Greifswalder Jugendliche rufen zum Protest gegen befürchteten Kahlschlag in der Jugendarbeit auf

Schon wieder eine Mahnwache, schon wieder geht es um fehlendes Geld und eine ungewisse Zukunft. Doch diese Woche ist es nicht der AStA, der den Protest initiiert — es sind Greifswalder Jugendliche, die morgen gleich zu zwei Mahnwachen vor dem Rathaus aufrufen. Dort tagt ab 18 Uhr der Finanzausschuss in einer Sondersitzung, um über den Haushalt des kommenden Jahres zu beraten.

TEILE EINER GESCHICHTE, DIE SPÄTER VON ÄLTEREN „FRÜHER-WAR-ALLES-BESSER“-FREUNDEN ERZÄHLT WIRD 

Es gibt ein Defizit von neun Millionen Euro, das weggekürzt werden muss. Durch die bevorstehenden Sparmaßnahmen gilt die Finanzierung der freien Jugendarbeit als akut gefährdet. Die Streichung der bereits gekürzten Mittel würde für die beiden Jugendzentren Labyrinth und Klex das Aus bedeuten.

Eine lebendig genutzte Fahrradwerkstatt, gesellschaftlich aktive Pfadfindergruppen, selbstorganisierte Konzerte, Volxküchen, ein Filmclub, Proberäume mit Aufnahmemöglichkeiten und vor allem Raum für Begegnungen vieler Interessen unter einem Dach — das alles wäre dann Teil einer Geschichte, die zukünftige Jugendgenerationen höchstens noch aus den Erzählungen ihrer etwas älteren „Früher-war-alles-besser“-Freunde kennenlernen könnten, während sie in Ermangelung geeigneter Räume am Museumshafen herumlungern und anderen auf die Nerven gehen.

Es geht nicht um neun Millionen für die Jugendarbeit, es geht auch nicht um eine Million — zur Disposition steht ein Betrag von nur 200.000 Euro. Dass die Stadt diesen übernimmt, ist aber Voraussetzung dafür, dass auch die anderen Förderbeträge vom Landkreis und dem Sozialministerium fließen können.

Dabei handelt es sich um insgesamt 600.000 Euro – also 75 Prozent der Gesamtausgaben, eine ähnliche Quote wie bei vielen Greifswalder Baumaßnahmen (Stichwort: Zugbrücke über den Ryck). Mit diesem Geld wurden bisher die Schulsozialarbeit sowie die Jugendsozialarbeit im Labyrinth und im Klex finanziert.

WENN SCHON NIEMAND VOR SCHAM IM BODEN VERSINKEN WILL, KANN MAN SICH AUCH AUS WUT ERHEBEN 

800.000 Euro, auf dieses Niveau wurde die freie Jugendarbeit in den vergangenen Jahren bereits heruntergekürzt. Zahlreiche kleinere Vereine und Initiativen mussten wegen fehlender Förderungen ihre Arbeit einschränken oder ganz einstellen.

Als Dezernent für Jugend (!), Soziales, Bildung, Kultur und öffentliche Ordnung müsste man angesichts dieser Zahlen vor Scham im Boden versinken, doch Ulf Dembski (SPD) ist noch immer da. Derzeit ist er schwer mit der Kita-Krisen-Reform beschäftigt, die ihn in den vergangenen Monaten ins Straucheln gebracht hat. Wenn aber schon niemand vor Scham versinken will, kann man sich auch aus Wut erheben — zumindest erstmal vorsichtig aus dem Sessel des Jugendzentrums.

Kürzungen der Jugendarbeit

An Wutgründen besteht kein Mangel. Da wäre zum Beispiel das Technische Rathaus, ein Bauprojekt, dessen Kosten sich inzwischen von sechs auf fast vierzehn Millionen mehr als verdoppelt haben. Personelle Konsequenzen für das finanzielle Fiasko sucht man auf verantwortlicher Seite der Stadt vergebens.

Der in den Skandal maßgeblich involvierte ex-Baudezernent Reinhard Arenskrieger (CDU) ist heute Vizepräsident des Landesrechnungshofes und Egbert Liskow (CDU) blieb trotz unwahrer Aussagen im anschließenden Untersuchungsausschuss Präsident der Greifswalder Bürgerschaft. Wie und vor allem was wird man, wenn einem soviel Rückgrat vorgelebt wird? Man versetze sich nur einmal in die Lage des verantwortlichen Proton-Mitglieds (so heißt die Konzertgruppe im Klex), das dem Plenum die plötzliche Kostensteigerung einer Veranstaltung von 600 Euro auf fast 1400 Euro erklären müsste. Ich würde höchst ungern tauschen wollen!

POLLERDIENSTE STATT TRISTESSE

Wütend kann auch die Posse um den Superpoller in Wieck machen, dessen Kosten sich inzwischen fast auf den zur Disposition stehenden Betrag belaufen. Die Angst davor, keinen Raum zur individuellen Entfaltung zu haben, ist offenbar so groß, dass die Jugendlichen sogar dazu bereit sind, ihr ehrenamtliches Engagement für die Stadt Greifswald auszuweiten, um fortan — ausgestattet mit Schlagbaum und Warnweste — Pollerdienst an der Wiecker Brücke zu leisten.

Bedingung dieses zynischen Vorschlags ist natürlich, dass ihnen die benötigten 200.000 Euro für die Sicherstellung ihrer Vereine und Freiräume gewährt würden.

(Foto: privat)

„Die freie Jugendarbeit ist kein Luxus, sondern notwendig für eine funktionierende demokratische Gesellschaft. Sie knüpft da an, wo es der Schule nicht möglich ist, Jugendliche zu erreichen.“ Mit diesen Worten rufen die Nutzer und Besucherinnen des Labyrinths und des Jugendzentrums Klex dazu auf, sich morgen vor dem Rathaus einzufinden und gemeinsam auf die prekäre Lage der Jugendarbeit in Greifswald aufmerksam machen.

Das Klex ist ein „essentieller Kulturraum“, die Jugend ist unsere Zukunft — und Du solltest morgen unbedingt auf dem Marktplatz sein, um allen zu zeigen, wie viele Menschen von diesen Mittelstreichungen betroffen sind und wie gut solche Pläne ankommen!

Fakten: 04.12. | 7-20 Uhr | Marktplatz

Es gibt morgen zwei Mahnwachen auf dem Marktplatz. Zur ersten (7-17 Uhr) rufen Nutzerinnen und Besucher des Klex und des Labyrinths auf. Die zweite Mahnwache von 17-20 Uhr hat der Stadtjugendring angemeldet.

Support the volunteer! Unterstützung für ambitioniertes Mobilitätsprojekt gesucht

Am Dienstag wird Lionel in Greifswald eintreffen. Er wird hier einen einjährigen Freiwilligendienst leisten, durch den er verschiedene Vereine und ihre Arbeit kennenlernen wird. Eigentlich ist das nichts Außergewöhnliches — deutsche Jugendliche können in der ganzen Welt reisen, studieren oder einen Freiwilligendienst ableisten und dabei wertvolle Erfahrungen sammeln. Aber Lionel kommt aus Moçambique und die Mobilität in die entgegengesetzte Richtung gestaltet sich ungleich schwieriger.

von süden nach norden

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Jetzt ist es amtlich: die Straze wird gerettet!

Die gute Nachricht gleich vorneweg: die Straze ist vorerst gerettet. Gestern setzte Douglas Fernando seine Unterschrift unter den Vertrag. Die Initiative, die sich seit Jahren um den Kauf des denkmalgeschützten Gebäudes bemüht, hat damit einen essentiellen Schritt nach vorn gemacht und kann endlich loslegen!

Dabei wurde es auf dem letzten Meter noch einmal knapp, denn Fernando ließ den für Donnerstag vereinbarten Notartermin, bei dem der Verkauf eigentlich besiegelt werden sollte, platzen. Gestern, also einen Tag später, erschien er jedoch und unterschrieb. Der Kaufpreis soll zwischen 350.000 und 400.000 Euro liegen. Dieses Geld wurde über Leih- und Schenkgemeinschaften organisiert. Die Kosten für die Sanierung des Gebäudes werden auf vier Millionen Euro geschätzt — dieses Geld soll ebenfalls über Leih- und Schenkgemeinschaften akquiriert werden.

In einem Artikel der Ostsee-Zeitung skizzierten Vertreterinnen der Straze-Gruppe, wie es weitergehen wird: im Januar des nächsten Jahres sollen Maßnahmen getroffen werden, um das Haus zu sichern und den weiteren Verfall aufzuhalten. Danach greift ein auf mehrere Jahre ausgelegter Sanierungsplan. Bis die Straze wieder bewohn- und bespielbar wird, wird also noch viel Zeit ins Land gehen, muss noch eine Menge Arbeit erledigt werden.

DAS ENDE EINER UNENDLICHEN GESCHICHTE 

Mit dem Verkauf des Gebäudes findet eine der langwierigsten Verhandlungen um eine Greifswalder Immobilie ihr vorläufiges Ende. Vor mehr als sechs Jahren, 2007, musste das Gebäude, das einst viele Vereine und einige Wohngemeinschaften beheimatete, leergezogen werden und wurde zum Verkauf angeboten. Im Januar 2008 wurde bekannt, dass der neue Eigentümer das Berliner Petruswerk ist.

Der Preis, den das Unternehmen für die Straze zahlte, soll zwischen 160.000 Euro und 300.000 Euro gelegen haben; die Angaben hierzu sind widersprüchlich. Wenig später stellte der ambitionierte Investor fest, dass die denkmalgerechte Sanierung des Gebäudes zu teuer sei und beantragte eine Abrissgenehmigung — glücklicherweise ohne Erfolg.

Indes bemühte sich eine Bürgerinitiative um den Erwerb des Gebäudes. Die Idee, das geschichtsträchtige Haus aus eigener Kraft erst zu sanieren und später zu betreiben, konkretisierte sich. Doch Douglas Fernando mauerte und brachte utopische Verkaufspreise ins Gespräch, die zum Teil mehr als das Doppelte des Preises, zu dem er das Gebäude gekauft hatte, betrugen. Irgendwann wurden die Verhandlungen ergebnislos eingestellt, bis sich schließlich auch die Stadt für einen Verkauf des Hauses an die Gruppe einsetzte.

Aus der Initiative von einst ist ein wirtschaftlicher Zusammenschluss geworden, der nun vor einer gigantischen Herausforderung steht. Doch bevor diese Aufgabe angegangen wird, darf in der nächsten Woche erstmal ausgiebig gefeiert werden. Dass in Greifswald binnen zweier Jahre mit dem IKUWO, der Brinke und der Straze gleich drei Häuser gekauft werden konnten — das ist der absolute Wahnsinn!

Sparkassenüberfall: Radelnder Räuber noch immer auf der Flucht

Am vergangenen Mittwoch wurde die Hauptfiliale der Sparkasse Vorpommern am Gorzberg von einem Mann überfallen, der unter Vorhaltung eines pistolenähnlichen Gegenstands die Herausgabe von Bargeld erzwang, ehe er das Gebäude verließ und auf einem Fahrrad vor der herbeieilenden Polizei in Richtung Südbahnhof/Gorzberg floh.

Trotz sofort eingeleiteter Fahndungsmaßnahmen der Polizei, die den Flüchtigen mit einem Hubschrauber, Fährtenhunden und mehreren Funkstreifenwagen suchte, konnte der Bankräuber bislang nicht gefasst werden.

Nun ist die Spur kalt. Die Ermittler veröffentlichten gestern Aufnahmen der Überwachungskameras und erhoffen sich sachdienliche Hinweise der Bevölkerung, um den Täter zu ergreifen — doch angesichts der schlechten Bildqualität und der Vermummung des Bankräubers stehen die Chancen dafür eher schlecht.

(Fotos: Polizeipräsidium Neubrandenburg)

Der Bankräuber soll nach Polizeiinformationen bei dem Überfall auf die Sparkasse eine Beute von mehreren tausend Euro Bargeld gemacht haben, dazu kommen noch ein paar 10-Euro-Gedenkmünzen im Wert von mehreren hundert Euro.

Nicht besonders viel, wenn man bedenkt, dass inzwischen durch die Verbreitung moderner Überwachungstechnik mehr als drei Viertel aller Banküberfälle aufgeklärt werden und den Tätern im Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren droht, je nachdem, ob sie eine Waffe bei sich trugen und diese gegebenenfalls auch einsetzten.

Bei einem Banküberfall steht man also mit einem Bein im Knast, auch wenn die Geschichte des NSU zuletzt zeigte, dass dies kein Naturgesetz ist. Einer Untersuchung zufolge ist der durchschnittliche Bankräuber in Deutschland übrigens im mittleren Alter, hat einen deutschen Pass und wird von gewaltigen Geldsorgen geplagt.

Die Polizei findet es „auffällig“, dass der Bankräuber ein Damenfahrrad älteren Modells nutzte, und bittet nun die Bevölkerung um Hinweise. Wer hat das kaum zu erkennende Fahrrad schon einmal gesehen, zum Beispiel bei anderen Straftaten? Wer erkennt den auf den Fotos kaum identifizierbaren Täter wieder? Trat diese Person auch schon bei anderen Straftaten in Erscheinung? Bitte spekulieren Sie!

  • Überfall auf Sparkasse in Greifswald am 20.11.2013- Fahndung nach abgebildeter Person – Polizei bittet um Mithilfe (PM Polizei, 28.11.2013)

Kurze Wege, lange Nächte – das Greifswalder Wochenende im Überblick #39

Es könnte wieder schlaflos werden: deutsch-dänischer Freejazz, die inzwischen großelterlichen Folkpunker von Mutabor, Soli-Techno und Dubstep im IKUWO, Techno in den Bahnhofshallen, die schwedische Soulband Combo de la Musica und schließlich ein von Jugendlichen organisiertes Benefizkonzert zur Flüchtlingshilfe. Eine Übersicht.

Kurze Wege lange Nächte Candelilla

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AStA trägt Universität zu Grabe

Wenn mein Dozent am Ryck steht, schmeißen die Enten Brotkrumen. 

Beerdigungen haben sich in Greifswald mittlerweile als Aktionsform etabliert. Was uns lieb ist, stecken wir in eine Holzkiste, schleppen es prozessiv durch die Stadt, bringen es dann feierlich unter die Erde und nehmen resigniert Abschied. Was haben wir in Greifswald nicht schon alles zu Grabe getragen? Zum Beispiel das gute alte AJZ oder das Studententheater in der Straze. Nun ist die Universität an der Reihe, doch die gewählte Form des Protests ist nicht unbedingt ein Vorbote positiver Schickalswendungen.

uni Finanzkrise(Foto: Morta_Della)

Es geht um die Unterfinanzierung der Universität und um fehlende Millionen, die das Land überweisen soll. Es geht um die Weiterbeschäftigung wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und um die Zukunft von Instituten. Der AStA gibt sich kämpferisch, die Studierendenschaft habe die Universität noch nicht aufgegeben, doch die Befürchtungen vor einer zusammengestrichenen Hochschule sind real und sollen in die Öffentlichkeit getragen werden.

Heute Abend um 18 Uhr versammelt sich vor der SPD-Geschäftsstelle am Mühlentor eine Trauergemeinschaft, die der Universität einen symbolischen Grabstein setzen wird. Wer sich bei Gedanken an geschlossene Institute, unbesetzte Lehrstühle und miserable Studienbedingungen unwohl fühlt, ist herzlich dazu eingeladen, sich dem Trauerzug anzuschließen. Als passende Accessoires dieser Aktionsform werden Blumen und Grablichter empfohlen.

Fakten: 28.11. | 18 Uhr | Mühlentor 1