Mir ist, als würd‘ der Wind mich rufen / Als sollt‘ ich ihn heraufbeschwören / Und mit Geschick mein Glück versuchen / Von fern kann ich sein Heulen hören / Pfeifend zieht er durch den Hafen / Peitscht die Wellen übers Meer / Wirbelt Staub auf in den Straßen / Und kommt mit Licht und Lärm zu mir / Wie er durch die Straßen fegt / Und tobt und brüllt und wütet / Was er in Schutt und Asche legt / Hat der Mensch vor ihm verwüstet / Sturm, weh wild und frei / Sing mir Dein Lied / Zeig mir den Dreh / Sturm, auf hoher See / Mach, dass es geschieht / Brich die Deiche entzwei.*
Die Umgebung kommt mir vor wie in Technicolor / Wenn ich trinke / Glaub mir oder nicht, hier ist Las Vegas für mich / Wenn ich trinke / Ein glitzernder Preis, ein neuer Beweis / Wenn ich trinke / Und ich durchschau was ich will / Und ich genieße es still / Und man lächelt mich an / Ich fühle mich wie ein Mann / Wenn ich trinke / Veracht‘ mich, aber glaube mir / Ich lieb das Leben, das ich führ‘ / Wenn ich trinke*
Heute Abend findet im IKUWO ein Vortrag mit anschließender Gesprächsrunde über den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) statt. Die hierfür gewonnene Referentin Katharina König (Die Linke) sitzt im Thüringer Landtag und ist Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss, der im Wochentakt neue Skandale generiert. Sie wird von Richard Goldstein begleitet, der sich seinerseits seit mehreren Jahren intensiv mit der sächsischen Neonaziszene auseinandersetzt.
Die beiden wollen in ihrem Vortrag nicht nur über die 13 Jahre des NSU referieren, sondern auch „eine Situation in Ostdeutschland aufzeigen, in welcher rechte Netzwerke entstehen konnten, aus denen diese Mordserie resultiert.“ Es gibt derzeit nur wenige Personen, die soviel von der Aufklärung über die Verwicklungen zwischen NSU und Verfassungsschutz miterleben wie Katharina König. Insofern verspricht der Abend Informationen aus erster Hand über ein hochbrisantes und noch längst nicht beendetes Thema.
Letzte Nacht und pünktlich vor der heutigen Podiumsdiskussion begann die Straze zu weinen. Auf dem Blog der Hedonistischen Internationalen Greifswald meldet sich die neue Sektion Schöner wohnen zu Wort und merkt voller Zynismus an, dass man lachen würde, wenn man nicht weinen müsste:
„Fast 5 Jahre ist es nun her, dass die Uni das Haus Stralsunder Straße 10/11 an den Berliner Investor Douglas Fernando und seine Immobilienfirma “Petruswerk” verkaufte. Zur gleichen Zeit war weder die Uni noch die Stadt Greiswald gewillt, mit dem extra gegründeten Verein “Kultur- und Initiativenhaus” zu reden, bzw. deren Kaufangebote auch nur in Erwägung zu ziehen. Nach 5 Jahren Leerstand und Verfall findet heute der mindestens 100. Versuch statt, bei dem die Gruppe “Kultur- und Initiativenhaus e.V.” auf diesen Missstand hinweisen will. RETTET DIE STRAZE!“
Am Theater Vorpommern hat die neue Spielzeit begonnen, es ist die erste unter der Führung des Intendanten Dirk Löschner, der sich im vergangenen Jahr mit seiner Entscheidung, die Verträge eines Großteiles des Ensembles nicht zu verlängern, einen satten Vorschussmalus in der Stadt sicherte.
GEWACHSENE GRÄBEN STATT ABFLAUENDER AUFREGUNG
Bis heute ist keine Ruhe im Haus eingekehrt, denn Wut und Unverständnis des Greifswalder Publikums verschwanden nicht, sondern führten dazu, dass die Arbeit der beiden Löschners — Bruder Sascha wurde als Chefdramaturg und schauspielerischer Leiter aus Stendal mitgebracht — von Anfang an und alles andere als unvoreingenommen beäugt wurden. Unter den kritischen Blicken der Kleinstädter, die auf Löschners Provinzialitätszuschreibungen empfindlich reagierten und auf den neuen Wind gespannt waren, liefen die ersten Premieren, die nicht nur für geteiltes Echo bei den Zuschauern, sondern auch für kommunalpolitische Zwistigkeiten sorgten.
Einen Verriss der Premiere von der Ballade vom traurigen Café, der auf dem Blog der Grünen Greifswald Vorpommern veröffentlicht wurde, beantwortete der hiesige CDU-Chef und Kulturexperte Axel Hochschild — der die Premiere seinerseits “beeindruckend” fand — mit dem Vorwurf, dass dieser Text von mehreren Parteimitgliedern der Grünen geschrieben worden sei. Die konnte er nach der Vorstellung dabei beobachten, wie sie „zusammengestanden und getuschelt“ hätten. Am Ende werden die sogar noch ein Glas Rotwein in der Hand gehabt haben!
(Abbildung: modifiziertes Logo zur neuen Spielzeit, Theater Vorpommern)
DER NEUE WIND WEHT — ABER GEGEN DIE LÖSCHNERS
Doch zurück zum Ernst der Lage. Inzwischen mehren sich die negativen Reaktionen des Publikums und man spürt sowas wie einen Graben zwischen den Gästen und der Führungsriege des Theaters, der eher tiefer als flacher wird. Selten las man in so kurzer Zeit so viele negative Rezensionen über das Theater Vorpommern wie jetzt. Im Netz weht ein neuer Wind — gegen die Löschners. „Tanz auf dünnem Eis: Die Gebrüder Löschner stellen sich ihrem Publikum“ weiterlesen →
Am Mittwoch findet im St. Spiritus eine Podiumsveranstaltung zur Zukunft des ehemaligen Gesellschaftshauses Zum Greif, den meisten eher als Straze bekannt, statt.
Verfall mit Kalkül nach Ablehnung des Abrissantrags?
Das Gebäude in der Stralsunder Straße wurde im Januar 2008 an ein Berliner Immobilienunternehmen verkauft und verfällt seitdem zusehends. Das Bemühen einer in der Zwischenzeit gegründeten Bürgerinitiative, das Haus vom Neueigentümer — Douglas Fernando (Petruswerk) — zu erwerben, blieb bis heute ohne Erfolg. Das Petruswerk hat seit der nicht erteilten Abrissgenehmigung nichts für den Erhalt des Gebäudes unternommen – sein Zustand leidet entsprechend.
Aus Sicht der Veranstalterinnen ist es höchste Zeit, mit allen beteiligten Akteuren eine gemeinsame Lösung zu finden, um den Verfall des Hauses aufzuhalten. Die Podiumsdiskussion soll so „verschiedene Möglichkeiten zum Erhalt des Hauses aufzeigen, den Austausch der Akteure fördern und der Beratung des weiteren Vorgehens dienen.“
Gehen Zerfall und Abriss der Greifswalder Altstadt weiter?
Der Abend wird von Ines Yitnagashaw (Architektin, Altstadtinitiative Greifswald e.V.) eingeleitet, die eine Einführung in die Geschichte des Hauses geben und aktuelle Entwicklungen und Perspektiven erläutern wird. Anschließend sollen Unterschriften Greifswalder Bürgerinnen übergeben werden, die den Erhalt des denkmalgeschützten Hauses fordern. Bei der anschließenden Diskussion sitzen neben einem Vertreter des Petruswerks folgende Personen auf dem von Thorsten Erdmann (freier Mitarbeiter NDR) moderierten Podium:
Prof. Dr. Horst Wernicke (Historisches Institut, Universität Greifswald)
Michael Bräuer (Deutsche Stiftung Denkmalschutz – Ortskuratorium Rostock, Vorsitzender der Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz)
Jörg Hochheim (Bausenator und 1. Stellvertreter des Oberbürgermeisters)
Erik von Malottki (studentischer Senator des akademischen Senats und Vorsitzender des Verwaltungsrates des Studentenwerks)
Thomas Schmidt (Kultur- und Initiativenhaus Greifswald e.V.)
Dr.-Ing. Michael Bednorz (Direktor des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege MV)
Das überwältigende Interesse an der Ausstellung Heimatkunde, die den Greifswalder Abrisswahnsinn der Achtziger Jahre dokumentiert und noch bis Ende Januar im Pommerschen Landesmuseum zu sehen ist, verdeutlichte die Anteilnahme der hiesigen Bürger am Verlust der historischen Bausubstanz ihrer Stadt.
Fernando verspielt seinen politischen Kredit
Währenddessen verspielt das Petruswerk seinen politischen Kredit in der Stadt, da der Kaufpreis für ein erworbenes Grundstück am Ryck bis heute nicht bezahlt wurde. Nach dem auch das zweite Ultimatum zahlungslos verstrich, schwindet Fernandos Unterstützung in der Greifswalder Bürgerschaft weiter. Die Podiumsdiskussion verspricht also nicht zuletzt deswegen spannend zu werden, weil ein Vertreter des Unternehmens auf dem Podium sitzen wird. Die Häuser denen, die sie brauchen!