Und seid ihr nicht willig, dann brauch ich Gewalt! Wie die CDU Greifswald eine Stadt für ihre politischen Ziele in Geiselhaft nimmt

Ein Gastbeitrag von Erik von Malottki

Prolog

Erik von Malottki, GreifswaldAnlass dieses Gastbeitrages ist die Bürgerschaftssitzung vom vergangenen Montag, die vor allem durch eine weitere Episode des CDU-geführten Kleinkrieges gegen den gewählten Oberbürgermeister Schlagzeilen machte. Der Grund dieses Mal: Ein Missverständnis über die Höhe der von der CDU erwirkten Kürzungen im Personalbereich, die in ihrer vollen Höhe zu Lasten des Bürgerservices gehen würden. Weitgehend unbeachtet von der Berichterstattung versuchte die CDU, eine Blockade des städtischen Haushaltes mit gravierenden Folgen für die dringend benötigten neuen Schulen und für Vereine der Jugend- und Schulsozialarbeit durchzusetzen.

Bisher war diese Art von Politik nur aus den Obstruktionsmaßnahmen von Tea Party Republikanern gegen Präsident Obama im sogenannten „Gouvernment Shutdown“ bekannt. Eine ganze Stadt in Geiselhaft der CDU? Am Ende scheiterte der Versuch, langfristig eine vorläufige Haushaltsführung zu erzwingen. Also alles nur ein Sturm im Wasserglas?

(Foto: webMoritz, Bearbeitung: Fleischervorstadt-Blog)

1. Akt „Die unbotmäßige Bevölkerung“

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Hochheim verzichtet auf Berufung, Fassbinder bleibt Oberbürgermeister

Jörg Hochheim geht nach der sieglosen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Greifswalder Oberbürgermeisterwahl nicht in Berufung. Der Grüne Gemeinschaftskandidat Stefan Fassbinder bleibt im Amt.

„Ich habe ich mich entschieden, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald keine Rechtsmittel einzulegen.“ Ist das der Anfang vom Ende eines quälend langen Schauspiels, dessen Unterhaltungsradius im vergangenen halben Jahr weit über die Stadtgrenzen hinausreichte und bundesweit für Unterhaltung sorgte? In dem geschachert und spekuliert wurde wie in einer vorpommerschen Mikroausgabe der Politikserie House of Cards, nur halt ohne U-Bahn-Tote?

OB-Wahl Greifswald Hochheim

(Montage: Fleischervorstadt-Blog, Fotos: Fleischervorstadt-Blog, Media Rights Capital,
Trigger Street Productions)

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Jahresrückblick: Das war 2015

Im vergangenen Jahr wurde in Greifswald gespalten und verbunden, bis sich die Balken bogen. Einerseits gab es Anlässe genug für eine ungesunde Portion Pessimismus, andererseits stimmen bestimmte Entwicklungen hoffnungsfroh. Ein Jahresrückblick mit Schlaglichtern aus Kommunalpolitik und Subkultur in der Hansestadt.

Kommunalpolitik: Historische Wende bei der Oberbürgermeister-Wahl

Selten erfuhr Greifswalder Kommunalpolitik so viel Aufmerksamkeit wie die Oberbürgermeisterwahl im Frühsommer. Das schlug sich zwar kaum in der Wahlbeteiligung nieder, sorgte dafür aber für bundesweite Öffentlichkeit. Der Gemeinschaftskandidat von Grünen, Linken, SPD und der Piratenpartei, Stefan Fassbinder, konnte sich in einer Stichwahl gegen seinen Konkurrenten Jörg Hochheim (CDU) mit einer hauchdünnen Mehrheit von nur 15 Stimmen durchsetzen. Doch wer dachte, dass sich der historische Wechsel im Rathaus so reibungslos vollziehen ließe, wurde alsbald durch die drei Einsprüche von CDU-Mitgliedern beziehungsweise parteinahen Einzelpersonen eines Besseren belehrt.

wahlparty-greifswaldJubel auf der Wahlparty von Stefan Fassbinder (Foto: Fleischervorstadt-Blog, 06/2015)

Eine verrutschte Fußmatte, die zwischenzeitlich nicht mehr als Türöffner dienen konnte und so den Wählenden einen der drei Eingänge ins Wahllokal temporär versperrte, wurde kurz darauf zur bundesweit belächelten Ikone der christdemokratischen Intervention. Aufgrund dieser Panne will der unterlegene Kandidat Hochheim nun vor Gericht. Die Verhandlung ist für den 19. Januar angesetzt. Kurz vor Weihnachten soll die CDU indes den anderen vier Parteien ein Angebot unterbreitet haben, um die Klage abzuwenden. Doch das Parteienbündnis erklärte in einer gemeinsamen Pressemitteilung, dass man zu keinem Handel bereit sei, „um dadurch die Rücknahme der Klage gegen das Ergebnis der OB-Stichwahl zu erreichen. Das verstößt gegen jegliche demokratischen Regeln. Wir kaufen keine Wahlergebnisse.“ Stefan Fassbinder hat am 1. November 2015 die Amtsgeschäfte von seinem Vorgänger Arthur König (CDU) übernommen. „Jahresrückblick: Das war 2015“ weiterlesen

CDU hat keinen Grund mehr, gegen Fassbinders OB-Wahl zu klagen

Amtsvorgänger Arthur König wurde am Freitag feierlich verabschiedet, nun ist Stefan Fassbinder neuer Oberbürgermeister von Greifswald und macht gleich am ersten Tag Schlagzeilen.

Am Freitag inaugurierte Arthur König seinen Amtsnachfolger Stefan Fassbinder (ex-Grüne), der von nun an im Rathaus über die Geschicke der Hansestadt wachen wird. Der Weg dorthin war steinig, denn der mit einer hauchdünnen Stimmenmehrheit gewählte neue Oberbürgermeister wäre um ein Haar über eine Fußmatte gestolpert, die später zu einem Wahlprüfungsausschuss führen und Greifswald mehrmals zum Gegenstand spöttischer Sendungen und Artikel machen sollte. Bis zum 7. November hat die CDU zwar noch die Möglichkeit, gegen das Wahlergebnis und die Ernennung Fassbinders juristisch vorzugehen, doch der triftigste Grund dafür, nämlich Machterhalt, wurde den Christkonservativen inzwischen genommen.

hochheim fassbinder ob greifswald(Montage: Kann diese Fußmatte mehr Fans haben als die CDU Vorpommern-Greifswald? via Facebook)

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OB-Wahl: Greifswalder Fußmatte bleibt Thema

Die Fußmatte, über die der im Mai mit hauchdünner Mehrheit gewählte Oberbürgermeister Stefan Fassbinder auf seinem Weg ins Amt stolperte, bleibt medial beliebt. Inzwischen widmeten sich auch die ersten realsatirischen Fernsehbeiträge diesem Thema.

Das Satiremagazin extra3, das bereits über den Greifswalder Superpoller vor der Wiecker Brücke und die Ampel in der Stralsunder Straße an der stark frequentierten Bahnstrecke am Hafen berichtete, legte unlängst nach und präsentierte ein Video über jene Fußmatte, die bislang nicht nur die Bürgerschaft und einen Wahlprüfungsausschuss auf den Plan rief, sondern möglicherweise auch noch ein Verwaltungsgericht beschäftigen wird.

Auch der ZDF-Länderspiegel wuppte die „fiese Fußmatte“ ins Programm und stellte sie in einem kurzen Beitrag als „Hammer der Woche“ vor. Tröstende Worte gab es dabei unter anderem vom Greifswalder Musiker Thomas Putensen: „Wenn man auch mal verliert, dann kann man auch mal nach 25 Jahren sagen: „Ok, es war eine schöne Zeit, wollen wir die anderen mal machen lassen.““

Wahlprüfungsausschuss schlägt Bürgerschaft vor, Einsprüche gegen OB-Wahl zurückzuweisen

Wer wird neuer Oberbürgermeister in Greifswald? Gestern tagte der Wahlprüfungsausschuss in nichtöffentlicher Sitzung und entschied sich mehrheitlich für eine Zurückweisung der Einsprüche.

Eigentlich hätte Greifswald inzwischen einen neuen Bürgermeister haben müssen, doch seit der Stichwahl, die der Gemeinschaftskandidat Stefan Fassbinder (Die Grünen) am 10. Mai mit nur 15 Stimmen Vorsprung gegenüber seinem Konkurrenten, dem Baudezernenten Jörg Hochheim (CDU), für sich entscheiden könnte, hat sich wenig getan. Ein einberufener Wahlprüfungsausschuss beschäftigte sich in den vergangenen Wochen mit den drei Einsprüchen gegen das Wahlergebnis und kam gestern in nichtöffentlicher Sitzung zu einem abschließenden Ergebnis.

Einspruch Oberbürgermeisterwahl Greifswald

(Montage: Fleischervorstadt-Blog, Foto: Michael Sander, Zeichnung: Nathan Kane)

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