Auf einem guten Weg: Mehr als 900 Menschen demonstrierten friedlich gegen Neonazis

Die von der Gruppe Defiant organisierte Antifa-Demonstration vom 10.12. ist in mehrerlei Hinsicht als Erfolg zu werten. Die erwartete Teilnehmerinnenzahl wurde weit übertroffen und trotz der martialischen Aufrufe gestaltete sich der Tag fast ausnahmslos friedlich.

Die im Vorfeld der Veranstaltung von Seiten der Ostsee-Zeitung geschürten Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. Gemeinsam und vielfältig wurde ein deutliches Signal gesendet — sowohl nach innen als auch nach außen.

Neunhundert Menschen, sieben Kilometer, zwei Blöcke, eine Idee: Kein Platz für Nazis!

Mehr als 900 Leute, von denen sich etwas mehr als die Hälfte — zumindest vereinfacht — dem klassischen Antifa-Spektrum zugeordnen ließ, versammelten sich am Südbahnhof. Dem vorwiegend von jungen Männern besetzten ersten Block folgte ein zweiter, der bunter zusammengesetzt war und je nach Position mehr oder weniger unausweichlich dem hedonistischen Spaziertanzdiktat unterstand; dazu bekannte kommunalpolitische Gesichter aus den Reihen der Grünen und Mitglieder der Piratenpartei.

Die Demonstration dauerte dreieinhalb Stunden und führte vom Startpunkt Südbahnhof durch die Neubaugebiete Schönwalde I und II bis zur Mensa am Wall. Auf der über sieben Kilometer langen Strecke wurden insgesamt fünf Redebeiträge gehalten, unter anderem von der Antirassistischen Initiative aus Greifswald, die auf die Lebensbedingungen von Flüchtlingen hinwies.

Taktiker in Grün-Weiss: Zurückhaltung und (De)Eskalation

Die Polizei verhielt sich zu Demonstrationsbeginn zurückhaltend, verschärfte dann aber zusehends die Einsatzstrategie und flankierte schlussendlich den ersten Block auf beiden Seiten mit geschlossenen Polizeiketten. Die Route führte unter anderem am Haus eines federführenden Aktivisten der Nationalen Sozialisten Greifswald (NSG) vorbei, zu dessen Schutz sich die Polizei davor mit zwei Wasserwerfern und mehreren Einsatzwagen aufstellte und vermutlich aus Angst vor Ausschreitungen die Demonstration vom Gebäude abschirmte.

Nachdem dieser Teil der Strecke passiert wurde, wich die Anspannung bei den Protestlern und den Beamten, einem ruhigen Ende der Demonstration stand nichts mehr im Wege. Doch kurz vor der Europakreuzung drohte die Situation ein letztes Mal zu eskalieren, als mehrere Polizisten in den Block eindrangen, um Einzelne an diesem späten Dezembernachmittag wegen des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot festzunehmen.

Der Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen (AKJ), der als Beobachter an der Veranstaltung beteiligt war, kritisierte Ort und Zeitpunkt dieser Festnahmen, die „an einem stark frequentierten Ort kurz vor Ende der Demonstration“ durchgeführt wurden:

„Durch die absehbare Unruhe wurde bei den Passant_innen der Eindruck einer äußerst gewalttätigen Demonstration geweckt, was nicht dem bisherigen Demonsrationsverlauf entsprach. Es drängt sich der Eindruck auf, als ob die Polizei diese Maßnahme bewusst an einem der belebtesten Orte Greifswalds durchgeführt hat.“

Zusammenfassend kann bilanziert werden, dass die Demonstration sowohl vonseiten der Polizei als auch der Demonstrierenden weitesgehend unaufgeregt und besonnen verlief. Es wurden vier Personen festgenommen. Auch Polizeisprecher Falkenberg zeigte sich mit dem Ablauf der Demonstration insgesamt zufrieden und bedankte sich für die gute Kooperation und Kommunikation mit den Organisatoren, wie der webMoritz berichtete.

Vermummen statt verstummen!

Die Polizei verstärkte im Verlauf der Demonstration allerdings nicht nur ihr personelles Aufgebot, sondern begann auch damit, Teilnehmerinnen zu filmen. Dies tat sie in Reaktion auf die mehrfach übermittelte Aufforderung, dass Anzünden von Feuerwerkskörpern zu unterlassen. Was dem Einzelnen seine Demonstrationsamtosphäre bedeutet, nahm so vielen anderen das Recht auf das eigene Bild.

Die Beamten waren nicht die Einzigen, die reges Interesse daran zeigten, Foto- und Videoaufnahmen von der Demonstration zu machen So hingen unzählige Anwohner an den Brüstungen ihrer Balkone oder es wurden am Straßenrand die Kameras gezückt, um die aufregensten Momente für die Nachwelt festzuhalten — endlich mal was los! Einige dieser Fotografen traten vermummt an ihre Fenster und zeichneten gewissenhaft auf, wer da unten vorbeimarschierte. Nicht jeder Schaulistige mit gezückter Kamera ist ein Neonazi, jedoch war die politische Zuordnung einige Male, zum Beispiel beim gezeigten Hitlergruß in Schönwalde oder beim Fahrzeug, was neben der Koitenhäger Landstraße parallel zur Demo fuhr und durchgehend filmte, überdeutlich.

Wem will man da verübeln, wenn er Schal und Mütze tiefer ins Gesicht zieht, um die missbräuchliche Verwendung des eigenen Bildes zu verhindern? Noch dazu im Dezember, nachdem die Teilnehmerinnen schon mehrere Stunden im Freien verbrachten? Das Vermummungsverbot scheint angesichts der technischen Ausrüstung mancher Privathaushalte nicht mehr besonders zeitgemäß, wenngleich es am Sonnabend nur gegen Teilnehmerinnen des ersten Blocks durchzusetzen versucht wurde.

Auf Krawall aus: Die Ostsee-Zeitung

Der große Verlierer der vergangen Woche ist traurigerweise die Lokalzeitung, die gleich zwei Themen zur rechtsextremen Problematik versemmelte. Aufregungen und Skandale sind die essentiellen Wesenszüge des Lokalteils, seit Redaktionsleiter Fischer seine Vision eines zeitgemäßen Action-Journalismus zu verwirklichen sucht.

Bei der jüngsten 24-Stunden-Vorlesung dozierte der junge Redaktionsleiter darüber, dass die Leserinnen kaum einen Artikel bis zum Schluss lesen würden und der knalligen Überschrift darüber deswegen eine noch größere Relevanz zukäme. Angesichts solcher Feststellungen sollte er sich vielleicht besser fragen, woran seine Artikel kranken. Vor allem aber wäre ein behutsamerer Umgang mit Überschriften angeraten.

Schon die Ankündigung spiegelt wider, wie sich der Redakteur eine linke Demonstration vorstellt: als Event, in dessen Vordergrund die eingesetzten Polizeikräfte stehen, die „den Demonstrationszug vor Übergriffen zwischen Links- und Rechtsextremisten absichern“ sollen. Wenige Zeilen später räumt man zwar ein, dass es nach OZ-Informationen noch (!) keine  „konkreten Hinweise auf mögliche Auseinandersetzungen“  gäbe, aber bis dahin werden die Artikel der OZ ja nach Aussage des Chefredakteurs kaum gelesen.

Und so fiel dann auch das Resümee der Zeitung aus: „Polizei nimmt vier linke Randalierer fest“. Das ist die Kernaussage, die vom Sonnabend bleibt. Und wie sahen die Demonstranten aus? „Die meisten von ihnen schwarz gekleidet, zum Teil vermummt, mit Bannern, auf denen wütende Sprüche standen“. Die zufriedene Bilanz der Polizei blieb außen vor.

Dabei lobte Fischer nur eine Spalte weiter die hiesige Zivilgesellschaft und malt gleichzeitig an seiner eigenen schwarz-weißen Welt weiter: „In Greifswald sind am Wochenende nicht nur linksautonome Demonstranten aus Berlin und Hamburg, sondern auch junge Menschen aus Vorpommern gegen Rechts auf die Straße gegangen. Nicht im schwarzen, sondern im bunten Block. Sie wollen nicht hinnehmen, dass rechtsextremes Gehabe zur Normalität wird. In keiner anderen Stadt im Nordosten zeigen die Menschen so entschieden Gesicht gegen Rechts wie in Greifswald. Deshalb sammeln wir im Rahmen unserer OZ-Weihnachtsaktion für die Kunstwerkstätten, die einen Teil dieser gelebten Zivilgesellschaft hinaus in den Landkreis tragen.“

Dass der gleiche Chefredakteur sich und die von ihm verantwortete Lokalzeitung hier einzureihen versucht, ist angesichts seines reißerischen Umgangs mit dem Thema eine Schande. Pfui Teufel, Herr Fischer!

Was bleibt?

Demonstrationen verändern fast nie etwas und doch wirken sie nicht selten auch noch nach ihrer Auflösung weiter. Die Gruppe Defiant hat ihre erste große Demo organisiert und die erwartete Teilnehmerzahl weit übertroffen. Viele Leute im bunten Block erweckten zwar den Eindruck, dass sie aufgrund des als martialisch kritisierten Mobilisierungsaufrufs Bedenken bezüglich eines geordneten und gewaltfreien Ablaufs der Demonstration trügen, jedoch verlief die Veranstaltung in Anbetracht der Beteiligung weitesgehend frei von Zwischenfällen. Wer in Greifswald wirkliche Auseinandersetzungen sucht, muss sich schon nachts vor der Mensa oder zum Jahresende auf dem Marktplatz umsehen.
defiant

Aber mit einer Demonstration ist das Greifswalder Neonazi-Problem selbstverständlich nicht gelöst, und das wissen auch die Aktivistinnen von Defiant, die in ihrer Pressemitteilung die Demo zwar als Erfolg bewerten und einen sehr gelösten Eindruck machten, jedoch auch darauf hinwiesen, dass der Kampf gegen die Neonazis „das gemeinsame Zusammenhandeln aller und viel Ausdauer“ braucht. Man kann sich nach diesem Wochenende dem defiantistischen Statement anschließen und ebenso hoffnungsvoll enden: Wir sind auf einem guten Weg!

Mehr zum Thema:

  • Demobeobachtung von der Antifa-Demo (PM AKJ, 10.12.11)
  • Greifswald im Winter (Kombinat Fortschritt, 11.12.11)
  • Wasserwerfer am Wegesrand – Antifa-Demo zieht durch Greifswald (webMoritz, 11.12. 11)
  • 900 Personen bei Anti-Nazi-Demo in Greifswald (daburna, 11.12.11)
  • Antifaschistische Demonstration (Moritz TV, 11.12.11)
  • Schlägereien nach Anti-Rechts-Demo (NDR, 11.12.11)
  • Wer ein Mal lügt (Ostsee-Zeitung-Blog, 12.12.11)
  • Was so berichtet wurde (Pressespiegel Defiant, 12.12.11)

Resonanz auf hedonistische Uni-Umbenennung: „Sie operieren weitgehend bei Nacht“

In den späten Abendstunden des 17. Oktober inszenierten die noch immer nicht vom Verfassungsschutz beobachteten Situationisten H.i.G.H. (Hedonismus inna Greifswalder Hochschule) eine symbolische Umbenennungsaktion der Ernst-Moritz-Arndt-Universität. Nachdem sich der webMoritz über das Spektakel amüsierte, erzürnte sich Thorben Vierkant wenig später stellvertretend für den Greifswalder RCDS über diesen angeblich undemokratischen Akt der Entarndtung.

greifswald uni(Foto: Grenzfrequenz via Flickr)

ASTA-REFERENT KRITISIERT MANGELNDE AUSEINANDERSETZUNG MIT ARNDT

franz kuentzel asta greifswaldInzwischen sind zwar fast drei Wochen vergangen, doch das Thema Umbenennung geisterte trotzdem noch weiter vor sich hin. So wies Franz Küntzel, AStA-Referent für Hochschulpolitik, via Pressemitteilung darauf hin, „dass der Namenspatron als kritische Figur der Zeitgeschichte immer noch nicht genügend Beachtung seitens der Universitätsleitung gefunden hat“ und kritisiert, dass sich Rektor Prof. Rainer Westermann „trotz etlicher Diskussionen, Vollversammlungen und StuPa-Beschlüssen der letzten Jahre, sowie der Urabstimmung um den Namen der Universität“ weiterhin bedeckt halte, wenn es um die kritische Auseinandersetzung der Uni mit Arndt gehe.

Das „Totschweigen von Seiten der Universitätsleitung“ sei „ein Schlag ins Gesicht“ für alle Studierenden und Bürger, die an der Debatte beteiligt gewesen seien.

NORDKURIER: LIEBE, LUST UND UMBENENNUNG

Auch der Nordkurier nahm sich der Sache an. Am Freitag erschien dort ein Artikel über die eigentlich relativ unspektakuläre Aktion, in dem festgestellt wird, dass die Greifswalder Sektion „weitgehend bei Nacht“ operiere und nicht weniger fordere, als dass die Umbenennung der Universität endlich selbst in die Hand genommen werde.

nordkurier arndt greifswaldDer Autor des Artikels bemüht sich redlich um eine angemessene Darstellung der hedonistischen Idee. Neben dem Text wurde auch noch ein Infokasten mit allgemeinen, der Wikipedia entnommenen Informationen über die Hedonistische Internationale platziert. Diese Ehrlichkeit in Bezug auf die Zitation der Wikipedia könnte der hiesigen Lokalzeitung glatt zum Vorbild gereichen!

Was der verantwortliche Journalist, dessen E-Mail die Hedonistinnen offenbar nicht erreichte, über besagten Eintrag in der Online-Enzyklopädie nicht wissen konnte, ist dessen Autorenschaft, die in urhedonistischen Zirkeln zu verorten ist. Solche Nebensächlichkeiten, amüsantere Zoten und Binnenperspektiven auf das, was gelebten und in einer Sektion (un)organisierten Hedonismus ausmachen kann, erfährt man in einer neuen Folge von Tim Pritloves Chaosradio Express. Die Podcastlegende war übrigens im Mai 2011 bei einer Podiumsdiskussion über Bürgerjournalismus in Greifswald zu Gast. Für die oben verlinkte, fast zweistündige Sendung blieb Pritlove allerdings in der Hauptstadt und traf sich dort mit den beiden Berliner Hedos Abdula und Karl. Hören, verstehen, verstören!

Rechtsstreit: Frauenfeind Mario Barth rückt der Linksjugend M-V zu Leibe

War das wirklich ernst gemeint? Der Rechtsanwalt Christian Schertz schickte der Linksjugend [’solid] Mecklenburg-Vorpommern unlängst eine Unterlassungserklärung, die darauf abzielte, dass der linke Jugendverband nie wieder den Steinzeithumoristen Mario Barth abbilden dürfe und die veröffentlichten Druckvorlagen umgehend von der Internetseite des Verbands zu entfernen habe.

Zur Vorgeschichte: Die Linksjugend veröffentlichte unlängst Materialien mit dem Konterfei des durch seinen frauenfeindlichen Humor berühmt gewordenen Komödianten, die von der Feststellung „sexistische Rollenklischees haben so einen Barth“ flankiert wurden.

„GEH DOCH SELBER SCHUHE KAUFEN!“

Der Verband unterschrieb die Unterlassungserklärung nicht, bemühte stattdessen selbst einen Anwalt und hob die Druckvorlage nach kurzweiliger Löschung wieder zurück auf die Homepage. In einer Pressemitteilung erklärte [’solid]:

Im Kampf um Gleichberechtigung stellen Verunglimpfungen, und seien sie noch so unernst gemeint, immer einen Teil der Unterdrückung dar. Solche Äußerungen stellen im politischen Ringen der vielen Frauenrechtsorganisationen, Gleichstellungsbeauftragten, und auch politischen Organisationen, wie der unseren, eine Positionierung dar.

Mario Barth reduziert ein ganzes Geschlecht, die Hälfte der menschlichen Weltbevölkerung auf Schuhe, Einkauf und sonstige, als „frauentypisch“ angesehene Eigenschaften. Diese sind meist negativ behaftet und sprechen Frauen Kompetenzen ab. Sie stellen den Mann über die Frau und zementieren die derzeit herrschenden gesellschaftlichen Mechanismen.

(Bild: Druckvorlage Linksjugend M-V)

Der Verband teilt in seiner Pressemitteilung außerdem mit, dass er auch weiterhin gegen die Verbreitung sexistischer Rollenklischees vorgehen werde. In Kürze soll ein thematischer Flyer veröffentlicht werden, der sich inhaltlich mit den durch Mario Barth bedienten Rollenklischees auseinandersetzen wird. Darüber hinaus wird eine Veranstaltungsreihe angekündigt, in der sexistische Unterdrückungsmechanismen in den Medien in den Fokus gerückt werden sollen.

Intern: Der Fleischervorstadt-Blog wird 1000!

Heute darf ein kleines Jubiläum verkündet werden, denn auf dem Fleischervorstadt-Blog ist mit der vorliegenden Meldung der nunmehr tausendste Beitrag veröffentlicht worden! Doch bevor hier vor lauter Selbstgratulation die Sektkorken knallen, soll dieses Jubiläum mit einem verschriftlichten Selbstgespräch zum Anlass genommen werden, einen Blick hinter die Kulissen zu risikieren.

“MAN MUSS ZUMINDEST VERSUCHEN ZU BESCHREIBEN, WAS MAN NICHT VERÄNDERN KANN” 

Seit wann existiert der Blog und warum hast du damit anfangen, im Netz zu schreiben?

Der erste Beitrag wurde hier im November 2005 veröffentlicht. Angetrieben vom Willen, selbst zu bloggen und dieses faszinierende neue Medium aus Produzierenden-Perspektive entdecken zu können, begann ich damals die Arbeit an der Seite. Ich versammelte Kuriositäten und orthografische Missgeschicke aus unserer Umgebung.

17vier header altUnd seitdem läuft der Blog so wie heute?

Nein, leider nicht. Zwischendurch gab es immer wieder Phasen, in denen über Wochen nichts veröffentlicht wurde. Erst im Laufe des Jahres 2008 gewann die Seite an Fahrt: Die Beiträge wurden ausführlicher, die Publikationsfrequenz steigerte sich und die Zahl der täglichen Leserinnen begann zu wachsen.

Wieviele Leute erreichst du denn heute täglich und warum sprichst du von Leserinnen und nicht von Lesern? Sind hier nur Frauen unterwegs? 

Inzwischen zähle ich hier täglich mehr als 1000 Besucher, deren Zugriffe in über 55% der Fälle aus Greifswald stammen. Den Frauenanteil schätze ich dabei auf ungefähr 40%. Da ich kein Freund des Binnen-I, der Doppelnennung oder des Unterstrichs bin, mich aber trotzdem um eine gewisse gender fairness bemühen möchte, versuche ich, möglichst fließend zwischen generischem Maskulinum und generischem Femininum zu changieren. Geschlechtergerechte Sprache ist mir grundsätzlich sehr wichtig, Lesbarkeit aber ebenso.

Eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Thema veröffentlichte ich vor einem knappen Jahr unter dem Titel Die Angst vor der Entmannung. Das war eine Replik auf das antifeministische Plagiat eines inzwischen geschassten Lokaljournalisten und späteren Hilfsangestellten im Bildungsministerium.

“IST DAS NOCH BOHÈME ODER SCHON DIE UNTERSCHICHT?”  

Wieviel Zeit und Energie investierst du in den Fleischervorstadt-Blog? Ist das für dich sowas wie ein Hobby oder eher eine Arbeit?

Inzwischen beides. Der Blog hat sich für mich zu Beginn des Jahres 2009 von einem Hobby zu einer Art Arbeit entwickelt, und zwar aus drei Gründen: Erstens hat sich — nicht zuletzt durch die selbstgenerierte Publikationserwartung der Leserschaft — der notwendige zeitliche Aufwand massiv erhöht. Dieser war irgendwann so groß geworden, dass ich zweitens beschloss, mit dem Blog auch etwas Geld zu verdienen. Seit März 2009 beschäftige ich mich also auch mit der Monetarisierung der Seite. Und drittens habe ich das Gefühl, mich jetzt in diesem Projekt so fest eingerichtet zu haben, dass ich da auch gar nicht mehr einfach so rauskomme.

Viele Organisationen schicken mir Pressemitteilungen oder möchten gern ihre Veranstaltung angekündigt sehen. Ich empfange täglich knapp 100 solcher E-Mails und habe wirklich tüchtig zu tun damit, zu sortieren, auszuwählen und gegebenenfalls etwas zu den Themen zu schreiben.

fleischervorstadt-blog

Neben einer Arbeit ist der Fleischervorstadt-Blog für mich aber nunmehr eine Aufgabe geworden. Die Seite dient ja nicht zuletzt auch dazu, Subkultur in all ihren Ausprägungen sichtbar zu machen, zu vernetzen, zu informieren und zu mobilisieren. Das erfüllt natürlich auch eine dokumentarische Funktion. So fördern Recherchen nach den vielfältigen Ausprägungen sozialer Bewegungen im Greifswald der Neunziger Jahre bedauerlich wenig zu Tage, hingegen sind viele Aspekte Greifswalder Subkultur hier in den vergangenen zwei Jahren festgehalten und für ein mögliches Später bewahrt worden.

Mussten wir beispielsweise damals noch für die Ausstellung Remember Café Quarks die alten Flyer zusammensammeln, Plakate einscannen und Zeitungsartikel entfalten, liegt nun eine umfangreichere — wenn natürlich keineswegs umfassende —  Materialsammlung Greifswalder Subkultur vor. Ansonsten gibt es wenige Seiten, wo sozusagen viel aufgehoben wird, abgesehen von den leider eingeschlafenen Bestrebungen des Lebenwesen-Blogs, der bis dato 11 Ausgaben des Stadtstreichers digital republizierte und damit eine wertvolle Quelle sicherte.

Ja, nun werde aber doch mal bitte konkret! Wieviel Zeit investierst du täglich und wieviel Geld verdienst du mit dem Blog?

Ich bin normalerweise mindestens vier Stunden täglich mit dem Blog beschäftigt. Das beginnt beim Frühstück mit den E-Mails und den ersten Nachrichten des Tages und setzt sich nach getaner Lohnarbeit am frühen Nachmittag fort. Wenn dann kein Plenum ansteht, nicht mit der Band geprobt wird und ich auf keiner Veranstaltung bin, geht es bis zum Abend weiter. „Intern: Der Fleischervorstadt-Blog wird 1000!“ weiterlesen

Gastbeitrag: Vom Schweigen

Ein Gastbeitrag von Klagefall

Ich bin jetzt auch bei Googleplus. Ich probiere alles aus. Googleplus ist der neueste Schrei. Zuerst gab es Twitter. Zwischendurch hatte ich den Twitteraccount mal gelöscht, dann aber doch wieder angelegt. Bei Twitter geht alles ganz schnell. Wenn irgendwo irgendwas passiert, sieht du es sofort in deiner Timeline. In Echtzeit (so, als ob es unechte Zeit gäbe).

DAS FACEBOOKPRINZIP: ALLE SIND DORT ANGEMELDET, ABER KEINER SCHREIBT ETWAS

Danach kam Facebook (Identi.ca und die ganz kleinen Sachen lasse ich jetzt mal weg, sonst wird es zu unübersichtlich). Bei Facebook sind alle deine Freunde: deine Freunde, deine Nachbarn, Leute aus der Schule, aus dem Verein, die ganzen Politniks, was weiß ich. Alle sind dort angemeldet, aber keiner schreibt etwas. Das ist das Facebookprinzip. Die Empfänger sind einfach zu verschieden, als dass man allen denselben Text schicken wollte. Da kannst du auch im Bus aufstehen und eine Rede halten. „Gastbeitrag: Vom Schweigen“ weiterlesen

Erfolgreicher Protest gegen NPD-Kundgebung in Greifswald *Update*

Ein kräftiger Regenguss und schon war es um die Wahlkampfbemühungen der NPD geschehen. Dabei haben sich die Neonazis so ins Zeug gelegt.

NPD fand kein Gehör

Der webMoritz zählte 30 an der Versammlung teilnehmende Neonazis und berichtete von jeweils über 200 Polizistinnen und Gegendemonstrantinnen. Die Redebeiträge wurden mit Hupen und Tröten sehr erfolgreich übertönt, Laufpublikum erreichten die Nationalen so gut wie gar nicht. Dieses Video zeigt, wie verloren Spitzenkandidat Udo Pastörs während seiner Rede auf dem Thälmann-Platz wirkte.

http://www.youtube.com/watch?v=o3w2wBb-G6A

Schlicht weggespült statt „hart am Wind“ gesegelt

Spätestens mit dem Einsetzen des Platzregens waren dann auch die letzten Schaulustigen verschwunden und die NPD machte dem maritim-populistischen Versprechen ihres Wahlkampfspots, „hart am Wind“ zu steuern, wenig Ehre. Nach einem kurzen Augenblick der Ohnmacht wurde das kleine Rednerpult eingepackt und die wetterfühligen Wirrköpfe fuhren davon, während die anwesenden Kameraden der Nationalen Sozialisten Greifswald (NSG) noch kurz blieben.

Die Veranstaltung verlief ohne Zwischenfälle, abgesehen von einer Person, aus dem sogenannten linken Spektrum, die in Gewahrsam genommen worden sein soll. Hervorhebenswert ist das Verhalten der Polizei, die von Beginn an umfangreiche Videoaufnahmen der Gegendemonstranten anfertigte. Glücklicherweise war nicht allen Beamten klar, dass die Verschlusskappe einer Kamera während des Filmens abzunehmen ist.

Der Tag war für die NPD kein Erfolg. Trotz der kurzfristigen Anmeldung konnten über 200 Leute mobilisiert werden, die dem Wetter trotzten und in Greifswald ein deutliches Zeichen gegen die Präsenz und Ideologie von Nazis setzten. Diese Menschen verdienen Dank für ihr Engagement!

*Update* 31.07., 00:45 Uhr „Erfolgreicher Protest gegen NPD-Kundgebung in Greifswald *Update*“ weiterlesen