Vor etwa einem halben Jahr machte ich auf einige Devotionalien aufmerksam, mit denen der bedingungslosen Hingabe zur Hansestadt Greifswald Ausdruck verliehen werden kann. Das damals überschaubare Angebot zwischen Campus-Kleidung, Murder City und HGWaii-Accessoires wird nun dank Komma 10 um einige Artikel mit zum Teil staubfängerischen Qualitäten erweitert.
Lokalpatriotismus hat seinen Preis
Die Palette reicht dabei von Schlüsselanhängern und Flaschenöffnern über hanseatische Schneekugeln und Thermometer bis hin zu Plaketten für den hoch dekorierten Wanderstab. Das Angebot ist überraschend hochpreisig und die Artikel kosten jeweils zwischen zwei und sechs Euro. Lokalpatriotismus hat eben seinen Preis.
Mein persönlicher — und auch tatsächlich gekaufter — Favorit ist der handelsübliche Stoffbeutel mit aufgedrucktem Foto vom Blick auf den Dom; Kostenpunkt: exorbitante 2,50 Euro.
In der kommenden Woche werden 19 Examenskandidaten des Caspar-David-Friedrich-Instituts ihre Abschlussarbeiten präsentieren. Wie jedes Jahr bedeutet dieses Spektakel für Interessierte Kunst und Kulinaria satt.
„210 SEMESTER KUNST“ VERTEILT ÜBER DIE STADT
Dieses Jahr präsentiert man sich ungewohnt geschlossen und lädt gemeinsam zu 210 Semester Kunst ein. Eigens für diese Woche wurde eine Art Collage der einzelnen Flyer erstellt und als Plakat veröffentlicht. Ab Dienstag werden Vernissagen zu Einzel- und Gruppenausstellungen in den unterschiedlichsten Räumen stattfinden. Werbung
Für Bewohner der Fleischervorstadt dürften die Ausstellungen von Eva Lange, Nora Steglich und Hauke Theuert von besonderem Interesse sein, werden sie doch in einer leeren Wohnung in unmittelbarer Nachbarschaft stattfinden.
Am 15. April endet die Ausstellungsreihe mit einer großen Auktion in der Dompassage, auf der ausgesuchte Kunstwerke versteigert werden. Hier noch eine Übersicht der Ausstellungsorte, Künstler und Vernissagen:
Derzeit finden mehrere Präsentationen von Studierenden des Caspar-David-Friedrich-Instituts statt und so werden auch die nächsten Wochen von verschiedenen Vernissagen bereichert.
Die Entpuppung des vermeintlich Authentischen
Heute darf dann auch gleich zweimal angestoßen werden, denn M. Kardinal übt sich in zeitlicher Verdichtung, wenn sie Vernissage und Finissage ihrer Ausstellung Il diario di bambola auf den gleichen Abend legt.
Das Tagebuch der Puppe ist eine fotografische Auseinandersetzung mit einer Imitation, die einen authentischen Körper darzustellen scheint und ihn gleichzeitig als Artefakt vorführt. Die Suche nach dem echten Körper führt zu seinen entrückten Platzhaltern und macht Wahrnehmungsmuster und Erwartungshaltungen sichtbar. Den diarischen Gehalt des Ausstellungstitels soll ein Film erfüllen, der die präsentierten Fotografien begleiten und die Erinnerungen der Puppe wecken wird.
Unintendierter politischer Akzent
Die Vernissage wird in der Privatwohnung der Künstlerin stattfinden, was dem Abend wohl eine sehr intime Note beigeben dürfte und ganz nebenher eine viel zu selten thematisierte Problematik sichtbar macht: den offenkundigen Mangel an Ausstellungsorten.
Alljährlich machen sich Kunststudenten auf die Suche nach Räumlichkeiten für die Abschlusspräsentationen ihres Studiums. Neben den wenigen – inzwischen üblich-verdächigen – Adressen wie Nexö- und Dompassage, dem Begegnungszentrum Felix Hausdorff, der Alten Bäckerei oder der Medienwerkstatt, ist es um eine kunsträumliche Vielfalt eher schlecht bestellt. Was liegt da also näher, als notfalls die eigene Schlafstätte zum Ausstellungsraum zu machen?
Und so hat die angekündigte Vernissage im Epizentrum der Fleischervorstadt ganz nebenbei einen politischen Gehalt, auch wenn der nicht unbedingt intendiert ist.
Trotz des privaten Rahmens, in dem die Ausstellung stattfinden wird, sind natürlich alle Interessierten herzlich eingeladen.
Schon mehrfach wurde hier auf das selbsternannte Dokumentationskollektiv daklebwas hingewiesen, das kontinuierlich in Greifswald entdeckte Streetart fotografisch festhält und veröffentlicht.
FOTOGRAFIEREN, ARCHIVIEREN, PRÄSENTIEREN
In der eigens bei der Fotocommunity Flickr angelegten Gruppe streetart greifswald werden die Fundstücke zusammengetragen und es besteht auch für andere Mitglieder des Netzwerks die Möglichkeit, dort eigene Fotos freier urbaner Kunstwerke zu präsentieren.
Vor kurzem wurde auf dem Blog von daklebtwas ein ungewöhnlicher Stadtplan Greifswalds veröffentlicht und damit vielleicht ein Grundstein für die Kartographierung Greifswalder Streetart begonnen. Auf der Karte werden Bilder mit dem Tag Streetart lokalisiert, ein Klick auf die entsprechenden Markierungspunkte öffnet ein Vorschaubild des ausgewählten Fotos und ist mit dem höher aufgelösten Original verknüpft. Bitte unbedingt Ausprobieren! Werbung
GREIFSWALDER BANKSY-ADAPTION
Ein Motiv des wohl berühmtesten Streetart-Vertreters -Künstler Banksy aus Bristol – das zwei küssende männliche Polizisten zeigt, ist auch in Greifswald adaptiert worden.
An der Plakatwand gegenüber vom Audimax kann man noch heute die Reste begutachten. Daklebtwas hatten das Bild zum Glück relativ schnell dokumentiert, so dass man die Greifswalder Variante (links) dem Original (rechts) gegenüberstellen kann. Statt den Bobby tragenden, britischen Polizisten sind hier zwei Burschenschafter zu bestaunen, ein herrlicher Beitrag.
Heute Abend wird in der Medienwerkstatt des CDFI eine Vernissage gefeiert werden. Unter dem Titel Raum Taucher werden die beiden Greifswalder Kunststudentinnen Ramona Czygan und Jihoo Park im Rahmen ihrer Abschlusspräsentation Fotografien ausstellen.
Czygan schließt damit ihr Masterstudium mit dem Schwerpunkt Fotografie ab. Auf ihrer Homepage, die in der jüngsten Zeit leider kaum mit Aktualisierungen bedacht wurde, hat sie zehn Bilderserien veröffentlicht, die einen Querschnitt ihres Schaffens und ihrer Vielseitigkeit darstellen und unbedingt angesehen werden sollten.
Nach der Vernissage werden die Bilder noch bis zum 31. März in der Medienwerkstatt zugänglich sein.
Der Lokalsender Greifswald TV blickt in einer zwölfminütigen Sendung auf die Debatte über den umstrittenen Namenspatron der Universität Greifswald, Ernst Moritz Arndt, zurück. Dabei gelingt etwas, das die Ostsee-Zeitung nicht zu schaffen vermochte: eine ausgewogene Darstellung der Auseinandersetzung zwischen Umbenennungsgegnern und -Befürwortern.
Der Rückblick wird – fast schon ein wenig knoppistisch angehaucht — vom webMoritz-Chefredakteur Carsten Schönebeck klug kommentiert, beginnt mit der öffentlichen Lesung von Arndt-Texten vor der Mensa und endet mit der Senatsentscheidung am 17. März. Man sollte sich den Beitrag unbedingt ansehen.
Die Bedeutung von Ausgewogenheit
Wieso Ausgewogenheit bei diesem erstaunlich emotional behandelten Thema notwendig ist, konnte man dieser Tage in der Greifswalder Ostsee-Zeitung lernen. Dort wurde über einen Kommentar von Geographie-Professor Klüter zum Abstimmungsergebnis berichtet. Dieser OZ-Artikel wurde mit der Überschrift Arndt-Debatte: Klüter vergleicht Entscheidung mit Nazi-Beschluss versehen.
Die ersten Reaktionen erfolgten prompt und stehen exemplarisch für den Umgang mit Arndt-Kritikern in Greifswald:
„Er beschimpft ganze Berufsrichtungen (in gewisser Hinsicht als nicht mehr zurechnungsfähig)“ (Lothar Brandt aus Neuenkirchen)
„Die Aktivisten von „Uni ohne Arndt“ (UoA) geben sich mit der demokratischen Entscheidung nicht zufrieden und versuchen
weiter, Menschen zu manipulieren.“ (Simone Paluske aus Greifswald)
„Bei diesen Äußerungen kann man Herrn Prof. Klüter nur nahelegen, dringend ein Seminar für Demokratie und Toleranz zu besuchen […] Es ist nicht möglich, einen solchen Menschen als ein moralisches Vorbild unserer Gesellschaft zu akzeptieren“ (Axel Hochschild, CDU)
Vielleicht wäre das Echo weniger volkszornig ausgefallen, hätte man für den Artikel eine sachlichere Überschrift entwickelt oder ihn am Ende gar abgedruckt. Eigentlich ist es fast schon verwunderlich, dass die Ostsee-Zeitung noch keine ihrer berüchtigten Online-Umfragen mit der Abstimmung über eine Entlassung Klüters durchgeführt hat.
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