AUFKLÄRUNG DER NSU-VERBRECHEN IN MV
Der Bericht für das Jahr 2011 erschien in seiner ursprünglichen Form erst im Oktober des vergangenen Jahres. Wer über einen Zusammenhang zwischen dieser Verspätung und den inzwischen bekanntgewordenen Erkenntnissen zum rechten Terrornetzwerk Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), das unter anderem für die Ermordung von Mehmet Turgut in Rostock sowie zwei Banküberfälle in Stralsund verantwortlich war, spekulierte, wurde jedoch enttäuscht — das NSU-Kapitel fiel denkbar dürftig aus.
Sehr viel umfangreicher berichtete der Verfassungsschutz indes über die Band Feine Sahne Fischfilet, deren Eilverfügung gegen ihre Erfassung im VS-Bericht ebenfalls vor einer Woche vom OVG Greifswald verhandelt und abgewiesen wurde. Als nachteilig soll sich in diesem Fall ein humoristischer Dankesgruß der Band an die Behörde ausgewirkt haben (mehr dazu im unten verlinkten ND-Artikel).
Kritik am Innenministerium gab es jedoch nicht nur für den Bericht selbst, sondern auch für die Entscheidung, die Beschwerde gegen das Urteil des Schweriner Verwaltungsgerichts nicht den Hausjuristen zu überlassen, sondern damit die Anwaltskanzlei Latham & Watkins zu beauftragen. Diese vertrat 2008 in den USA die ebenfalls von den deutschen Verfassungsschutzbehörden beobachtete Sekte Scientology. Die Landesregierung teilte in Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Grünen mit, dass das Innenministerium über die fragwürdige Mandantenschaft der beauftragen Kanzlei Bescheid wusste. Allein für die Erstellung des Beschwerdeschriftsatzes sollen Latham & Watkins dem Innenministerium 11.391,90 Euro in Rechnung gestellt haben. Ein Antrag der Grünen, das Verfahren gegen die drei Vereine und die Zusammenarbeit mit dieser Kanzlei einzustellen, wurde abgelehnt.
„WIR HOFFEN, AUCH ANDERE EMANZIPATORISCHE VEREINE ERMUTIGEN ZU KÖNNEN, SICH GEGEN REPRESSION ZU WEHREN“
Das IKUWO tauchte im Verfassungsschutzbericht 2011 übrigens an zwei Stellen auf. So hat dort im März 2011 im Rahmen des „Tags des politischen Gefangenen“ eine Vortragsveranstaltung mit Aktivisten aus Belarus stattgefunden, die über die anarchistische Bewegung in ihrem Land erzählten. Sie klärten dabei über die aktuelle politische Situation auf und berichteten über die massiven staatlichen Repressionen des Lukaschenko-Regimes, mit denen politische Aktivisten konfrontiert werden.
Weiterhin soll die Gruppe Antifaschistische Aktion Greifswald (AAG) neben anderen Orten auch Räumlichkeiten des IKUWOs genutzt haben. Der AAG wird zum Vorwurf gemacht, „maßgeblich an der Bildung des Bündnisses ‘Greifswald nazifrei’ beteiligt” gewesen zu sein, das sich im Vorfeld einer NPD-Demonstration am 1. Mai 2011 in Greifswald gründete.
Der Berliner Rechtsanwalt Peer Stolle, der in diesem Verfahren alle drei Vereine vertrat, konstatierte: „Der VS hat versucht unverzichtbare Träger der Zivilgesellschaft und anerkannte Institutionen alternativer Jugendarbeit in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Dafür war er bereit die Grenzen dessen was rechtlich zulässig ist zu überschreiten. Es ist wichtig dass das OVG dem einen Riegel vorgeschoben hat“. Der Sieg vor Gericht wurde natürlich auch im IKUWO positiv aufgenommen. Dort liest man das Urteil des OVG als Mutmacher für andere, die gleichsam von der Stigmatisierung durch Verfassungsschützer betroffen sind.
Pressesprecherin Nadja Tegtmeyer hofft, „dass wir mit dem erfolgreichen Verfahren auch weitere emanzipatorische Vereine und Gruppen ermutigen können, sich gegen Repressionen durch den Verfassungsschutz zu wehren und ebenfalls dagegen zu klagen.“
Für das Jahr 2012 liegt bislang noch kein Bericht vor, seine Veröffentlichung ist für den Sommer angekündigt. Dann darf man auf eine Retourkutsche des Innenministeriums gespannt sein.
Pressespiegel:
VS-Bericht: Linke Vereine gewinnen auch in der zweiten Instanz (Kombinat Fortschritt, 11.06.2013)
OVG bestätigt Schweriner Urteil zum Verfassungsschutzbericht (Ostsee-Zeitung, 11.06.2013)
Das Verwaltungsgericht Schwerin hat heute entschieden, dass das Landesinnenministerium den Verfassungsschutzbericht 2011 vorerst nicht mehr verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich machen darf.
AUCH INTERNATIONALES KULTUR- UND WOHNPROJEKT IM FOKUS DER VERFASSUNGSSCHÜTZER
Es hat sehr viel länger als üblich gedauert, bis die Schweriner Behörde im Oktober des vergangenen Jahres den Verfassungsschutzbericht 2011 veröffentlichte, doch gelohnt hat sich das Warten nicht. Dabei hätte das rechte Terrornetzwerk Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), das unter anderem für die Ermordung von Mehmet Turgut in Rostock sowie zwei Banküberfälle in Stralsund verantwortlich war, Anlass genug für eine innerbehördliche Aufarbeitung gegeben.
Innenminister Lorenz Caffier (CDU) räumt im Vorwort des Berichts ein, dass die Frage, wie es dem NSU möglich war, diese Taten zu begehen, ohne in den Fokus der Ermittlungsbehörden zu geraten, “die Arbeitsweise und Zusammenarbeit der betroffenen Behörden ganz grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt” habe. Dennoch, so Caffier, dürfe diese Frage „nicht den Blick auf die alltäglichen Herausforderungen durch den politischen Extremismus im Lande verstellen.“
Entsprechend dürftig fielen die im Verfassungsschutzbericht zu Papier gebrachten Erkenntnisse über den NSU aus. Stattdessen gerieten linksalternative Projekte ins Visier der Ermittler. Neben der Politband Feine Sahne Fischfilet — der im Bericht mehr Text als dem NSU zugestanden wurde — tauchten in der Publikation des Innenministeriums auch die beiden Rostocker Projekte Cafe Median und das Peter-Weiss-Haus sowie das Greifswalder IKUWO auf. Die drei linksalternativen Hausprojekte wehrten sich daraufhin mit juristischen Mitteln gegen die Stigmatisierung als Feinde der Verfassung — mit Erfolg, wie sich zeigte!
(Screenshot, 09.01.13)
Heute entschied das Verwaltungsgericht Schwerin gegen das Innenministerium und untersagte der Behörde einstweilig die Verbreitung des Verfassungsschutzberichts in digitaler und schriftlicher Form, soweit darin das IKUWO beziehungsweise die anderen beiden Projekte erwähnt werden.
ERWÄHNUNG IST MIT NEGATIVER STIGMATISIERUNG VERBUNDEN
Das Internationale Kultur- und Wohnprojekt aus Greifswald (IKUWO) tauchte in diesem Bericht zweimal auf. Anlass hierfür war einerseits eine Vortragsveranstaltung mit Aktivisten aus Belarus, die über die anarchistische Bewegung in ihrem Land sprachen und die Anwesenden über die aktuelle politische Situation und die massiven staatlichen Repressionen im Lukaschenko-Regime aufklärten, mit denen politische Aktivisten konfrontiert werden.
Im Verfassungsschutzbericht wird weiterhin über die Gruppe Antifaschistische Aktion Greifswald (AAG) geschrieben, die „maßgeblich an der Bildung des Bündnisses ‚Greifswald nazifrei‘ beteiligt“ gewesen sein soll und die Räumlichkeiten des IKUWO nutzen würde. Die Verfassungsfeindlichkeit dieser Gruppe wurde bislang zwar nicht nachgewiesen, die Stigmatisierung als ’staatsfeindlich‘ funktioniert dennoch — und wird auch unweigerlich auf Projekte und Zusammenschlüsse übertragen, die zusammen mit ihr erwähnt werden.
Das Schweriner Verwaltungsgericht bewertete die Erwähnung des IKUWO im Verfassungsschutzbericht 2011 als Grundrechtseingriff, der geeignet ist, “sich abträglich auf das Bild des Antragstellers in der Öffentlichkeit auszuwirken”. Zudem wurde festgestellt, dass mit der in Aufmerksamkeit erweckender Weise hervorgehobenen Nennung des Kulturprojekts „eine negative Stigmatisierungswirkung verbunden ist.“
(Montage: Enrico Pense)
Wie schwer in diesem Zusammenhang ein Eintrag im Verfassungsschutzbericht wiegt, bekam vor einigen Jahren die Greifswalder Ortsgruppe der Roten Hilfe zu spüren. Gegen die linke Rechtshilfeorganisation wurde damals eine regelrechte Kampagne losgetreten, in deren Rahmen Veranstaltungsorte wie zum Beispiel das Klex spürbar unter Druck gesetzt wurden, um die Nutzung und Vermietung von Räumen oder Postfächern durch die Rote Hilfe zu unterbinden. All das geschah mit Verweis auf die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht, den die wenigsten Stimmungsmacher von damals überhaupt gelesen haben dürften.
VERFASSUNGSSCHUTZ SOLL PRIORITÄTEN ÜBERDENKEN!
Nach dem Behördenversagen in Zusammenhang mit den NSU-Morden und der geschredderten Aufarbeitung staatlicher Unterstützung rechtsterroristischer Strukturen sollten die jährlichen Berichte der Verfassungsschutzbehörden eigentlich nur noch eine untergeordnete Rolle spielen und mit Skepsis betrachtet werden. Das Schweriner Verwaltungsgericht hat heute dazu eine klare Position eingenommen.
Der Berliner Rechtsanwalt Peer Stolle, der alle drei Hausprojekte anwaltlich vertrat, erklärte heute zum Urteil: „Die Entscheidung verdeutlicht, dass auch der Verfassungsschutz in seiner Arbeit an Recht und Gesetz gebunden ist. Der Möglichkeit, die wertvolle und unverzichtbare zivilgesellschaftliche Arbeit von Jugendprojekten in M-V zu diskreditieren, wurde jetzt ein Riegel vorgeschoben.“ Auch die rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Barbara Borchardt, begrüßt das Urteil: „Aus meiner Sicht ist dies ein Erfolg für zivilgesellschaftliches Engagement in MV.“ Innenministerium und Verfassungsschutzbehörde seien aufgefordert, „künftig von derart rechtswidrigem Verhalten Abstand zu nehmen und gegebenenfalls ihre Prioritätensetzung zu überdenken.
Die Strukturen der rechten Szene Mecklenburg-Vorpommerns sind seit Jahren eng miteinander verwoben, doch erst der Einzug der NPD in den Landtag 2006 gab den Neonazis die finanziellen Möglichkeiten, ihre Netzwerke so stark aufzustellen wie heute.
RECHTSEXTREMISMUS IN MV MIT KNAPP 7 MILLIONEN EURO SUBVENTIONIERT
Knapp 1.240.000 Euro bezog die Landtagsfraktion der NPD im vergangenen Jahr aus der öffentlichen Hand. Darunter fallen zum Beispiel die Diäten der Abgeordneten, mit denen ihr zur Profession entwickelter Hass stattlich wie staatlich entlohnt wird. NPD-Spitzenverdiener ist dabei Udo Pastörs, der als Fraktionsvorsitzender mit einem Bruttomonatsgehalt von über 10.000 Euro doppelt so viel verdient wie ein normales Mitglied der Fraktion, das mit 5393,10 Euro auskommen muss.
Darüber hinaus erhalten die antidemokratischen Landtagsmitglieder der NPD zur Gewährleistung ihrer parlamentarischen Arbeitsfähigkeit Zuwendungen für die Unterhaltung ihrer Wahlkreisbüros. 2011 gab es hierfür monatlich 1236 Euro je Abgeordneten sowie knapp 3500 Euro für weitere Personalkosten. Hinzu kamen im vergangenen Jahr noch Fraktionszuschüsse von über 590.000 Euro. Seit ihrem Einzug in den Landtag 2006 flossen auf diese Weise fast 7 Millionen Euro in die Kassen der NPD MV und auf die Konten gut vernetzter Neonazis.
(Tabelle: Endstation Rechts, 08/2011)
DAS GELD WANDERT DIREKT IN DIE SZENE
Was mit diesen Geldern angestellt und aufgebaut wird, das kann man zum Beispiel in Grevesmühlen begutachten. Dort befindet sich mit dem sogenannten „Thinghaus“ ein nationales Immobilienprojekt hinter stacheldrahtbesetztem Palisadenzaun, der nur von einem Wachturm überragt wird. Hier hat unter anderem das rechtsextreme Internetportal Mupinfo seinen Sitz. „Rechtsextreme Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern — vom Landtag bis zu Blood & Honour“ weiterlesen →
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