Wutbürger demonstrieren in Greifswald, Polizei versagt skandalös

Seit gestern gehen nun auch in Greifswald besorgte Bürger auf die Straße, um ihrem Unmut über die Flüchtlingspolitik und den Kurs der Regierung Luft zu machen. Eine unangemeldete Demonstration wäre am Montagabend beinahe eskaliert, während sich die Polizei skandalös zurückhielt.

„Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“ — das kennt man aus den Internetvideos von Freital, Dresden bis Heidenau, doch als diese Parole als erste Verlautbarung einer diffusen Gruppe aus Asylgegnern und Neonazis über den Greifswalder Marktplatz schallte, hatte das eine furchterregende Aura. Bislang blieb die Universitätsstadt von den pegiden Demonstrationen, wie sie zum Beispiel in Stralsund, Rostock und Schwerin stattfanden, verschont, doch das hat sich nun vielleicht geändert.

Asylgegner Greifswald

Alarm im Sperrbezirk: „Wer Deutschland nicht liebt!“

Gegen 19 Uhr versammelte sich am Montagabend eine etwa 150 Personen starke Gruppe, um unter der Parole „Wir sind das Volk!“ einen unangemeldeten Protest durchzuführen. Wozu der Leitspruch der sanften DDR-Revolution konkret zweckentfremdet wird, war dem digital verbreiteten Mobilisierungsflyer nicht zu entnehmen. Dunkeldeutsche Beklemmungen löste er trotzdem aus — zu Recht, wie sich alsbald auf dem Markt zeigen sollte.

Provinzpegida Greifswald

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„Gefährlich verankert“: Andrea Röpke über rechtsextreme Strukturen und neue Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern

Rocker, Bürgerwehren, Siedlergemeinschaften, Autonome Nationalisten und neonazistische Firmennetzwerke — Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke analysiert in ihrem neusten Buch die vielseitig ausdifferenzierte rechtsextreme Szene in Mecklenburg-Vorpommern.

Die erste Auflage ist bereits restlos vergriffen, so dass sich die SPD-Fraktion des Landtags gezwungen sah, eine zweite Auflage nachzulegen. Gefährlich verankert – Rechtsextreme Graswurzelarbeit, Strategien und neue Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern heißt das Buch, das die freie Journalistin und Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke zusammen mit der sozialdemokratischen Fraktion des Landtags in der ersten Jahreshälfte 2015 publizierte.

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Belege liefern, Verbindungen aufzeigen und vor rassistischen Biedermännern und -frauen warnen

Die SPD ist mit dem neonazistischen Problem — zumindest im Landesparlament — bestens vertraut, schließlich sitzen die Rechtsextremen dort seit 2006 ohne Unterbrechung und haben trotz leichter Verluste bei den letzten Landtagswahlen noch immer ihren einträglichen Fraktionsstatus halten können. Die SPD und zuvorderst Fraktionsvorsitzender Norbert Nieszery fühlen sich verpflichtet, „auf diese gefährlichen Entwicklungen hinzuweisen, Belege zu liefern, Verbindungen aufzuzeigen und vor rassistischen Biedermännern und -frauen zu warnen, die zu Brandstiftern werden.“ „„Gefährlich verankert“: Andrea Röpke über rechtsextreme Strukturen und neue Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern“ weiterlesen

Tabubruch mit Kalkül: AfD unterstützt NPD-Anträge

In der vergangenen Woche sorgten die drei Kreistagsmitglieder der AfD, Andreas Bünning, Matthias Manthei und Gunter Jess, für Empörung unter den übrigen demokratischen Parlamentariern. Sie stimmten auf der Kreistagssitzung in Pasewalk nicht nur für mehrere NPD-Anträge, sondern verteidigten sogar mit einer eigenen Rede eine NPD-Beschlussvorlage, mit der die Wolgaster Kirchengemeinde St.Petri zur Unterlassung des Kirchenasyls aufgefordert werden sollte. Das hat es in der kurzen Geschichte des jungen Kreistags noch nicht gegeben!

PIRATEN: DIE AFD BAUT DARAUF, DASS VIELE BÜRGER DEN SCHWERINER WEG NICHT VERSTEHEN

Bislang orientierte man sich im Kreistag an dem sogenannten Schweriner Modell, auf das sich 2011 die Landtagsfraktionen der demokratischen Parteien Mecklenburg-Vorpommerns verständigten und bei dem es darum geht, keinerlei Initiativen der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern zu unterstützen. Um populistischen Scheindebatten vorzubeugen, wird seitdem jeder NPD-Antrag mit jeweils einem Redebeitrag aus den Reihen der demokratischen Parteien beantwortet, ehe er beim Votum ohne Zustimmung scheitert.

(AfD-Kreistagsmitglieder v.l.n.r.: Andreas Bünning, Matthias Manthei, Gunter Jess)

Die AfD, die sich gebetsmühlenartig als „Partei des gesunden Menschenverstands“ präsentiert, hat den Schweriner Weg nun verlassen beziehungsweise nie betreten. Gunter Jess erklärt auf der Internetseite des AfD-Kreisverbands, dass er das Modell für verfassungsrechtlich bedenklich hält: „Eine Abmachung, die eine Stigmatisierung einer demokratisch legitimierten Partei, unabhängig von inhaltlicher Auseinandersetzung, vorsieht, ist im Kern selbst zutiefst undemokratisch. Hiermit wird deutlich, wem die Maske vom gesicht [sic!] gerissen werden muß [sic!]. Die AfD´ler stehen nicht für ideologische Grabenkämpfe im Kreistag, sondern für inhaltliche Auseinandersetzung und Sachpolitik nach bestem Wissen und Gewissen.“

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Ergebnisse der Kreistagswahl: CDU siegt, SPD und NPD verlieren Zustimmung

Neben den Wahlen für das Europaparlament und die Greifswalder Bürgerschaft wurde am Sonntag auch über die Zusammensetzung des Kreistags Vorpommern-Greifswald abgestimmt. Dabei konnte die CDU einen deutlichen Stimmenzuwachs (+6,3%) verzeichnen, während SPD und NPD im Vergleich zur Kreistagswahl 2011 fast ein Drittel ihrer Stimmen einbüßten. Die LINKE wird zweitstärkste Partei im Kreis.

HAU DEN LUKAS! CDU SIEGT — SOGAR EX-BOXWELTMEISTER SEBASTIAN SYLVESTER SCHAFFT ES IN DEN KREISTAG

Das beste Ergebnis konnte Arthur König (CDU) für sich verbuchen. Mit 8045 Stimmen besorgte der Greifswalder Oberbürgermeister fast ein Fünftel aller CDU-Stimmen im Alleingang. Der Wahlerfolg (34,6%) beschert den Christdemokraten fünf zusätzliche Sitze, so dass sie fortan 24 der 69 Kreistagsmitglieder stellen werden. Weitere Greifswalder Christdemokraten, die in der kommenden Legislatur im Kreistag sitzen werden, sind Jörg Hochheim, Axel Hochschild, Egbert Liskow sowie der frühere Boxweltmeister und Politneuling Sebastian Sylvester, der mit seiner kurzweiligen Rede auf dem CDU-Kreisparteitag im März zu amüsieren wusste.

Die LINKE ist zwar zweitstärkste Kraft (17,7%) im Kreis, verliert aber einen Sitz und wird jetzt nur noch 12 Mitglieder stellen, darunter MdL Mignon Schwenke und Birgit Socher aus Greifswald. Die SPD verlor im Vergleich zur letzten Wahl 6,3 Prozentpunkte (13,4%) und büßt ganze fünf Sitze ein. Das einzige Greifswalder Mandat der Sozialdemokraten konnte der Student Erik von Malottki erringen.

Eine Nähe zur Hansestadt bringen aber auch der Neuenkirchener Rentner Lothar Brandt und MdL Patrick Dahlemann aus Torgelow mit. Das viertstärkste Ergebnis erzielte die Wählergemeinschaft Kompetenz für Vorpommern (9,8%), die sich mit einem leichten Stimmenzuwachs von 0,3 Prozentpunkten im Kreis etablierte. Der einzige Greifswalder der Liste, der es in den Kreistag schaffte, ist Frank Hardtke.

Die Grünen verloren mehr als ein Drittel ihrer Stimmen (-2,1 Prozentpunkte) und erreichten nur vier Prozent. Dadurch verlieren sie einen Sitz. Ihren Fraktionsstatus haben die Grünen bereits in der vergangenen Legislaturperiode durch den Fraktionsaustritt von Waldemar Okon aufgegeben. Insofern ändert sich gar nicht so viel. Auch die Alternative Liste (AL) konnte ein Mandat erringen (0,9%). Für die AL wird der ehemalige Grüne Gregor Kochhan in den Kreistag gehen, für die Grünen sind Cornelia Kampe aus Greifswald sowie der an der Universität arbeitende Waldemar Okon dabei.

Die FDP (2,2%) verlor zwar Stimmen, behält aber ihre beiden Sitze. David Wulff bleibt der einzige Greifswalder Liberale im Kreistag. Die Piratenpartei erreichte 1,3% und eroberte den Sitz, den sie durch den Streit mit ihrem seit 2012 ausgeschlossenen Mitglied Matthias Bahner in der vergangenen Legislaturperoide verloren hat, zurück. Ihn wird der Greifswalder Martin Banduch besetzen. Die Bürgerliste konnte sich um 0,8 Prozentpunkte auf 1,9% verbessern; für sie zieht der Greifswalder Schulleiter Ulf Burmeister in den Kreistag.

NPD VERLIERT EIN DRITTEL IHRER STIMMEN, AFD GELINGT FLÄCHENDECKENDER EINZUG

Der Alternative für Deutschland gelang in Mecklenburg-Vorpommern der flächendeckende Einmarsch in die Kreistage. Im Landkreis Vorpommern-Greifswald reichte das erzielte Ergebnis (4,9%) für immerhin drei Sitze. Zwei der Mandatsträger kommen aus der Region: der Greifswalder Gunter Jess und der Richter Matthias Manthei aus Wackerow.

Den Erfolg der AfD bekam auch die NPD zu spüren, die landesweit zehn ihrer 27 Kreistagsmandate verloren hat. Im Landkreis Vorpommern-Greifswald verschlechterte sich das Ergebnis der Rechtsextremisten um 2,4 Prozentpunkte auf eine nach wie vor alarmierende Zustimmung von 6,6%. Innerhalb der Fraktion — nunmehr die letzte NPD-Kreisfraktion in Mecklenburg-Vorpommern — wird sich indes wenig ändern: Christian Hilse wurde nicht wiedergewählt und scheidet aus, die übrigen Kader machen weiter.

Dazu gehören MdL Michael Andrejewski, MdL Tino Müller sowie Enrico Hamisch, Dirk Bahlmann und Kristian Belz. Obwohl die NPD fast ein Drittel ihrer Wähler verloren hat, kann angesichts der Tatsache, dass sie zusammen mit der AfD auf 11,5% kommt, leider nicht von einer Schwächung des Lagers rechts der CDU gesprochen werden.

  • Wahl des Kreistages im Landkreis Vorpommern-Greifswald (Landeswahlleiterin, 26.05.14)
  • Übersicht aller gewählten Kandidierenden (Landeswahlleiterin, 26.05.14)
  • Wahlergebnis für den Kreistag des Landkreises Vorpommern-Greifswald im Wahlgebiet Greifswald (Greifswald.de, 26.05.14)
  • Deutliche Verluste für die NPD bei der Kommunalwahl (Kombinat Fortschritt, 26.05.14)
  • Kreistagswahlen in M-V enden für NPD im Fiasko (Endstation Rechts, 26.04.14)

Ergebnisse der Kommunalwahl: Zehn Parteien in der Greifswalder Bürgerschaft

Das Auszählen der Stimmzettel zog sich gestern bis weit nach Mitternacht hin. Inzwischen stehen die vorläufigen Ergebnisse der Wahlen fest. Die große Siegerin des gestrigen Tags heißt CDU — die Christdemokraten konnten nicht nur die Europawahl erwartungsgemäß für sich entscheiden, sondern sind gleichfalls sowohl im Kreistag als auch in der Greifswalder Bürgerschaft wieder stärkste politische Kraft.

Trotzdem hat die CDU in der Bürgerschaft Federn gelassen und im Vergleich zur Kommunalwahl 2009 mehr als fünf Prozentpunkte verloren (25,3%), so dass die Fraktion nun nur noch über 11 Sitze statt über 13 Sitze verfügen wird. Auch DIE LINKE verliert zwei Sitze und wird trotz des zweitbesten Wahlergebnis (19,4%) in Zukunft nur noch 8 statt 10 Bürgerschaftssitze besetzen.

(greifswald.de)

Die SPD verzeichnete minimale Stimmengewinne und stellt wiederholt die drittstärkste Partei in der Bürgerschaft (14,2%). Wie in der vorherigen Legislaturperiode werden die Sozialdemokraten auch in den kommenden Jahren sechs Sitze besetzen. Die Grünen haben 0,2 Prozentpunkte verloren (10,6%), behalten jedoch ihre fünf Sitze im Rathaus.

Die große Wahlverliererin ist die FDP, die — dem Bundestrend folgend — im Vergleich zur letzten Kommunalwahl (8,6%) fast fünf Prozentpunkte verlor. Nur 3,7% der abgegebenen Stimmen konnten die Liberalen, die damit nur noch zwei statt vier Sitze besetzen werden, auf sich vereinigen. Zu den Verlierern gehört weiterhin die Bürgerliste Greifswald (7,4%), die an ihr Ergebnis von 2009 (10,1%) nicht mehr anknüpfen konnte und sich jetzt mit drei Sitzen begnügen muss.

Die Kompetenz für Vorpommern (KfV) erreichte zwar ebenfalls drei Sitze (7,2%), dürfte aber angesichts ihres teuren Wahlkampfs — kolportiert werden Wahlkampfausgaben in mittlerer fünfstelliger Höhe — ihr anvisiertes Ziel verpasst haben. Mit der KfV, der AfD (5,7%, zwei Sitze), der Piratenpartei (3,8%, zwei Sitze) sowie der Alternativen Liste (2,1%, ein Sitz) wurden vier neue politische Organisationen in die Bürgerschaft gewählt, in der damit nun insgesamt zehn Parteien und Wählerinnengruppen vertreten sein werden. Die beiden Einzelbewerber Matthias Bahner und Chris Patzke konnten nicht genügend Stimmen auf sich vereinen — sie schaffen es als einzige Kandidaten nicht in die Bürgerschaft.

Die Wahlbeteiligung lag bei 42,4 Prozent (2009: 39,8%) Die endgültigen Wahlergebnisse werden am Mittwoch um 18 Uhr vom Gemeindewahlausschuss im Rathaus präsentiert.

Zotensammlung zur Greifswalder Kommunalwahl 2014

Am Sonntag wird mal wieder gewählt. Dann können die volljährigen Greifswalder Wahlberechtigten insgesamt sieben Stimmen vergeben, denn zusätzlich zur Europawahl finden hierorts auch Abstimmungen über die zukünftige Zusammensetzung der Bürgerschaft und des Kreistags Vorpommern-Greifswald statt. 

Bei der Wahl der Greifswalder Bürgerschaft konkurrieren insgesamt 150 Kandidierende aus zehn Parteien (CDU, SPD, Linke, Grüne, FDP, Piratenpartei, AfD) und Wählergruppen (Alternative Liste, Bürgerliste, Kompetenz für Vorpommern) um 43 Sitze. Dazu kommen zwei Einzelbewerber, unter anderem Matthias Bahner, der vor zwei Jahren wegen seiner früheren NPD-Mitgliedschaft aus der Piratenpartei ausgeschlossen wurde. Im Gegensatz zur Kreistagswahl hat die NPD bei der Bürgerschaftswahl keinen Kandidaten aufgestellt.

Never ending Wahlkampfstory: zerstörte Wahlplakate

Wahlkampf, das ist auch die Zeit, in der die Fallzahlen politisch motivierter Sachbeschädigungen in die Höhe schnellen und Wahlplakate zerstört oder beschmiert werden. Bei der vergangenen Bundestagswahl waren davon neben der NPD besonders solche der LINKE, SPD und der Grünen betroffen, die zum Teil mit persönlichen Drohungen und antisemitischen Zeichnungen beschmiert wurden. In diesem Jahr gestaltet sich die Situation ganz ähnlich und doch ein bisschen anders.

Den Beginn machte die Alternative für Deutschland, die sich Ende April über die fortlaufende Zerstörung ihrer Wahlplakate beklagte. Der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Vorpommern-Greifswald, Dr. Matthias Manthei, ist der Ansicht, dass die AfD offenbar die einzige Partei in Deutschland sei, die „planmäßig und organisiert verfolgt“ würde. Bleibt zu hoffen, dass Manthei nicht vom Glauben abgefallen ist, falls er die Anekdote seiner sächsischen Parteikameraden mitgekriegt haben sollte, die Bernd Luckes Konterfei auf Pappen klebten, welche bis zu deren Entwendung einer anderen Partei — nämlich der LINKEN — gehört haben sollen. Die einzige Partei, die unter der Zerstörung ihrer Wahlwerbung leidet, ist die AfD dabei wohl nicht!

So meldete Mitte Mai die LINKE, dass sie von einem Bürger darüber informiert wurde, dass ihre Wahlplakate in der Ladebower Chaussee von Wahlkampfhelfern der CDU um 90° gedreht und damit für die Autofahrenden so gut wie nicht mehr wahrnehmbar gemacht worden seien. Pikantes Detail: Die plakatierenden Christkonservativen sollen mit einem Firmenwagen des CDU-Fraktionsvorsitzenden Axel Hochschild unterwegs gewesen sein. Eine Besichtigung vor Ort habe schließlich ergeben, dass „tatsächlich alle Plakate der LINKEN und FDP um 90 Grad gedreht wurden. Augenscheinlich nur an den Laternenmasten, wo die CDU vorher plakatiert hat.“ Hochschild soll später zwar telefonisch eingeräumt haben, dass man beim Plakatieren auch die Plakate anderer Parteien schon mal berühren oder bewegen würde, den Vorwurf des gezielten Drehens der Konkurrenzplakate habe der Malermeister aber vehement abgestritten. Nur eine Woche später meldet sich Hochschild in einer Pressemitteilung zu Wort, in der er feststellt, dass sich „Übergriffe“ auf CDU-Wahlplakate häufen würden. Besonders oft habe es Plakate mit dem Motiv „Graffiti? Nein danke!“ erwischt. Für den Fraktionsvorsitzenden ist der Fall klar: „Wir scheinen mit unserem Graffiti-Plakat den Finger in die Wunde gelegt zu haben“.

Beschmiertes Wahlplakat Ibrahim Al Najjar SPD

Unter Angriffen auf ihre Plakate zur Kommunalwahl litt auch die SPD. Besonders schwer hat es Kreistagsmitglied Ibrahim Al-Najjar getroffen: In der Nacht von Donnerstag zu Freitag sollen über 40 seiner Plakate in Schönwalde II — er ist der einzige SPD-Kandidat mit eigenen Plakaten — zerstört worden sein. In der Gützkower Straße hängt seine Wahlwerbung zwar noch, wurde aber beschmiert und zeigt den in Syrien geborenen Kommunalpolitiker mit zusammengewachsenen Augenbrauen und dem obligatorischen Hitlerbart. Schlussendlich bleibt noch die FDP zu erwähnen, deren Wahlwerbung in der Greifswalder Südstadt vor zwei Wochen sprichwörtlich in Flammen aufging. Zerstörte Wahlplakate sind offenbar ein Problem, mit dem fast alle Parteien und Listen zu kämpfen haben.

Farce I: Grüne Krise und alternative Spalter

Im März wurde es amtlich: Die Grünen werden bei der Kommunalwahl mit anderen Kandidaten antreten als in der Vergangenheit. Der progressiv-aktionistische Flügel um Gregor Kochhan, Ulrich Rose und Michael Steiger wurde aus der Partei gedrängt — beziehungsweise hat sich aus der Partei drängen lassen — und ist inzwischen neuorgansiert als Alternative Liste. Bei der AL geht es wie gehabt mit lauter Polemik auf dem AL-Blog und realem Engagement auf der Straße weiter. Ob der Einzug in Bürgerschaft und Kreistag klappt, wird am Sonntag feststehen. Auf jeden Fall wird diese Spaltung Stimmen kosten.

Als ob das nicht schon genug wäre, geraten die Grünen zudem durch eine Erklärung eines früheren Mitarbeiters der Landtagsabgeordneten Ulrike Berger in Misskredit, die ein weiteres Negativlicht auf die parteiinternen Auseinandersetzungen der Grünen wirft. Am Ende dieser traurigen Soap hat ein Landtagsmitglied mit dem Arbeitsschwerpunkt Inklusion einen (leicht behinderten) Angestellten entlassen. Die Erklärung des Mitarbeiters, der seiner Partei zuvor die Mitgliedschaft aufkündigte und sich zukünftig auch keiner anderen Partei anschließen möchte, ist natürlich in höchstem Maße subjektiv und mit Vorsicht zu genießen, zeichnet aber trotzdem kein gutes Bild von den Grünen. Das Datum der Veröffentlichung ist offenbar nicht allein wahlkampftaktisch motiviert, sondern ergibt sich auch durch die zeitliche Fügung des angestrebten Parteiausschlussverfahrens.

Farce II: SPD-Unternehmer Norbert Braun und sein Nein zum Mindestlohn

Norbert Braun SPD Greifswald

Der Unternehmer Norbert Braun (SPD) sorgte Anfang Mai für Aufregung. Es ging um die Schließung von zwei seiner Firmen (RügenGut/Garz, Seafood/Valluhn) im Dezember 2013. Braun erklärte, er hätte die beiden angeschlagenen Unternehmen aufgrund des Mindestlohns schließen müssen, der vielen Arbeitnehmern ab dem kommenden Jahr bezahlt werden soll. Eine Sanierung der angeschlagenen Unternehmen sei bei diesem Lohnniveau nach Auskunft Brauns gegenüber der Ostsee-Zeitung nicht möglich gewesen — 80 Arbeitsplätze wurden aufgelöst.

Bei der CDU erkannte man das Polemikpotenzial dieses Themas und veröffentlichte einen bissigen Text mit dem uncharmanten Titel Ob ROT oder Braun– auf uns könnt ihr nicht bau’n! auf dem parteinahen Pommernblog. Die peinliche Leistung des Sozialdemokraten wird nur dadurch noch übertroffen, dass er nach wie vor verspricht, sich für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen einzusetzen.)

Farce II: CDU-Mahnwachen und harte Worte gegen untätige Investoren

Eine ähnliche Farce lieferte dann zu Wochenbeginn nochmal die CDU mit einer Mahnwache zur Rettung Greifswalder Baudenkmäler ab. Unter dem Slogan „Sanieren statt spekulieren!“ zogen Hochschild und Konsorten durch die Innenstadt. Viele Investoren hätten Geld nach Greifswald gebracht, doch es gäbe leider auch schwarze Schafe, für die nur der eigene Vorteil zähle, die auf steigende Grundstückspreise spekulierten und wertvolle Baudenkmäler verfallen lassen würden. Sascha Ott, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Innenstadt, findet „eine solche rücksichtslose Profitgier […] widerlich“.

Die Christdemokraten versprechen, dass sich die neue Bürgerschaftsfraktion dafür einsetzen wird, dass sanierungsunwillige Eigentümer zur Rechenschaft gezogen werden: „Die maroden Baudenkmäler müssen nun endlich instandgesetzt werden. Das Recht auf Eigentum ist zwar die Grundlage unserer Wirtschaftsordnung. Aber wenn das Ende der Fahnenstange erreicht ist, werden wir auch über Enteignungsverfahren nachdenken“, wie Vorsitzender Axel Hochschild erklärte. So einen Tonfall hätten sich wohl viele Greifswalder gewünscht, als die CDU noch einen besseren Draht zum Investor Douglas Fernando (Petruswerk) hatte, der das denkmalgeschützte Gesellschaftshaus in der Stralsunder Straße 10 über Jahre verfallen ließ.

Praktische Infos zur Kommunalwahl

Die Wahllokale werden morgen früh von 8 Uhr bis 18 Uhr geöffnet sein. Zum Wählen wird ein Ausweisdokument und idealerweise auch die Wahlbenachrichtigung benötigt — letztere ist aber nicht zwingend erforderlich. Die Zwischenergebnisse werden ab 18 Uhr online veröffentlicht; in diesem Jahr zum ersten Mal auch mit einer für Smartphones optimierten Darstellung. Nach der Stimmenzählung der Europawahl werden die abgegebenen Voten für Kreistag und Bürgerschaft gezählt. Mit den ersten Wahlergebnissen sei nach Auskunft der Stadt nicht vor 20 Uhr zu rechnen, die Ergebnisse zur Bürgerschaftswahl würden vermutlich erst nach Mitternacht vorliegen. Morgen werden außerdem Korrespondenten der Forschungsgruppe Wahlen und des Umfrage-Instituts Infratest dimap unterwegs sein, die im Auftrag der ARD Befragungen zu den Europawahlen durchführen werden.

Wer sich abends auf einer Wahlparty amüsieren will, geht in die Brasserie Hermann (Die Grünen, FDP), ins Fellini (Bürgerliste), ins da Gianni (Kompetenz für Vorpommern), ins Sofa (Die Linke), In den Friedrich (CDU), in den Alten Speicher (AfD) oder ins Ravic (SPD).

Greifswald wählt, aber was macht Sebastian Jabbusch?

Kennt noch jemand webMoritz-Gründer und Arndt-Gegner Sebastian Jabbusch? Diese Zotensammlung zur Greifswalder Kommunalwahl soll mit einem von ihm verantworteten Video zur Europawahl,  das mittlerweile auch ausgezeichnet wurde, und dem eindringlichen Appell, morgen bitte wählen zu gehen, schließen.

(Fotos: Fleischervorstadt-Blog)